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Gelegentlich sind die Dinge doch noch einfach: Dieses Buch ist Pflichtlektüre
für alle, die sich mit Parteien- und Demokratieförderung befassen, gleich ob
wissenschaftlich oder praktisch. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Das Buch ist die erste Monographie zum Thema. Allein dies verrät sehr viel über seine Bedeutung. Obwohl Parteienförderung schon seit Jahrzehnten praktiziert
wird – insbesondere von den deutschen politischen Stiftungen –, gibt es nur
wenige substanzielle Publikationen dazu, ganz zu schweigen von kritischen Auseinandersetzungen.
Erst seit 2004 befassen sich eine Reihe akademischer Artikel
mit elementaren Grundfragen der Parteienförderung. Als eigenständiger Begriff
taucht »political party assistance«, Parteienförderung, in der internationalen
Debatte vermutlich 1999 zum ersten Mal in einem früheren Buch von Thomas
Carothers auf.
In seinem aktuellen Buch gibt Carothers einen differenzierten Überblick über
Grundfragen und Probleme der internationalen Parteienförderung. Das Buch
kommt – hoffentlich – zum passenden Zeitpunkt, da Parteienförderung als ein
wesentlicher Bestandteil von Demokratieförderung vermehrt diskutiert wird und
Carothers sich mit einem grundlegenden Defizit der Parteienförderung auseinandersetzt:
dem Mangel an Strategien und Konzepten.
Der Autor hat selbst praktische Erfahrungen als Gutachter und Berater von
Projekten und Programmen der Parteienförderungen in verschiedenen Weltregionen
und vornehmlich in US-amerikanischen Organisationen gesammelt.
Dennoch bewahrt er die notwendige kritische Distanz zu seinem Gegenstand
und zählt, bei aller fundierten Kritik, zu den Befürwortern der Parteienförderung.
Neben Einleitung und Schluss ist das Buch in zwei Teile gegliedert: Teil 2 beschreibt,
sehr knapp, die wesentlichen Charakteristika und Grundprobleme von
Parteien in jungen oder fragilen Demokratien in Osteuropa, Lateinamerika,
Afrika und Asien. Teil 3 analysiert, wie die Parteienförderer mit den Problemen
der Parteien umgehen.
Carothers macht deutlich, dass die Probleme der Parteien und die Schwierigkeiten,
die sich hieraus für die Parteienförderung ergeben, sich in den verschiedenen
Regionen sehr ähnlich sind: Die Parteien sind auf einzelne Parteiführer zentriert
und von diesen dominiert, organisatorisch schwach, korrupt, ideologisch
unbestimmt, abhängig von reichen Finanziers und wenig gesellschaftlich verankert.
Die häufig von Praktikern bemühte Begründung für dieses Phänomen,
das geringe Alter dieser Parteien, verweist der Autor zu Recht in das Reich beliebter Irrtümer. Alleine ein Blick nach Lateinamerika mit Parteitraditionen bis weit
ins 19. Jahrhundert hinein verrät, dass dieses Argument kaum zählen kann – jedenfalls
nicht generell.
Als Ursache für die oben diagnostizierten Defizite junger Parteien identifiziert
Carothers das »Electoralist-from-the-start-Syndrom«: Nach dem Regimewechsel
zur Demokratie blieb den meisten jungen Parteien kaum Zeit, eine funktionierende
Parteiorganisation mit gesellschaftlicher Verankerung aufzubauen.
Stattdessen waren sie gezwungen, sofort als »Wählerparteien« und als Wahlkampforganisationen
aufzutreten – mit nachteiligen Konsequenzen. Wählerparteien
konnten sich in alten Demokratien über Jahrzehnte hinweg und über andere
Formen der Parteiorganisation (etwa Massenpartei) entwickeln, bevor sie zu
bloßen Wahlkampforganisationen wurden. Neben diesem Wahlkampfbezug
(»electoralism«) nennt der Autor schwache Rechtsstaatlichkeit, Armut und Präsidialsysteme
als weitere Ursachen für die Schwäche dieser Parteien. Zugleich
warnt Carothers davor, die in ähnlicher Weise für die etablierten Demokratien
diagnostizierte »Krise der Parteien« mit den Defiziten der Parteien in jungen Demokratien
gleichzusetzen.
Kritisch zu fragen wäre hier, ob die von Carothers sehr allgemein formulierten
Defizite der Parteien über alle Kontinente hinweg tatsächlich im Wesentlichen die
gleichen sind. Zu vermuten wäre eher, dass die einzelnen Defizite in den verschiedenen
Regionen (auch innerhalb einzelner Länder) in unterschiedlichem
Maße und in verschiedenen Konstellationen in Erscheinung treten, wie der Autor
dies selbst für Mittel- und Osteuropa nahelegt. So weisen etwa multiethnische
Parteien, wie sie in Afrika in Erscheinung treten und die in aller Regel auch nur
auf die Wahlkämpfe hin orientiert sind, ganz eigene Dynamiken und Probleme
auf. Damit sind allerdings Probleme der Parteienforschung vor allem außerhalb
Europas angesprochen, die jenseits dieses Buches liegen, das sich mit der Praxis
der Parteienförderung befasst.
Vor diesem Hintergrund der Parteiendefizite untersucht Teil 3 die Aktivitäten
der Parteienförderer. Zunächst gibt der Autor einen kurzen Überblick über die
verschiedenen Akteure, deren Entwicklung und die beschränkten Finanzquellen
und -volumen, beschreibt kurz, was Parteienförderung ist, was sie erreichen will,
welche ganz unterschiedlichen außen- und parteipolitischen Interessen damit
verbunden sind, und setzt sich schließlich mit den »Konzepten«, »Standardmethoden« und Instrumenten der Parteienförderung sowie ihrer Wirkung auseinander.
Im Ergebnis billigt Carothers der Parteienförderung bestenfalls nur eine geringe
Wirkung zu. Die meisten Förderbemühungen hätten gar keine »Transformationseffekte«. Allenfalls könnten gelegentlich moderat positive Wirkungen
hinsichtlich der Wahlkampffähigkeiten und der organisatorischen Stärke der betroffenen
Parteien beobachtet werden. Unter Transformationseffekten, auf die es
die Förderer oft mehr implizit als explizit abgesehen haben, versteht Carotherseine erkennbare Veränderung zentraler organisatorischer oder funktionaler Charakteristika
einer Partei –, etwa die Transformation einer führerdominierten, organisatorisch
schwachen Partei in eine Partei mit einer starken Organisation und
innerparteilicher Demokratie. Für eine solche Wirkung findet der Autor keinerlei
Hinweise. Als Beispiel führt er die Förderung lateinamerikanischer Parteien an:
In den 1970er und 1980er Jahren vor allem von den deutschen politischen Stiftungen
wie etwa der Friedrich-Ebert-Stiftung und der Konrad-Adenauer Stiftung teils
substanziell durch Beratung und Finanzierung unterstützt, wird ihnen in jüngerer
Zeit eine tiefe Krise bescheinigt. Ein anderes Beispiel liefern die Mitte-Rechts-Parteien
in Mittel- und Osteuropa, die über 15 Jahre hinweg von us-amerikanischen
und europäischen Förderern unterstützt wurden. An deren Zustand hat sich heute
im Vergleich zum Anfang der 1990er Jahre kaum Substanzielles geändert.
Für diese begrenzte Wirkung führt Carothers verschiedene Gründe an: Parteien
sind »schwierige Organisationen«. Die Parteiführung, die gewöhnlich über
die meiste Macht in der Organisation verfügt, hat kein Interesse an genau den
demokratischen Reformen, die von Parteiförderern bevorzugt werden. Dazu zählen
vor allem: innerparteiliche Demokratie, finanzielle Transparenz und die Delegation
von Macht. Ohne Mitarbeit der Parteiführung aber ist Parteienförderung
kaum möglich. Denn demokratische Reformansätze können von den Parteienförderern
allenfalls verdeckt oder indirekt angestrebt werden, wenn sie überhaupt
gewagt werden.
Ferner ist das Parteienmodell einer idealisierten »Massenpartei«, mit dem die
Förderer etablierter Demokratien arbeiten, ein überholter Mythos vergangener
Jahrzehnte. Da sich die Förderer dieses Mythos selbst nicht einmal mehr sicher
sind (weil er auch bei ihnen zu Hause nicht mehr existiert), fehlt ihrem Förderangebot
somit die notwendige Kohärenz und das Selbstvertrauen. Daneben gibt
es zahlreiche methodische Schwächen in der Parteienförderung, etwa schematische,
zu kurze Schulungen seitens der Förderer, fragwürdige Kurzeinsätze von »Parteiexperten« ohne lokale Kontextkenntnisse oder auch die Betonung von
Wahlkampfhilfe gegenüber langfristiger Organisationsunterstützung. Viele dieser
methodischen Schwächen, die vor allem mangelnder Kontextsensibilität geschuldet
sind, scheinen eher us-amerikanische Institutionen und Parteienförderer
zu betreffen, die noch über wenig Erfahrung verfügen. Auch wenn die
Besonderheit der Arbeit deutscher Stiftungsrepräsentanten nicht hinreichend gewürdigt
wird, scheint diese kritische Übersicht auch für deutsche Stiftungen
nicht völlig abwegig zu sein, Hierzu zählt etwa die Vielzahl von Kleinstmaßnahmen,
denen jede für sich ein Sinn nicht abgesprochen werden kann, deren tatsächliche
Effekte aber zweifelhaft bleiben. Zu bedenken ist hier auch die unterschiedliche
Wahrnehmung der Parteienförderung durch die Parteifunktionäre
vor Ort und die Repräsentanten externer Förderer, die nicht selten diametral auseinaner
gehen, wobei die letzteren, so der Autor, offenbar zur Selbstüberschätzung
ihres Einflusses neigen.
Schließlich weist Carothers auf das Dilemma hin, mit institutionenorientierten
Maßnahmen und mit zumeist sehr begrenzten finanziellen Mitteln Defizite
zu beseitigen, die struktureller Natur sind, wie die politischen, ökonomischen,
sozialen und kulturellen Bedingungen, unter denen die Parteien in ihren Gesellschaften
agieren müssen.
Carothers’ Kritik an den ausgebliebenen »Transformationseffekten« könnte
leicht als überzogen oder unrealistisch zurückgewiesen werden – zumal das Ziel
der Transformation kaum einmal explizit formuliert wird. Zum einen fehlen jedoch
in hinreichendem Maße Studien und Gutachten, die es erlauben würden,
Carothers’ Kritik oder ihre Zurückweisung zu prüfen (er verweist auf diesen
Mangel und stellt auch die Sicht der Förderer heraus, die ihre Projekte in aller
Regel viel erfolgreicher sehen). Zum anderen operieren alle Parteienförderer
ohne ausformulierte Strategien und Konzepte, die ihre Ziele begründen und angeben,
mit welchen Mitteln und Instrumenten diese Ziele zu welcher Zeit erreicht
werden sollen. Anhand solcher Anhaltspunkte wäre zumindest immanent
eine sinnvolle Überprüfung der Effektivität der Parteienförderung möglich. Hierin
liegt ein kleines Defizit von Carothers’ Buch: Es stellt den Voluntarismus und
die Defizite der Parteienförderung nicht deutlich genug heraus.
Carothers plädiert schließlich dafür, die hohe (oft nur implizite) Zielsetzung
der Transformation zurückzunehmen und die Parteienförderung an bescheideneren,
realistischen Zielen zu orientieren. Zugleich spricht er sich dafür aus, die Parteienförderung
aus einem allzu engen Verständnis herauszunehmen, wenn die
Parteien in einem politischen System nur einen geringen Handlungsspielraum
haben und damit über die direkte Parteienförderung nur wenige Effekte erzielt
werden können. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob Parteienförderung damit
nicht konzeptionell überdehnt wird, geht es doch dabei viel eher schon um Fragen,
die den allgemeinen Kontext und die Rahmenbedingungen des poli tischen Systems
betreffen, in dem die Parteien agieren. Eine angemessenere Antwort scheint
mir hier eine integrierte und konsistentere Strategie der Demokratieförderung zu
sein, in die die Parteienförderung als eine Komponente eingebunden ist.
Das Buch kann in jedem Fall dazu anregen, überkommene Praktiken auch der
deutschen politischen Stiftungen und ihrer Standardinstrumentenkästen zu überprüfen,
vor allem die gerade begonnene Strategie- und Konzeptdebatte zu befruchten
und dabei neu über einige Grundfragen nachzudenken. Dazu gehört die
Frage nach der Schwesterparteienförderung oder einem Mehrparteienansatz. Ein
Grund ist die ideologische und programmatische Konturenlosigkeit vieler Parteien
in jungen Demokratien und hybriden Regimen, die eine enge Zusammenarbeit
erschwert. Schließlich weist das Buch deutlich auf Grenzen der Parteienförderung
hin, die Teil dieser Debatte sein müssen. Hier stellt sich auch die zentrale
Frage nach dem Umgang mit dominanten Regierungsparteien in fragilen Demokratien
oder hybriden Regimen, die mit absoluten Mehrheiten Parlamente beherrschen
und zwangsläufig den Machterhalt ihrer Regierung unterstützen – undwelchen Einfluss externe Parteienförderer im Sinne einer Demokratieförderung
hier ausüben können. Unter Umständen kann hierbei die noch kaum aufgearbeitete
Erfahrung der politischen Stiftungen aus der Zeit der Zusammenarbeit
mit hegemonialen und autoritären Einheitsparteien lehrreiche Hinweise liefern.
Gero Erdmann,
Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA),
Institut für Afrika-Studien (IAA), Hamburg, Büro Berlin
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