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Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 2/1998
Zu diesem Heft

Eines der Themen, die sich wie ein roter Faden durch die Jahrgänge dieser Zeitschrift ziehen, ist die Furcht, daß die Entnationalisierung des Wirtschaftsgeschehens die Lage der Arbeitnehmer nachhaltig verschlechtert. Wolfgang Streeck sprach in der 4/1996-Ausgabe von der "Ent-Zivilisierung des Kapitalismus", Ethan Kapstein in der 2/1997-Ausgabe vom "Race to the Bottom". Im gleichen Heft entwarf Fritz Scharpf eine Strategie, dieser Gefahr zu begegnen. Andere, wie Werner Kamppeter (3/1995), Arne Heise (1/1996) oder Grahame Thompson (2/1997), plädierten eher für Gelassenheit. Dieses Heft führt die Diskussion weiter, mit Beiträgen des Gewerkschafters Hans-Jürgen Urban und des Osnabrücker Professors für Europäische Studien Klaus Busch. Beide überlegen, wie die sozialen Verteidigungslinien gegenüber dem Markt, die auf nationaler Ebene zunehmend einzubrechen drohen, auf europäischer Ebene neu gezogen oder zumindest gestärkt werden können.

Das zweite Hauptthema dieser Ausgabe ist die Währungskrise in Ostasien, die ja weniger an der unmittelbaren Stabilität der bestehenden Weltwirtschaftsordnung gerüttelt hat als an weit verbreiteten wirtschaftspolitischen Überzeugungen. Auf der einen Seite steht der plötzliche Tod eines Modells, der Verdacht, das ostasiatische Wirtschaftswunder - wenn man sich die Zahlen anschaut, eines der beeindruckendsten der modernen Wirtschaftsgeschichte - habe von Anfang an auf tönernen Füßen gestanden und die vielgepriesene pragmatisch-marktwirtschaftliche Politik der "Tiger-Länder" sei letztlich unsolide gewesen. Auf der anderen Seite wächst der Zweifel, ob die grenzenlose Freiheit des Kapitals unter den jetzigen Rahmenbedingungen wirklich der weltweiten Mehrung von Wohlstand zugute kommt (siehe hierzu die Beiträge von Reimut Jochimsen und Wolfgang Filc in unseren beiden vorangegangenen Ausgaben). Ex-Bundesbänker Claus Köhler präsentiert eine Sicht der Krise, die dem, was man tagtäglich dazu lesen konnte, in entscheidenden Aspekten widerspricht. In der anschließenden "Debatte" zur Frage "Was tun?" werden sehr unterschiedliche Handlungsempfehlungen formuliert. Sie richten sich zum Teil auf das internationale Finanzsystem, zum Teil auf die Wirtschaftspolitik der ostasiatischen Länder. Auch hier wird offenkundig, daß die jetzt allenthalben angemahnten Reformen am eigentlichen Kern der Krise weitgehend vorbeigehen.

Westasien, eine Weltregion, die heute wie kaum eine andere die geopolitische Phantasie anregt, ist ein weiterer Themenschwerpunkt dieser Ausgabe. Matthes Buhbe diskutiert das schwierige Verhältnis des in Asien gelegenen, aber vor allem nach Europa blickenden türkischen Nationalstaates zum europäischen Einigungsprozeß und wirft die Frage nach den geopolitischen Alternativoptionen der Türkei auf. Conrad Schetter präsentiert eine Synopse der afghanischen Dauertragödie, in der sich soziokulturelle und ethnische Binnenkonflikte mit den Geostrategien von Nachbarstaaten und Großmächten vermengen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition bb&ola&juliag | März 1999