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Global Governance, so Lawrence Finkelstein, leistet im internationalen
Rahmen das, was im nationalen Rahmen die Regierungen leisten.
Lange Zeit lag die unangefochtene Zuständigkeit für Global Governance
bei den Institutionen des UNO-Systems. Doch bereits in den 1970er Jahren
gab es Anzeichen, dass sie zur Bewältigung der globalen Probleme
auf Dauer nicht ausreichen würden. Um die oft geringe Effektivität der
UNO-Gremien bei der Lösung drängender weltpolitischer Probleme zu
kompensieren, fanden sich – vermehrt nach Ende des Kalten Krieges –
Vertreter der unterschiedlichsten Regierungen in einer wachsenden Zahl
von Gruppen, Foren, Clubs und Koalitionen zusammen. Ob auf Industrieländerseite
unter der Bezeichnung G7, G8, G20, ob als F20 oder L20,
oder auf der Seite der Südländer als G20+, G33, G77, G90, G110, die
Gruppierungen der »G-Welt« wirken formell oder informell, mit Bezug
zum UNO-System oder parallel zu ihm, an der globalen Politikregulierung
und der Lösung internationaler Probleme mit. Allerdings führt das
Auftreten neuer selbsternannter Akteure notwendig zu einer Fragmentierung
und Informalisierung der internationalen Beziehungsgeflechte,
wodurch die Komplexität der zumeist ohnehin schwierigen multilateralen
Verhandlungsprozesse noch zunimmt.
In der vorliegenden Ausgabe von INTERNATIONALE POLITIK UND GESELLSCHAFT zeichnet Thomas Manz den Formierungsprozess der
Gruppen und Verhandlungskoalitionen des Südens im Verlauf der Verhandlungen
über die Ausgestaltung des Welthandelsregimes nach. Längst
werden die Verhandlungsarenen nicht mehr von den alten Industrieländern
dominiert, sondern es sind ausdifferenzierte Strukturen der Interessenvertretung
entstanden. Die Südländer verfügen über Artikulationsfähigkeit
und Verhandlungsmacht und verstehen diese pragmatisch
einzusetzen, ohne die liberale Welthandelsordnung in Frage zu stellen.
Auf der anderen Seite versuchen die Industrieländer in ihren Gruppen
und Allianzen die Asymmetrien zu korrigieren, die sich, insbesondere
seit dem Aufstieg diverser Schwellenländer zu Weltmächten, als immer größeres Handikap für die einvernehmliche und gemeinsame Lösung
internationaler Probleme sowie die Schaffung von allgemein akzeptierten
Regulierungen erweisen. Allerdings ist das Global Governance-System von der definitiven Lösung seiner Effizienz und Legitimitätsprobleme
noch weit entfernt.
Thomas Fues konzentriert sich in seinem Beitrag auf die Chancen und
Grenzen der G8 und setzt sich insbesondere mit den Reformansätzen für
die Gipfel- und Gruppenarchitektur auseinander. Zu den wichtigsten gehört
G8+5, eine um die fünf großen Ankerländer Brasilien, China, Indien,
Mexiko und Südafrika erweiterte G8, wie sie insbesondere Tony
Blair vorschwebt. Unter der Bezeichnung L20 (leaders 20) hat ein Reformmodell
Aufmerksamkeit erregt, das vom kanadischen Premier Paul
Martin propagiert wird und als Versuch gedeutet werden kann, einen
neuen und »exekutiven« Multilateralismus mit dem »neuen« Regionalismus
zu verbinden. In diesem Modell haben die alten Industrienationen
erstmals nicht das Übergewicht. G25, die »International Task Force on
Global Public Goods«, und L27, eine Initiative von Kofi Annan, sind nur
von untergeordneter Bedeutung.
China ist unter den aufsteigenden Weltmächten gewiss diejenige, deren
Rollenverständnis das zukünftige Global Governance-System am
stärksten prägen wird. Zwar versucht Peking in jenen Teilen der Welt, wo
China mit den alten Industrieländern in Konkurrenz tritt, Konfrontationen
zu vermeiden und Konflikten aus dem Weg zu gehen. Doch die kompromisslose
Verfolgung eigener Interessen bei gleichzeitiger Nicht-Beteiligung an multilateralen Arrangements hat unter den OECD-Staaten
zu Verunsicherung und Besorgnis geführt. In seinem Beitrag über die
chinesische Energie- und Rohstoffpolitik zeigt Heinrich Kreft, dass das
Land zu einer nachdrücklichen Energie- und Ressourcenbeschaffungspolitik
nachgerade gezwungen ist, wenn es seine wirtschaftliche Entwicklung
und soziale Stabilität nicht gefährden will. Doch der neo-merkantilistische
Ansatz, der darauf abzielt, die Kontrolle über ausländische Öl- und Gaslager zu erreichen und Ressourcenströme nach China zu
lenken, kontrastiert mit der westlichen Idee, dass nur funktionierende
Märkte eine ausreichende Versorgung für alle gewährleisten können.
Welcher Art die Rückwirkungen der chinesischen Ressourcenpolitik
auf die internationale Ordnung sein könnten, deutet sich im Fall von
Angola an, den Sabine Fandrych analysiert. China bewahrte das Land
nach dem Bürgerkrieg mit einem großzügigen Kooperationsabkommen
vor der Erfüllung der westlichen Bedingungen für die Gewährung von Wiederaufbauhilfe; mittlerweile ist Angola der wichtigste Öllieferant
Chinas. Auch anderswo in Afrika zeigt sich China großzügig. Der Beitrag
von Hofmann, Kretz, Roll und Sperling, nimmt anlässlich des China-
Afrika-Gipfels Stand und Perspektiven der Beziehungen Chinas zu Afrika
in den Blick. Wegen seiner Kredite ohne Bedingungen und dem Verzicht
auf jegliche Good Governance- und Umweltauflagen erfreut sich China
in Afrika wachsender Beliebtheit. Dass das Motiv für diese Wohltaten
Rohstoff- und Exportinteressen sind, scheint niemanden zu stören.
Ergänzend zu den beiden Schwerpunktthemen stellt Hans-Joachim Spanger Überlegungen zu den Perspektiven der russisch-europäischen
Beziehungen an. Schettner, Glassner und Karokhail plädieren für eine differenzierte
Betrachtung der afghanischen Warlords. Alfred Pfaller präsentiert
Einsichten in die wirtschaftlichen und sozialen Transformationen
Rumäniens. Und Hans-Jörg Albrecht erläutert die internationalen Verflechtungen
von Gewaltökonomien in Krisengebieten und problematisiert
den strafrechtlichen Umgang mit ihnen.
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