THOMAS CAROTHERS:
Confronting the Weakest Link. Aiding Political Parties in New Democracies


 
       
    Issue 3/2007  
     
  Washington 2006
Carnegie Endowment for International Peace, 271 S.
  
 

Gelegentlich sind die Dinge doch noch einfach: Dieses Buch ist Pflichtlektüre für alle, die sich mit Parteien- und Demokratieförderung befassen, gleich ob wissenschaftlich oder praktisch. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Das Buch ist die erste Monographie zum Thema. Allein dies verrät sehr viel über seine Bedeutung. Obwohl Parteienförderung schon seit Jahrzehnten praktiziert wird – insbesondere von den deutschen politischen Stiftungen –, gibt es nur wenige substanzielle Publikationen dazu, ganz zu schweigen von kritischen Auseinandersetzungen. Erst seit 2004 befassen sich eine Reihe akademischer Artikel mit elementaren Grundfragen der Parteienförderung. Als eigenständiger Begriff taucht »political party assistance«, Parteienförderung, in der internationalen Debatte vermutlich 1999 zum ersten Mal in einem früheren Buch von Thomas Carothers auf.

In seinem aktuellen Buch gibt Carothers einen differenzierten Überblick über Grundfragen und Probleme der internationalen Parteienförderung. Das Buch kommt – hoffentlich – zum passenden Zeitpunkt, da Parteienförderung als ein wesentlicher Bestandteil von Demokratieförderung vermehrt diskutiert wird und Carothers sich mit einem grundlegenden Defizit der Parteienförderung auseinandersetzt: dem Mangel an Strategien und Konzepten.

Der Autor hat selbst praktische Erfahrungen als Gutachter und Berater von Projekten und Programmen der Parteienförderungen in verschiedenen Weltregionen und vornehmlich in US-amerikanischen Organisationen gesammelt.
Dennoch bewahrt er die notwendige kritische Distanz zu seinem Gegenstand und zählt, bei aller fundierten Kritik, zu den Befürwortern der Parteienförderung.

Neben Einleitung und Schluss ist das Buch in zwei Teile gegliedert: Teil 2 beschreibt, sehr knapp, die wesentlichen Charakteristika und Grundprobleme von Parteien in jungen oder fragilen Demokratien in Osteuropa, Lateinamerika, Afrika und Asien. Teil 3 analysiert, wie die Parteienförderer mit den Problemen der Parteien umgehen.
Carothers macht deutlich, dass die Probleme der Parteien und die Schwierigkeiten, die sich hieraus für die Parteienförderung ergeben, sich in den verschiedenen Regionen sehr ähnlich sind: Die Parteien sind auf einzelne Parteiführer zentriert und von diesen dominiert, organisatorisch schwach, korrupt, ideologisch unbestimmt, abhängig von reichen Finanziers und wenig gesellschaftlich verankert. Die häufig von Praktikern bemühte Begründung für dieses Phänomen, das geringe Alter dieser Parteien, verweist der Autor zu Recht in das Reich beliebter Irrtümer. Alleine ein Blick nach Lateinamerika mit Parteitraditionen bis weit ins 19. Jahrhundert hinein verrät, dass dieses Argument kaum zählen kann – jedenfalls nicht generell.

Als Ursache für die oben diagnostizierten Defizite junger Parteien identifiziert Carothers das »Electoralist-from-the-start-Syndrom«: Nach dem Regimewechsel zur Demokratie blieb den meisten jungen Parteien kaum Zeit, eine funktionierende Parteiorganisation mit gesellschaftlicher Verankerung aufzubauen. Stattdessen waren sie gezwungen, sofort als »Wählerparteien« und als Wahlkampforganisationen aufzutreten – mit nachteiligen Konsequenzen. Wählerparteien konnten sich in alten Demokratien über Jahrzehnte hinweg und über andere Formen der Parteiorganisation (etwa Massenpartei) entwickeln, bevor sie zu bloßen Wahlkampforganisationen wurden. Neben diesem Wahlkampfbezug (»electoralism«) nennt der Autor schwache Rechtsstaatlichkeit, Armut und Präsidialsysteme als weitere Ursachen für die Schwäche dieser Parteien. Zugleich warnt Carothers davor, die in ähnlicher Weise für die etablierten Demokratien diagnostizierte »Krise der Parteien« mit den Defiziten der Parteien in jungen Demokratien
gleichzusetzen.

Kritisch zu fragen wäre hier, ob die von Carothers sehr allgemein formulierten Defizite der Parteien über alle Kontinente hinweg tatsächlich im Wesentlichen die gleichen sind. Zu vermuten wäre eher, dass die einzelnen Defizite in den verschiedenen Regionen (auch innerhalb einzelner Länder) in unterschiedlichem Maße und in verschiedenen Konstellationen in Erscheinung treten, wie der Autor dies selbst für Mittel- und Osteuropa nahelegt. So weisen etwa multiethnische Parteien, wie sie in Afrika in Erscheinung treten und die in aller Regel auch nur auf die Wahlkämpfe hin orientiert sind, ganz eigene Dynamiken und Probleme auf. Damit sind allerdings Probleme der Parteienforschung vor allem außerhalb Europas angesprochen, die jenseits dieses Buches liegen, das sich mit der Praxis
der Parteienförderung befasst.

Vor diesem Hintergrund der Parteiendefizite untersucht Teil 3 die Aktivitäten der Parteienförderer. Zunächst gibt der Autor einen kurzen Überblick über die verschiedenen Akteure, deren Entwicklung und die beschränkten Finanzquellen und -volumen, beschreibt kurz, was Parteienförderung ist, was sie erreichen will, welche ganz unterschiedlichen außen- und parteipolitischen Interessen damit verbunden sind, und setzt sich schließlich mit den »Konzepten«, »Standardmethoden« und Instrumenten der Parteienförderung sowie ihrer Wirkung auseinander.

Im Ergebnis billigt Carothers der Parteienförderung bestenfalls nur eine geringe Wirkung zu. Die meisten Förderbemühungen hätten gar keine »Transformationseffekte«. Allenfalls könnten gelegentlich moderat positive Wirkungen hinsichtlich der Wahlkampffähigkeiten und der organisatorischen Stärke der betroffenen Parteien beobachtet werden. Unter Transformationseffekten, auf die es die Förderer oft mehr implizit als explizit abgesehen haben, versteht Carotherseine erkennbare Veränderung zentraler organisatorischer oder funktionaler Charakteristika einer Partei –, etwa die Transformation einer führerdominierten, organisatorisch schwachen Partei in eine Partei mit einer starken Organisation und innerparteilicher Demokratie. Für eine solche Wirkung findet der Autor keinerlei Hinweise. Als Beispiel führt er die Förderung lateinamerikanischer Parteien an: In den 1970er und 1980er Jahren vor allem von den deutschen politischen Stiftungen wie etwa der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Konrad-Adenauer Stiftung teils substanziell durch Beratung und Finanzierung unterstützt, wird ihnen in jüngerer Zeit eine tiefe Krise bescheinigt. Ein anderes Beispiel liefern die Mitte-Rechts-Parteien in Mittel- und Osteuropa, die über 15 Jahre hinweg von us-amerikanischen und europäischen Förderern unterstützt wurden. An deren Zustand hat sich heute im Vergleich zum Anfang der 1990er Jahre kaum Substanzielles geändert.

Für diese begrenzte Wirkung führt Carothers verschiedene Gründe an: Parteien sind »schwierige Organisationen«. Die Parteiführung, die gewöhnlich über die meiste Macht in der Organisation verfügt, hat kein Interesse an genau den demokratischen Reformen, die von Parteiförderern bevorzugt werden. Dazu zählen vor allem: innerparteiliche Demokratie, finanzielle Transparenz und die Delegation von Macht. Ohne Mitarbeit der Parteiführung aber ist Parteienförderung kaum möglich. Denn demokratische Reformansätze können von den Parteienförderern allenfalls verdeckt oder indirekt angestrebt werden, wenn sie überhaupt gewagt werden.

Ferner ist das Parteienmodell einer idealisierten »Massenpartei«, mit dem die Förderer etablierter Demokratien arbeiten, ein überholter Mythos vergangener Jahrzehnte. Da sich die Förderer dieses Mythos selbst nicht einmal mehr sicher sind (weil er auch bei ihnen zu Hause nicht mehr existiert), fehlt ihrem Förderangebot somit die notwendige Kohärenz und das Selbstvertrauen. Daneben gibt es zahlreiche methodische Schwächen in der Parteienförderung, etwa schematische, zu kurze Schulungen seitens der Förderer, fragwürdige Kurzeinsätze von »Parteiexperten« ohne lokale Kontextkenntnisse oder auch die Betonung von Wahlkampfhilfe gegenüber langfristiger Organisationsunterstützung. Viele dieser methodischen Schwächen, die vor allem mangelnder Kontextsensibilität geschuldet sind, scheinen eher us-amerikanische Institutionen und Parteienförderer zu betreffen, die noch über wenig Erfahrung verfügen. Auch wenn die Besonderheit der Arbeit deutscher Stiftungsrepräsentanten nicht hinreichend gewürdigt wird, scheint diese kritische Übersicht auch für deutsche Stiftungen nicht völlig abwegig zu sein, Hierzu zählt etwa die Vielzahl von Kleinstmaßnahmen, denen jede für sich ein Sinn nicht abgesprochen werden kann, deren tatsächliche Effekte aber zweifelhaft bleiben. Zu bedenken ist hier auch die unterschiedliche Wahrnehmung der Parteienförderung durch die Parteifunktionäre vor Ort und die Repräsentanten externer Förderer, die nicht selten diametral auseinaner gehen, wobei die letzteren, so der Autor, offenbar zur Selbstüberschätzung ihres Einflusses neigen.

Schließlich weist Carothers auf das Dilemma hin, mit institutionenorientierten Maßnahmen und mit zumeist sehr begrenzten finanziellen Mitteln Defizite zu beseitigen, die struktureller Natur sind, wie die politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Bedingungen, unter denen die Parteien in ihren Gesellschaften agieren müssen.

Carothers’ Kritik an den ausgebliebenen »Transformationseffekten« könnte leicht als überzogen oder unrealistisch zurückgewiesen werden – zumal das Ziel der Transformation kaum einmal explizit formuliert wird. Zum einen fehlen jedoch in hinreichendem Maße Studien und Gutachten, die es erlauben würden, Carothers’ Kritik oder ihre Zurückweisung zu prüfen (er verweist auf diesen Mangel und stellt auch die Sicht der Förderer heraus, die ihre Projekte in aller Regel viel erfolgreicher sehen). Zum anderen operieren alle Parteienförderer ohne ausformulierte Strategien und Konzepte, die ihre Ziele begründen und angeben, mit welchen Mitteln und Instrumenten diese Ziele zu welcher Zeit erreicht werden sollen. Anhand solcher Anhaltspunkte wäre zumindest immanent eine sinnvolle Überprüfung der Effektivität der Parteienförderung möglich. Hierin liegt ein kleines Defizit von Carothers’ Buch: Es stellt den Voluntarismus und die Defizite der Parteienförderung nicht deutlich genug heraus.

Carothers plädiert schließlich dafür, die hohe (oft nur implizite) Zielsetzung der Transformation zurückzunehmen und die Parteienförderung an bescheideneren, realistischen Zielen zu orientieren. Zugleich spricht er sich dafür aus, die Parteienförderung aus einem allzu engen Verständnis herauszunehmen, wenn die Parteien in einem politischen System nur einen geringen Handlungsspielraum haben und damit über die direkte Parteienförderung nur wenige Effekte erzielt werden können. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob Parteienförderung damit nicht konzeptionell überdehnt wird, geht es doch dabei viel eher schon um Fragen, die den allgemeinen Kontext und die Rahmenbedingungen des poli tischen Systems betreffen, in dem die Parteien agieren. Eine angemessenere Antwort scheint mir hier eine integrierte und konsistentere Strategie der Demokratieförderung zu sein, in die die Parteienförderung als eine Komponente eingebunden ist.

Das Buch kann in jedem Fall dazu anregen, überkommene Praktiken auch der deutschen politischen Stiftungen und ihrer Standardinstrumentenkästen zu überprüfen, vor allem die gerade begonnene Strategie- und Konzeptdebatte zu befruchten und dabei neu über einige Grundfragen nachzudenken. Dazu gehört die Frage nach der Schwesterparteienförderung oder einem Mehrparteienansatz. Ein Grund ist die ideologische und programmatische Konturenlosigkeit vieler Parteien in jungen Demokratien und hybriden Regimen, die eine enge Zusammenarbeit erschwert. Schließlich weist das Buch deutlich auf Grenzen der Parteienförderung hin, die Teil dieser Debatte sein müssen. Hier stellt sich auch die zentrale Frage nach dem Umgang mit dominanten Regierungsparteien in fragilen Demokratien oder hybriden Regimen, die mit absoluten Mehrheiten Parlamente beherrschen und zwangsläufig den Machterhalt ihrer Regierung unterstützen – undwelchen Einfluss externe Parteienförderer im Sinne einer Demokratieförderung hier ausüben können. Unter Umständen kann hierbei die noch kaum aufgearbeitete Erfahrung der politischen Stiftungen aus der Zeit der Zusammenarbeit mit hegemonialen und autoritären Einheitsparteien lehrreiche Hinweise liefern.


Gero Erdmann,
Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA),
Institut für Afrika-Studien (IAA), Hamburg, Büro Berlin

     
      
 
    
 
 
     
© Friedrich-Ebert-Stiftung  Redaktion/net edition: | 8/2007   Top