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Politik und Gesellschaft Online International Politics and Society 2/1998 |
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Bernd Röttger: Neoliberale Globalisierung und eurokapitalistische Regulation. Die politische Konstitution des Marktes Münster 1997 Westfälisches Dampfboot, 252 S. Vorläufige Fassung / Preliminary version
Der Begriff Globalisierung, den Susan Strange in ihrem letzten
Buch "The Retreat of the State als "die schlimmste
einer "Kette von vagen und verschwommenen Bezeichnungen
nannte, "die frei in der Literatur herumschweben, deren genaue
Bedeutung jedoch, wenn überhaupt, selten klar definiert ist
(xii), avancierte dennoch zu einem der wichtigsten Schlagworte,
das die politischen wie auch politologischen Debatten der neunziger
Jahre bestimmte. Der wesentliche Ansatzpunkt vieler wissenschaftlicher
Analysen bestand bisher darin, empirische Belege zu suchen, die
die behauptete Bedeutungszunahme des internationalen Austauschs
be- oder widerlegten. Davon ausgehend konzentrierte sich die kritische
Globalisierungsdiskussion insbesondere darauf, festzustellen,
inwieweit die Globalisierung der Ökonomie eine unausweichliche
Tendenz darstellt, oder derzeit lediglich eine Strategie ist,
den Sachzwang Weltmarkt überhaupt erst zu konstituieren.
Für Bernd Röttger, dessen Dissertation nun beim Verlag
Westfälisches Dampfboot erschienen ist, steht außer
Zweifel, daß ein epochaler Wandel stattgefunden hat. Seine
Herangehensweise versteht sich als Versuch, die scheinbar gegensätzlichen
Positionen, Sachzwang versus politisches Projekt, miteinander
zu vereinen. Deutlich beeinflusst von der französischen Regulationstheorie
stellt Röttger die Verschiebung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse,
oder präziser, die Aufkündigung des historischen Kompromisses
zwischen Arbeit und Kapital im Anschluss an die Krise des Fordismus
in den Mittelpunkt seines Erklärungsansatzes. Die Hauptmotivation
seiner Arbeit sei die Feststellung, daß die "Fahnen
der Kritik im Zuge der Durchsezung der "neoliberalen
Globalisierung nicht mehr so recht klirren wollten. Die
"neue Kultur der Kritik erschöpfe sich darin,
eine Entfesselung der Marktkräfte zu beklagen und in der
Konsequenz eine staatliche Reregulierung einzufordern. Dadurch
verharre sie in den gleichen Bahnen einer konstruierten Dichotomie
von Staat und Markt, innerhalb derer auch die neoliberale Restrukturierung
vollzogen werde. Dem hält Röttger entgegen, daß
der Markt selbst eine politisch Schöpfung sei, und der Staat
dabei eine zentrale Rolle einnehme.
Die Arbeit gliedert sich in fünf Teile: Die Einleitung besteht
in einer Kritik der bisherigen Globalisierungsdebatte sowie im
Versuch, die Essenz des Globalisierungsprozesses als Prozess neoliberaler
Globalisierung zu bestimmen. Im zweiten Kapitel geht Röttger
auf die Konstitutionsbedingungen der Politischen Ökonomie
ein. Er betont, daß es sich dabei keineswegs um eine an
und für sich kritische Wissenschaft handle, sondern, daß
sie eng an die jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungskonstellationen
gebunden sei, zu deren Konsolidierung sie wiederum beitrage. Im
dritten Kapitel setzt er sich mit der französischen Regulationstheorie
und der neogramscianischen Global Political Economy auseinander.
Diese Ansätze könnten einen Anknüpfungspunkt für
die notwendige Erneuerung der Kritik der Politischen Ökonomie
bilden, die mit der Krise des Fordismus sowohl ihre Kategorien
als auch ihr historisches Subjekt, die Arbeiterbewegung, verloren
habe. Ihr Verdienst sei es, daß sie beanspruchen, "die
spezifische Vermittlung von Ökonomie und Politik im Rahmen
eines historisch-konkreten Vergesellschaftungszusammenhangs des
Kapitalismus entschlüsseln zu können (S. 89).
Dennoch sei ihr Erklärungspotential eingeschränkt; für
die Regulationstheorie, im wesentlichen dadurch, daß sie
am Primat der nationalen Analyseebene festhalte, während
sich die Globale Politische Ökonomie umgekehrt vorschnell
der Kategorie des Staates entledige. Zur Überwindung dieser
Begrenzungen schlägt Röttger die Entwicklung eines integralen
Ansatzes der Globalen Politischen Ökonomie vor, der sich
zentral auf eine Readaptation der Kategorien Antonio Gramscis
stützen könnte. Neben Gramscis Hegemoniekonzept sieht
er in der Kategorie des erweiterten Staates einen wesentlichen
Ansatzpunkt für die Analyse der Reorganisation des Verhältnisses
von Staat und Markt. Er stützt sich zusätzlich auf Burawoys
Ansatz der "politics in production, der es erlaube,
die Verschiebung gesellschaftlicher Machtverhältnisse im
Kontext der neoliberalen Globalisierung zu konzeptualisieren.
Sie finde ihren Ausdruck darin, daß der Betrieb den integralen,
sozialdemokratischen Staat als Ort der Bearbeitung gesellschaftlicher
Antagonismen ablöse. Im vierten Kapitel wird die Plausibilität
dieser Thesen anhand einer Analyse der Evolution des europäischen
Integrationsprozesses überprüft. In Anlehnung an die
Analysen Michel Agliettas, Jacques Mistrals sowie an seine früheren,
gemeinschaftlichen Arbeiten mit Michael Bonder und Gilbert Ziebura
betrachtet er die Dynamik der Vereinheitlichung und Fraktionierung
als zentrales Movens für die Durchsetzung des neoliberalen
Politikprojekts. Gleichzeitig deutet er auf die essentielle Bedeutung
des Nationalstaates bei der Durchsetzung der neoliberalen Angebotslogik
hin. In seinen Schlußfolgerungen kehrt er schließlich
zur Krise der Kritik zurück. Er plädiert dafür,
Gramsci nicht nur als Transformationstheoretiker, sondern auch
als Theoretiker der Niederlage der Arbeiterbewegung zu lesen.
Um nicht zur Begleitmusik neoliberaler Restrukturierung zu verkommen,
müsse linke Kritik die vorgegebenen Bahnen verlassen und
ein eigenes, alternatives Gesellschaftsprojekt entwickeln.
Es ist kein Leichtes, Röttgers Arbeit in einer angemessenen
Weise zu würdigen. Dies ist nur zum Teil darauf zurückzuführen,
daß der Autor eine Vielzahl, oft nur unzureichend miteinander
verknüpfter Überlegungen aufgreift, die in einer Kurzrezension
unmöglich alle berücksichtigt werden können. Weitaus
wesentlicher ist jedoch, daß er, in Übereinstimmung
mit der inzwischen weit verbreiteten Einsicht, daß die tradierten
wissenschaftlichen Kategorien substantiell revidiert werden müssen,
nicht weniger beansprucht, als eine neue, wenn auch bedingt vorläufige
Herangehensweise an den Prozess "neoliberaler Globalisierung
zu entwickeln. Mit seiner zugespitzten Kritik am bisherigen Stand
der Debatte leistet Röttger ohne Zweifel einen wichtigen
Beitrag zu deren Weiterentwicklung. Aus wissenschaftspolitischer
Sicht ist dabei insbesondere seine kritische Auseinandersetzung
mit den sogenannten "problem-solving-theories zu begrüßen,
die gerade in dem von ihm bearbeiteten Bereich, der europäischen
Integrationsforschung dem wissenschaftlichen mainstream entsprechen.
Allerdings wirkt seine Kritik linker Ansätze trotz ihrer
fundamentalen Berechtigung zuweilen etwas prätentiös.
Sie läßt m.E. zu sehr außer Acht, daß die
Fehlschlüsse sowie das (partielle) Scheitern vieler Ansätze
auch durch die Komplexität des Untersuchungsgegenstands bedingt
sind. Es ist insofern wenig verwunderlich, daß sein Ansatz
die Begrenzungen von Regulationstheorie und Neogramscianismus
nicht wesentlich überwindet. So gelingt es m.E. auch ihm
nicht, die Interaktion der verschiedenen Ebenen, Nationalstaat,
suparanationale Ebene und Betrieb, zu verdeutlichen. Die von den
Neo-Gramscianern übernommene These der Herausbildung eines
transnationalen historischen Blocks erlaubt nur scheinbar eine
Transzendenz der Dichotomie national/international, da die widersprüchliche
Rückbindung der dominierenden Machtgruppen innerhalb der
nationalen Gesellschaftsformationen nicht spezifiziert wird. In
Anlehnung an Gramsci müsste denn auch gefragt werden, wie
sich die dominerenden Kapitalfraktionen als hegemonial durchsetzen
können, wenn Hegemonie doch immer auch eine ökonomische
Basis haben muß. Röttgers These, daß Hegemonie
zukünftig nur noch eine kleinen Teil der ArbeiterInnenschaft
einschliessen wird, mag zwar durch den gerade in der BRD anhaltenden
Trend zu einer weiteren Ausgrenzung der ModernisierungsverliererInnen
untermauert werden. Dennoch scheint es kaum wahrscheinlich, daß
sich auf dieser Grundlage ein langfristig stabiles Gesellschaftsmodell
etablieren kann. Fraglich ist demnach auch, inwieweit ein, nach
Ansicht Röttgers, in seiner ökonomischen Rolle geschwächter
Staat weiterhin in der Lage ist, einen gesellschaftlichen Zusammenhalt
zu gewährleisten. Schließlich bezweifle ich, daß
die Herausbildung europäischer Institutionen, die bisher
nationalstaatliche Aufgaben übernehmen, als Prozess neoliberaler
Staatserweiterung zutreffend beschrieben ist.
Trotz eines vielversprechenden Ansatzpunktes macht es sich Röttger
m.E. mit der Umsetzung seines Anspruchs zu einfach. Ein weniger
prätentiöser Gestus würde es leichter machen, das
Buch an dem zu messen, was es leistet, statt daran, was es versäumt.
Diesbezüglich bleibt anzumerken, daß während sich
Röttger in einer rigorosen Kritik an jenen Ansätzen
übt, die den eminent klassenpolitischen Charakter des aktuellen
Umbruchs ausblenden, die Kritik an den blinden Flecken marxistischer
Ansätze, die Ausblendung des Geschlechterverhältnisses
und die Vernachlässigung rassistischer Diskriminierung, die
gerade in der aktuellen Restrukturierung des Arbeitsverhältnisses
ihre Brisanz entfalten, offenbar spurlos an ihm vorbei gegangen
sind. An die LeserInnen daher die Aufforderung, die Arbeit mit
dem gleichen kritischen Spürsinn zu studieren, den Röttger
gegenüber seinen Mitstreitern an den Tag legt.
Karin Waringo |
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