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Kita- und Schulschließungen beeinträchtigen das Wohlbefinden von Familien, insbesondere mit kleinen Kindern. Ein Beitrag von Dr. Mathias Huebener und Louisanne Knierim.
Um die weitere Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen wurden im Frühjahr 2020 umfangreiche Maßnahmen getroffen, die unser alltägliches Leben eingeschränkt haben. Vor allem das alltägliche Leben von Familien wurde mit der flächendeckenden Schließung von Kindertagesstätten und Schulen stark eingeschränkt. Ein wichtiges Element der Kinderbetreuung ist dadurch weggebrochen und ihr Alltag wurde innerhalb kürzester Zeit vollständig umgekrempelt. Auch Großeltern, die sonst häufig für die Notbetreuung einspringen müssen, waren angehalten die Kontakte zu ihren Kindern und Enkelkindern massiv zu minimieren. Wie wirkt sich eine solche Situation auf das Wohlbefinden der Eltern aus? Und was bedeutet das für den bevorstehenden Corona-Herbst?
Eine neue Studie des DIW Berlin (in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und infratest DIMAP) hat das Wohlbefinden von Eltern im vergangenen Sommer untersucht. Es handelt sich um Befragungsdaten aus Mai und Juni 2020, als es bereits wieder einige Lockerungen im Vergleich zum strengen „Lockdown“ der Anfangsmonate gab, aber Kitas und Schulen immer noch in nur sehr eingeschränktem Umfang öffnen durften. Der Befund ist eindeutig: Die Zufriedenheit von Eltern, insbesondere von Müttern sowie Paaren mit besonders jungen Kindern, ist in den beiden Monaten deutlich gesunken (Abbildung 1). Nicht nur das allgemeine Wohlbefinden, sondern auch die Qualität der Kinderbetreuung und des Familienlebens litt massiv unter den Entwicklungen während der Pandemie.
Üblicherweise gehören Eltern mit jungen Kindern in Sachen Lebenszufriedenheit zu den zufriedensten Menschen. Gerade für Eltern mit Kindern im Kita-Alter (3 - 6 Jahre) ist die allgemeine Lebenszufriedenheit und die Zufriedenheit mit dem Familienleben während der Corona-Zeit nun aber deutlich zurückgegangen. Zwischen ihrem und dem Wohlbefinden von Eltern mit älteren Kindern lassen sich kaum noch Unterschiede feststellen. Der deutliche Rückgang der Zufriedenheit mit der Kinderbetreuung der erstgenannten Gruppe stellt alles bisher beobachtete in den Schatten: So wurde er in repräsentativen Daten noch nie beobachtet. Verglichen mit dem Wohlbefinden von Menschen ohne Kinder, deutet vieles darauf hin, dass die Schließung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen eine zentrale Rolle beim Rückgang der Zufriedenheit spielt.
Vor der Corona-Krise war die durchschnittliche Lebenszufriedenheit von Müttern und Vätern vergleichbar. In Folge der Kita- und Schulschließungen, zusammen mit der Aufforderung aus dem Homeoffice zu arbeiten, haben Expert_innen vielfach davor gewarnt, dass Frauen die Hauptleidtragenden seien und in traditionelle Rollenbilder zurückgedrängt werden könnten, da sie gezwungen sind den Großteil der anfallenden Aufgaben in Sachen Betreuung und Haushalt zu übernehmen. Erste empirische Befunde legen zwar nahe, dass auch bei Männern die Zeit für die Kinderbetreuung in ähnlichem Umfang angestiegen ist – allerdings von einem deutlich niedrigerem Niveau.
Die zusätzliche Belastung ließ vermuten, dass die Zufriedenheit von Müttern stärker unter den aktuellen Umständen leidet als die Zufriedenheit von Vätern. Die vorliegende Studie des DIW bestätigt diese Vermutung. Während der Pandemie sind Mütter deutlich unzufriedener mit ihrem Leben als Väter. Bei der Zufriedenheit mit dem Familienleben war der Wert von Müttern bereits vor der Krise geringer als der von Vätern. Während der Corona-Pandemie sind sowohl die Werte für Mütter als auch für Väter deutlich gesunken.
Welche Rolle spielt die Möglichkeit zum Homeoffice für das Wohlbefinden von Eltern in Zeiten der Pandemie? Mit dem Lockdown im Frühjahr haben viele Arbeitgeber_innen einen Wechsel ins Homeoffice angeordnet. Die neuen Analysen zeigen nun, dass Eltern im Homeoffice weniger stark in ihrem Wohlbefinden eingeschränkt wurden. Sie wiesen eine im Vergleich höhere allgemeine Lebenszufriedenheit und Zufriedenheit mit dem Familienleben auf als Eltern ohne die Möglichkeit von Homeoffice. Auch die Zufriedenheit mit der Kinderbetreuung ist bei Eltern von Kita- und Schulkindern im Homeoffice höher. Ein Grund dafür könnte sein, dass das Homeoffice die nötige Flexibilität bietet, um bei eingeschränkter Kinderbetreuung in Schulen und Kitas die Betreuung und das Familienleben zu organisieren.
Auch zeigen sich deutliche Veränderungen im Wohlbefinden, wenn man die Bildung der Eltern in den Fokus nimmt. Üblicherweise steigt mit dem Bildungsabschluss der Eltern die Zufriedenheit mit dem Leben und auch der Kinderbetreuung. Da Eltern mit einem höheren Bildungshintergrund ihre Kinder häufiger schon früher in einer Kita betreuen lassen, sind diese Familien nun folglich stärker von Schließungen betroffen. Dadurch hat sich die Zufriedenheit zwischen Eltern mit niedrigerem und höherem Bildungsniveau in der Corona-Zeit angeglichen.
Die Analysen zeigen insgesamt, dass es gerade Familien mit jungen Kindern und Mütter sind, die deutlich an Zufriedenheit eingebüßt haben. Die fehlende Betreuung in Kitas und Schulen ist eine zentrale Ursache dafür. Das kann auch nachhaltige Auswirkungen auf die Kinder haben. Zahlreiche Studien belegen, dass das Wohlbefinden der Eltern auch ganz wichtig für das ihrer Kinder und die kindliche Entwicklung ist. Erste Befunde zum Wohlbefinden von Kindern im Mai und Juni 2020 von Wissenschaftler_innen des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) legen bereits nahe, dass Kinder unter den veränderten Umständen leiden und vermehrt psychische und psychosomatische Probleme auftauchen.
Klar ist, die Schließungen belasten das Familienleben in besonderem Maße. Die Pandemiesituation zeigt nachdrücklich die großen Herausforderungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben mit sich bringen. Kurzfristig können Möglichkeiten zum flexiblen Arbeiten (zum Beispiel Homeoffice) einen hilfreichen Puffer bieten, daher sollten diese Möglichkeiten beibehalten und ausgebaut werden.
Eine erleichterte Vereinbarkeit durch die Vermeidung von Kita- und Schulschließungen, Möglichkeiten zum flexiblen Arbeiten sind auch zum Schutz der Großeltern wichtig – einer besonders gefährdeten Risikogruppe. Denn die Großeltern spielen für die Notbetreuung von Kindern schon in normalen Zeiten eine außerordentliche Rolle. Diese Zusammenhänge sollten bei schwierigen Abwägungen über neue Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Corona-Virus immer mit bedacht werden.
Aber vielleicht bietet die aktuelle Situation den nötigen Anlass für einen großen Wurf in der Beschäftigungspolitik für Familien, etwa mit Maßnahmen, die die unterschiedlichen Herausforderungen der Lebensphasen anerkennt. Die Familienarbeitszeit wäre ein Vorschlag. Sie gibt Impulse für die gemeinsame Aufteilung der Sorgearbeit in der Familie, und räumt sowohl Zeit als auch finanzielle Ressourcen ein, um den Herausforderungen des Familienlebens bei gleichzeitiger umfangreicher Erwerbstätigkeit gerecht zu werden. Denn Maßnahmen, die es Familien erleichtern, dem Familienleben gerecht zu werden, und beruflich aktiv zu sein, erhöhen das Wohlbefinden – und letztlich wirkt sich das auch langfristig auf die Entwicklung der Kinder aus und erhöht sogar die Produktivität am Arbeitsplatz.
Autor_innen:
Dr. Mathias Huebenerist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin. Er forscht im Bereich der Bildungs- und Familienökonomie, insbesondere zur frühen Bildung und der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit. Mathias ist Mitglied im Bildungsökonomischer Ausschuss des Vereins für Socialpolitik. Er hat u.a. am University College London studiert und an der Freien Universität Berlin promoviert.
Louisanne Knierim ist Wissenschaftliche Hilfskraft in der Abteilung Bildung und Familie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin. Sie ist Masterstudentin der Volkswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin und hat außerdem an der California State University und der Université Grenoble Alpes studiert.
Der Text basiert auf Forschung von Mathias Huebener, Sevrin Waights, C. Katharina Spiess, Nico A. Siegel und Gert G. Wagner, die in folgenden Publikationen dargestellt wurden:
Warum es endlich einen Care-Gipfel im Bundeskanzleramt braucht. Ein Beitrag von Dr. Uta Meier-Gräwe.
Die FES startet eine globale Kampagne zu Sorgearbeit. Alle Infos dazu gibt's hier.
Warum Wissenschaftlerinnen mit Kindern in Zeiten von Corona keinen Kopf für ihre Forschung haben. Ein Beitrag von Alena Sander & Claire Grauer.
Oder: Warum die Strategie des Gender Budgeting mehr Anwendung braucht. Ein Beitrag von Almut Schnerring.
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