Zu diesem Heft — Heft 2/2007
 
    
  

Global Governance, so Lawrence Finkelstein, leistet im internationalen Rahmen das, was im nationalen Rahmen die Regierungen leisten. Lange Zeit lag die unangefochtene Zuständigkeit für Global Governance bei den Institutionen des UNO-Systems. Doch bereits in den 1970er Jahren gab es Anzeichen, dass sie zur Bewältigung der globalen Probleme auf Dauer nicht ausreichen würden. Um die oft geringe Effektivität der UNO-Gremien bei der Lösung drängender weltpolitischer Probleme zu kompensieren, fanden sich – vermehrt nach Ende des Kalten Krieges – Vertreter der unterschiedlichsten Regierungen in einer wachsenden Zahl von Gruppen, Foren, Clubs und Koalitionen zusammen. Ob auf Industrieländerseite unter der Bezeichnung G7, G8, G20, ob als F20 oder L20, oder auf der Seite der Südländer als G20+, G33, G77, G90, G110, die Gruppierungen der »G-Welt« wirken formell oder informell, mit Bezug zum UNO-System oder parallel zu ihm, an der globalen Politikregulierung und der Lösung internationaler Probleme mit. Allerdings führt das Auftreten neuer selbsternannter Akteure notwendig zu einer Fragmentierung und Informalisierung der internationalen Beziehungsgeflechte, wodurch die Komplexität der zumeist ohnehin schwierigen multilateralen
Verhandlungsprozesse noch zunimmt.

In der vorliegenden Ausgabe von INTERNATIONALE POLITIK UND GESELLSCHAFT zeichnet Thomas Manz den Formierungsprozess der Gruppen und Verhandlungskoalitionen des Südens im Verlauf der Verhandlungen über die Ausgestaltung des Welthandelsregimes nach. Längst werden die Verhandlungsarenen nicht mehr von den alten Industrieländern dominiert, sondern es sind ausdifferenzierte Strukturen der Interessenvertretung entstanden. Die Südländer verfügen über Artikulationsfähigkeit und Verhandlungsmacht und verstehen diese pragmatisch einzusetzen, ohne die liberale Welthandelsordnung in Frage zu stellen. Auf der anderen Seite versuchen die Industrieländer in ihren Gruppen und Allianzen die Asymmetrien zu korrigieren, die sich, insbesondere seit dem Aufstieg diverser Schwellenländer zu Weltmächten, als immer größeres Handikap für die einvernehmliche und gemeinsame Lösung internationaler Probleme sowie die Schaffung von allgemein akzeptierten Regulierungen erweisen. Allerdings ist das Global Governance-System von der definitiven Lösung seiner Effizienz und Legitimitätsprobleme noch weit entfernt.

Thomas Fues konzentriert sich in seinem Beitrag auf die Chancen und Grenzen der G8 und setzt sich insbesondere mit den Reformansätzen für die Gipfel- und Gruppenarchitektur auseinander. Zu den wichtigsten gehört G8+5, eine um die fünf großen Ankerländer Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika erweiterte G8, wie sie insbesondere Tony Blair vorschwebt. Unter der Bezeichnung L20 (leaders 20) hat ein Reformmodell Aufmerksamkeit erregt, das vom kanadischen Premier Paul Martin propagiert wird und als Versuch gedeutet werden kann, einen neuen und »exekutiven« Multilateralismus mit dem »neuen« Regionalismus zu verbinden. In diesem Modell haben die alten Industrienationen erstmals nicht das Übergewicht. G25, die »International Task Force on Global Public Goods«, und L27, eine Initiative von Kofi Annan, sind nur von untergeordneter Bedeutung.

China ist unter den aufsteigenden Weltmächten gewiss diejenige, deren Rollenverständnis das zukünftige Global Governance-System am stärksten prägen wird. Zwar versucht Peking in jenen Teilen der Welt, wo China mit den alten Industrieländern in Konkurrenz tritt, Konfrontationen zu vermeiden und Konflikten aus dem Weg zu gehen. Doch die kompromisslose Verfolgung eigener Interessen bei gleichzeitiger Nicht-Beteiligung an multilateralen Arrangements hat unter den OECD-Staaten zu Verunsicherung und Besorgnis geführt. In seinem Beitrag über die chinesische Energie- und Rohstoffpolitik zeigt Heinrich Kreft, dass das Land zu einer nachdrücklichen Energie- und Ressourcenbeschaffungspolitik nachgerade gezwungen ist, wenn es seine wirtschaftliche Entwicklung und soziale Stabilität nicht gefährden will. Doch der neo-merkantilistische Ansatz, der darauf abzielt, die Kontrolle über ausländische Öl- und Gaslager zu erreichen und Ressourcenströme nach China zu lenken, kontrastiert mit der westlichen Idee, dass nur funktionierende Märkte eine ausreichende Versorgung für alle gewährleisten können.

Welcher Art die Rückwirkungen der chinesischen Ressourcenpolitik auf die internationale Ordnung sein könnten, deutet sich im Fall von Angola an, den Sabine Fandrych analysiert. China bewahrte das Land nach dem Bürgerkrieg mit einem großzügigen Kooperationsabkommen vor der Erfüllung der westlichen Bedingungen für die Gewährung von Wiederaufbauhilfe; mittlerweile ist Angola der wichtigste Öllieferant Chinas. Auch anderswo in Afrika zeigt sich China großzügig. Der Beitrag von Hofmann, Kretz, Roll und Sperling, nimmt anlässlich des China- Afrika-Gipfels Stand und Perspektiven der Beziehungen Chinas zu Afrika in den Blick. Wegen seiner Kredite ohne Bedingungen und dem Verzicht auf jegliche Good Governance- und Umweltauflagen erfreut sich China in Afrika wachsender Beliebtheit. Dass das Motiv für diese Wohltaten Rohstoff- und Exportinteressen sind, scheint niemanden zu stören.

Ergänzend zu den beiden Schwerpunktthemen stellt Hans-Joachim Spanger Überlegungen zu den Perspektiven der russisch-europäischen Beziehungen an. Schettner, Glassner und Karokhail plädieren für eine differenzierte Betrachtung der afghanischen Warlords. Alfred Pfaller präsentiert Einsichten in die wirtschaftlichen und sozialen Transformationen Rumäniens. Und Hans-Jörg Albrecht erläutert die internationalen Verflechtungen von Gewaltökonomien in Krisengebieten und problematisiert den strafrechtlichen Umgang mit ihnen.

     
 
     
 
 
     
© Friedrich-Ebert-Stiftung   Redaktion/net edition: Gerda Axer-Dämmer | 4/2007  < Top