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Politik und Gesellschaft Online International Politics and Society 1/1999 |
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HEINRICH KREFT
Vorläufige Fassung / Preliminary version
Indiens Entschluß, sich trotz zu erwartender internationaler Sanktionen Atomwaffen zuzulegen, entspringt in erster Linie dem Bestreben, mit China als asiatischer Großmacht gleichzuziehen. Dahinter steht die Perzeption, daß es letztlich der Besitz von Atomwaffen ist, der über den Großmachtstatus eines Landes entscheidet. Pakistans Atombombe ist gleichsam die logische Antwort auf den indischen Schritt, denn das Land steht mit Indien in einem Dauerkonflikt. Beide Staaten haben seit ihrer Unabhängigkeit bereits drei Kriege führte, die Pakistan allesamt verlor. Der Zankapfel ist Kaschmir, das für beide Länder nicht nur als territorialer Besitz wichtig ist. Pakistan reklamiert das mehrheitlich von Muslimen bevölkerte Gebiet im Einklang mit seinem Staatsverständnis als politische Heimat aller Muslime des Subkontinents. Erst mit der Eingliederung ganz Kaschmirs wäre die pakistanische Staatsidee voll verwirklicht. Indien hingegen hat die Abspaltung Pakistans nie richtig verwunden. Es sieht sich als säkularer und multi-ethnischer Staat und will als solcher das Kriterium der Religionszugehörigkeit nicht gelten lassen. Auch für Indien geht es in Kaschmir um das eigene Staatsverständnis. Auf globaler Ebene versucht man nun, die beiden neuen Atommächte in das weltweite nukleare Nichtverbreitungsregime einzubinden - mit Erfolg, wie es den Anschein hat. Auf regionaler Ebene ist jedoch die Gefahr eines Atomkriegs entstanden. Südasien ist zu einer der gefährlichsten Krisenregionen der Welt geworden. Eine Einigung in der Kaschmirfrage ist bis auf weiteres nicht zu erwarten. Aber es müssen Strukturen aufgebaut werden, die es Indien und Pakistan erlauben, mit dem Konflikt so umzugehen, daß die Kriegsgefahr reduziert wird. Beide Länder müssen ihre bisher unterentwickelten Fähigkeiten zum Krisenmanagement verbessern. Vertrauensbildung ist die unmittelbare Aufgabe. Hier gibt es erste Schritte. Auf mittlere Frist geht es um den Aufbau einer Sicherheitsarchitektur für Südasien.
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© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition bb&ola | Februar 1999 |