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Politik und Gesellschaft Online International Politics and Society 3/1998 |
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Reinhard Stockmann:
Die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe. Eine Evaluation der Nachhaltigkeit von Programmen und Projekten der Berufsbildung Opladen 1996 Westdeutscher Verlag, 484 S. Vorläufige Fassung / Preliminary version Rechtzeitig zum Bundestagswahlkampf 1998 hat eine Gruppe entwicklungspolitischer Fachleute ein "Memorandum '98" vorgelegt. In diesem Memorandum wird eine "Politik der Nachhaltigkeit" verlangt, soll Entwicklungspolitik als internationale Strukturpolitik gestaltet werden; gefordert und gefördert werden müsse eine nachhaltige Entwicklung weltweit! Das sind ja nun spätestens seit 1987, seit dem Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung keine gänzlich neuen Forderungen; das Konzept der nachhaltigen Entwicklung wurde von der UNCED-Konferenz in Rio 1992 als ein übergreifendes Leitbild für Industrie- und Entwicklungsländer ausdrücklich festgelegt. Feierliche Entschließungen internationaler Foren bedeuten jedoch noch keineswegs praktisches Handeln. Zwischen Reden und Taten liegen auch in der Entwicklungspolitik tiefe Meere. Die deutsche Bundesregierung signalisierte 1995 in ihrem "Zehnten Bericht zur Entwicklungspolitik" deutliche Zurückhaltung, indem sie betonte, daß das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung nur langfristig und schrittweise zu realisieren sei; im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit gehe es darum, grundsätzlich alle Instrumente und Arbeitsbereiche auf ihre Relevanz für die Erreichung dieses Ziels zu überprüfen und daran auszurichten. Entwicklungspolitik - so die gängige Interpretation - soll zu nachhaltiger Entwicklung beitragen - aber auf die Frage, wie ein solcher Beitrag konkret zu erreichen wäre und mit welchen entwicklungspolitischen Instrumenten, werden divergierende Antworten angeboten. Dies gilt nicht nur für sustainable development auf der Makroebene, sondern auch auf der Mikroebene, d.h. bei der Formulierung der Bedingungsfaktoren, die Projekte und Programme der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) mit hoher Wahrscheinlichkeit nachhaltig werden lassen. Mit der Frage, wie die Evaluation der Nachhaltigkeit von Entwicklungszusammenarbeit auf der operativen Ebene konzipiert und durchgeführt werden kann, beschäftigt sich das hier besprochene Buch. Der Titel, der auf dem Buchdeckel zum Lesen einladen will, ist allerdings in verschiedener Hinsicht mißverständlich. Zum einen wird Wirksamkeit von Entwicklungshilfe suggestiv gleichgesetzt mit Nachhaltigkeit, was aber nur aus der Perspektive einer bestimmten Zielvorgabe für EZ zutreffend ist; zum anderen wird die Evaluationsproblematik der Nachhaltigkeit auf EZ-Projekte und -Programme begrenzt, und nicht auch auf die systemische Wirkung von Entwicklungshilfe bezogen. Daß es in dem Buch zudem nur um langfristige Wirkungsuntersuchungen von Programmen und Projekten der beruflichen Bildung geht, also um sektorale Instrumente der Technischen Zusammenarbeit (TZ), erfährt der Leser erst auf dem inneren Titelblatt des Buches. Insofern enthält das Buch weniger, als sein Titel verspricht (oder verschweigt), tatsächlich bietet es in gewisser Hinsicht aber auch mehr. Der Autor Reinhard Stockmann hat sich bereits in mehreren anderen Publikationen mit der Evaluations- und Nachhaltigkeitsproblematik in der Entwicklungszusammenarbeit auseinandergesetzt, so daß er dem Leser in diesem Buch eine detail- und facettenreiche Analyse anzubieten vermag, die auf einem soliden Fundus von einschlägigem theoretischen Wissen und praktischen Erfahrungen aufbaut. Stockmann beschränkt sich dabei im wesentlichen auf die Mikroebene der Nachhaltigkeitsdiskussion, d.h. auf die Evaluation nachhaltiger Projekt- und Programmwirkungen; die Makroebene nachhaltiger Entwicklung wird nur am Rande erwähnt. Der Nachhaltigkeitsbegriff, wie ihn Stockmann verwendet, unterscheidet sich von dem Wirkungsbegriff dadurch, daß er sich ausschließlich auf die langfristigen Wirkungen bezieht, die nach Beendigung der externen Förderung eines EZ-Projekts oder -Programms vorhanden sind (S.17). Heuristischer Erklärungsrahmen in der von Stockmann vorgestellten theoretischen Konzeption zur Evaluierung der Wirksamkeit von EZ-Projekten ist ein Lebensverlaufsmodell für Entwicklungsprojekte (S.67f.). Zunächst wird nach den langfristigen Wirkung des Projekts bei dem Projektträger im Partnerland gefragt; diese Wirkungen bezeichnet Stockmann als "interne Nachhaltigkeit" im Sinne einer dauerhaften organisatorischen Leistungsfähigkeit der Trägerorganisation des Projekts, und seine Konzeption zur Evaluierung interner Nachhaltigkeit setzt sich sachlogisch konsequent aus Elementen der Organisationstheorie zusammen (S.80f.). Langfristige Wirkungen eines EZ-Projekts können sich aber auch im Umfeld der Trägerorganisation zeigen, wenn eine externe Diffusion von Innovationen gelingt; geeignete theoretische Anknüpfungspunkte für die konzeptionelle Erfassung solcher "externer Nachhaltigkeit" findet Stockmann in der Diffusionsforschung (S.95f.). Nach diesen konzeptionellen Klärungen wird ausführlich auf methodische Probleme eingegangen, die sich bei der Evaluation der Wirksamkeit von Entwicklungsprojekten stellen. Vehement plädiert der Autor für die Notwendigkeit eines Multimethodenansatzes (S.114f.). Experimentelle Untersuchungsdesigns könnten zwar die beste Gewähr für eine kausalanalytisch gültige Bewertung von Projektwirkungen bieten, ließen sich aber im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit nur schwer anwenden; quasi-experimentelle und nicht-experimentelle Methoden seien den praktischen Bedingungen und Möglichkeiten der Evaluierungsforschung in der EZ besser angepaßt, würden aber das Konfundierungsproblem aufwerfen, d.h. das Problem, wie sich bei aus empirischen Daten nicht-experimentell gewonnenen Einsichten alternative Erklärungen systematisch ausschließen lassen. In dem Untersuchungsdesign, das Stockmann für seine eigenen Evaluierungsforschungen konzipiert hat, spiegeln sich die zuvor genannten theoretischen und methodischen Überlegungen wider (S.116f.). Ausgehend von einem Analyseraster zur Erfassung des Lebenslaufes von EZ-Projekten, werden als valide betrachtete Indikatoren der Nachhaltigkeitsmessung bestimmt; dies sind Indikatoren zu Bewertung des Interventionsprozesses, als der jede EZ-Maßnahme zu betrachten ist, sowie Indikatoren zur Bewertung der internen und der externen Nachhaltigkeit (z.B. Zielakzeptanz bei dem Führungspersonal des Projektträgers, Diffusionswirkungen im Beschäftigungssystem). Anschließend werden die Methoden beschrieben, mit denen die relevanten Daten in den verschiedenen Projektphasen zu erheben sind (z.B. Analyse von Projektdokumenten und -akten, retrospektive Intensivinterviews mit Beteiligten). Der Leser, der sich ganz allgemein mit theoretischen und methodischen Problemen der Evaluationsforschung in der Entwicklungszusammenarbeit auseinandersetzen will, kann die Lektüre des Buches auf S.142 beenden; denn auf den folgenden rund 260 Seiten werden sehr ausführlich die Evaluationsergebnisse für 15 Projekte und Programme der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der beruflichen Bildung dargestellt, die während der Jahre 1963-92 in fünf lateinamerikanischen Ländern durchgeführt worden waren. Für die Lesbarkeit dieses Untersuchungsteils wäre es förderlich gewesen, hätte sich Stockmann dazu entschließen können, nicht alle Einzelheiten wiederzugeben, die in den bürokratischen Berichtsroutinen der institutionellen Auftraggeber solcher Evaluierungen üblicherweise verlangt werden. Immerhin läßt diese sehr detaillierte Darstellung ahnen, welch immenser Arbeits-(und Kosten-)aufwand mit der Wirkungsprüfung in der Entwicklungszusammenarbeit verbunden ist. Und natürlich sind die Evaluierungsergebnisse von Interesse: so bescheinigt Stockmann beispielsweise den deutschen Geldgebern, daß sie die Ziele für die untersuchten Projekte in allen Fällen ohne starke Beteiligung der Partner festgesetzt und formuliert hätten (S.399), daß die Aus- und Weiterbildung des Führungs- und Verwaltungspersonals der Projekte weitgehend vernachlässigt worden sei, während bei der Implementierung der technischen Ausstattung massive Unterstützung geleistet wurde (S.400); und Stockmann bestätigt auch (was "Praktiker" der TZ schon immer beklagt hatten), daß sich die seinerzeit vielgerühmte zielorientierte Projektplanung (ZOPP) als ein recht starrer Planungsmechanismus erwiesen habe, mit dem die anzustrebende möglichst hohe Flexibilität im Planungs- und Durchführungsprozeß nicht zu erreichen sei (S.407). Zusammenfassend bescheinigt Stockmann seinem Untersuchungsdesign, dem Analyseraster und den zur Erhebung der Daten verwendeten Verfahren, daß es sich um eine methodisch brauchbare Konzeption und um technisch handhabbare Evaluierungsinstrumente handele (S.398). Hinzuzufügen wäre: um eine methodisch brauchbare Konzeption und um technisch handhabbare Evaluierungsinstrumente, die allerdings genauso wenig Anspruch auf Generalisierbarkeit erheben können, wie die Evaluierungsergebnisse Anspruch auf allgemeine Gültigkeit. Programme und Projekte der Entwicklungszusammenarbeit finden unter historisch je einmaligen Bedingungen statt, die für Erfolge, Mißerfolge und Nachhaltigkeit bedeutsam sind. Von daher gesehen läßt sich aus Fehlern in der Vergangenheit für die Zukunft der Entwicklungszusammenarbeit nur bedingt lernen. Das enthebt aber natürlich nicht der Notwendigkeit, für die Verfahren und Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit qualitative Verbesserung zu suchen, einschließlich verbesserter Evaluierungsverfahren und Wirkungsanalysen. Stockmann hat hierzu erneut einen fundierten Beitrag geliefert. Eilige und weniger an Details interessierte Leser erhalten allerdings in seinen früheren Publikationen zu Fragen der Nachhaltigkeit und ihrer Evaluation einen bessern Überblick. Letztendlich ist in der EZ-Praxis Nachhaltigkeit nur eines von mehreren Kriterien, nach denen die Ergebnisse beurteilt werden. Das Spektrum bei der Beurteilung von Projekten reicht von ökonomischen über raumwirtschaftliche, soziokulturelle, institutionelle bis zu ökologischen Wirkungen. So können bei Wirkungsprüfungen die Kosten-Nutzen-Relationen nicht außer Acht gelassen werden; denn auch eindrucksvolle Projektergebnisse mit hoher interner oder externer Nachhaltigkeit verdienen Kritik, wenn diese Ergebnisse mit vermeidbar hohem Ressourceneinsatz erzielt wurden. Und bei einer sinnvollen Wirkungsprüfung kann es auch nicht ausschließlich darum gehen, ob und inwieweit sich die Wirkungen eingestellt haben, die angestrebt wurden; so können beispielsweise in einem EZ-Projekt Ergebnisse erzielt werden, die zwar entwicklungspolitisch bedeutsam, aber etwas ganz anderes sind als das, was mit dem Projekt erreicht werden sollte. Hartmut SangmeisterUniversität Heidelberg |
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