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Politik und Gesellschaft Online
International Politics and Society 2/1999

 

EDDY LEE

Die Debatte um die Ursachen der Asienkrise
Vetternwirtschaft vs. internationale Systemschwäche

(Original: The Debate on the Causes of the Asian Crisis
Crony Capitalism Versus International System Failure)

Vorläufige Fassung / Preliminary version

Auf die Frage, warum eine Reihe ostasiatischer Länder nach Dekaden hohen wirtschaftlichen Wachstums 1997/98 zum Opfer eines plötzlichen massiven Kapitalabzugs und im Gefolge davon einer extremen Währungsabwertung und eines dramatischen Wachstumseinbruchs wurden, werden zwei unterschiedliche Arten von Antworten angeboten. Die einen sehen die Krise als ein Zeichen für die immanente Instabilität der globalen Finanzmärkte, die anderen als Konsequenz der Unzulänglichkeiten des asiatischen Entwicklungsmodells. Diese Unzulänglichkeiten sind in dem Terminus "crony capitalism" (Vetternwirtschaft) zusammengefaßt. Gemeint ist die weitverbreitete Zuteilung von Ressourcen (z.B. Krediten) und Marktchancen durch das politische System, oft genug verbunden mit Korruption. Die disziplinierende Wirkung des Marktes sei dadurch systematisch außer Kraft gesetzt, unrentable Investitionen und der Aufbau unhaltbarer Verschuldungspositionen begünstigt worden. Das "Crony-Capitalism"-Argument kann jedoch weder erklären, warum ähnliche strukturelle Schwächen anderswo nicht zur Krise geführt haben, noch warum die ostasiatischen Länder so lange so erfolgreich waren. Außerdem trifft die Diagnose für die Krisenländer in ganz unterschiedlichem Ausmaß zu. Das Argument hat etwas Wohlfeiles und Ideologisches an sich. Seine Kritiker sehen viel mehr Erklärungskraft bei einem anderen Faktor, nämlich der verfrühten und schlecht durchdachten Liberalisierung des Kapitalverkehrs, die der Krise in den betroffenen Ländern vorausgegangen war. Damit wird das Augenmerk auf die Gefahren gelenkt, die von den Weltfinanzmärkten ausgehen. Die Krise erscheint aus dieser Perspektive nicht als eine ostasiatische Besonderheit, sondern als typisches und wiederkehrendes Produkt ungeregelter Finanzmärkte. Mit der Perspektive verbindet sich eine grundlegende Skepsis gegenüber der Kosten-Nutzen-Bilanz finanzieller Liberalisierung. Doch selbst wenn diese Skepsis berechtigt ist und die ihr zugrundeliegenden Argumente stimmen, können die Krisenländer nicht von Schuld freigesprochen werden. Sie sollten der Beendigung von Vetternwirtschaft, der Stärkung von wettbewerbs-gelenkten Marktprozessen sowie dem Aufbau und der Sicherung solider Finanzstrukturen hohe politische Priorität geben. Dies ist nicht zuletzt auch aus Gründen der politischen Moral geboten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition juliag | April 1999