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Auf welche Kernwerte sich linke Kräfte besinnen müssen, um erfolgreich zu sein

Zum 40. Jubiläum der FES Marokko reflektiert Büroleiter Manuel Gath die Herausforderungen und Kernwerte der politischen Linken weltweit.

Die Zukunft der politischen Linken erfordert eine klare Benennung der globalen Herausforderungen für progressive Akteure. Eine davon ist eine politische Regression, bedingt und befördert durch den Aufstieg der extremen Rechten in allen Teilen der Welt. Ziel ist die Demontage der liberalen Demokratie. Dies geschieht durch Angriffe auf demokratische Institutionen, gesellschaftliche Minderheiten und eine Kultur des politischen Miteinanders. Das bedeutet am Ende auch, in diesen Bereichen erreichten Fortschritt zu bewahren und dem Einsatz für progressive Ideen auf diese Weise eine Facette der (Ab)Sicherung und Sicherheit hinzuzufügen.

Leitprinzipien linker Politik: Respekt, Toleranz und Würde

Martin Schulz hat im Rahmen einer internationalen Konferenz zur Zukunft der Linken am 4. Dezember 2024 in der marokkanischen Hauptstadt Rabat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die Lage, in der sich linke politische Kräfte weltweit jeweils befinden, enorm unterscheidet. Eine universelle Blaupause für politischen Erfolg existiert nicht – dafür sind die nationalen Kontexte zu unterschiedlich. Dennoch gibt es kontextunabhängige Leitprinzipien, die in Deutschland, Marokko und weltweit anschlussfähig sind. Die Leitprinzipien Respekt, Toleranz und Würde bieten eine weltweit gültige Orientierung für linke Kräfte. Das lässt sich auch global gesehen in konkrete Vorschläge übersetzen.

Geschlechtergerechtigkeit als unverzichtbare Bedingung der Demokratie

Der Kampf für Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung gehört zur DNA der Sozialdemokratie, gleiches gilt für die Demokratisierung unserer Gesellschaften. Beide Aspekte sind untrennbar miteinander verbunden: Wenn die Demokratie nicht egalitär ist, ist sie keine echte Demokratie. Daher dürfen wir gegenüber der extremen Rechten nicht nachlassen, wenn es um die Errungenschaften im Bereich der Gleichberechtigung, der Rechte und Freiheiten der Frauen geht, die dank des feministischen Kampfes, der auch der unsere ist, erreicht wurden.

Dabei können auch wir in Deutschland bisweilen von Anderen lernen: In Marokko hat sich mit Unterstützung der FES ein Kollektiv mit dem Namen ‚Parité Maintenant‘ (Parität jetzt) für ein paritätisches Rahmengesetz eingesetzt. Die Errungenschaften von ‚Parité Maintenant‘ sind ein eindrucksvolles Zeugnis für die Stärke zivilgesellschaftlicher Bündnisse. In Deutschland haben wir zwar ähnliche Diskussionen, aber die Tatsache, dass sich alle Gruppen in der Gesellschaft, vom Arbeitgeberverband über die Gewerkschaften bis hin zu zahlreichen politischen Parteien und der Zivilgesellschaft, hinter einer solchen Forderung versammeln, wäre bei uns wohl nur schwer denkbar.

Den Kampf gegen Ungleichheit priorisieren

Während die wirtschaftliche und soziale Entwicklung für viele Menschen weltweit Menschen stagniert, bildet sich gleichzeitig eine Klasse der Reichen heraus, die mit jeder Erbengeneration weiter verfestigt wird. Eine linke Kernbotschaft muss es sein, dass diese soziale Ungleichheit ein massives Problem ist für den sozialen Zusammenhalt in einer Gesellschaft, für die Bereitschaft zur Solidarität mit anderen ist. Sie ist aber genauso ein Problem für das Funktionieren der Demokratie. Der sozioökonomische Status einer Person beeinflusst maßgeblich ihre politische Beteiligung. Menschen werden daher nie nur sozial und ökonomisch, sondern auch politisch abgehängt. Der Kampf gegen Ungleichheit in all ihren Facetten von Arm vs. Reich bis hin zu Alt vs. Jung ist also nicht nur sozial geboten, sondern auch ein Beitrag zur Festigung der Demokratie. Natürlich muss dieser politische Kampf im globalen Süden anders geführt werden als im Norden. Aber von der Besteuerung von leistungslosem Einkommen über Förderung von Jugendpartizipation und Netzwerkbildung bis zum Aufbau einer sozialen Grundsicherung kann die gleiche Botschaft verfangen: Den Leistungstragenden der Gesellschaft mit Respekt zu begegnen und ihnen gleichzeitig ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Internationaler Austausch jenseits von Fototerminen

Die Stärke der politischen Linken lag traditionell in gelebter Solidarität, grenzüberschreitendem Denken und dem Engagement für internationale Zusammenarbeit jenseits nationaler Grenzen. Im Rahmen von Dachorganisationen wie der Sozialistischen Internationalen oder der Progressive Alliance wurde dieser Austausch auf Augenhöhe oft genutzt, um nicht nur auf praktischer, sondern auch auf intellektueller Ebene voneinander zu lernen. So war die Sozialistische Internationale in der Vergangenheit auch ein Forum, angesichts globaler Konflikte im vertraulichen Rahmen konstruktiv über gemeinsame Perspektiven und Lösungsansätze zu diskutieren. Oft genug trafen in diesem Forum z.B. israelische und palästinensische Vertreter_innen aufeinander. Bei allen unterschiedlichen Meinungen in der Sache hat der ideologische Rahmen ein Umfeld der Toleranz für diese Meinungen geschaffen, die es in Zeiten zunehmender Polarisierung mehr denn je braucht. Dabei gibt es zahlreiche linke Kräfte im globalen Süden, die sich selbst als Brücke und Scharnier anbieten, um die Verantwortung dieser Netzwerkbildung auf mehreren Schultern zu verteilen. So zählt die marokkanische SPD-Schwesterpartei USFP zu den stärksten sozialdemokratischen Kräften der Region, die inzwischen auch ein MENA-Latino-Netzwerk pflegt. Auch das wäre gelebte internationale Kooperation im 21. Jahrhundert.

FES Marokko: Vier Jahrzehnte Engagement

Im 40. Jubiläumsjahr der FES Marokko schlägt sich das direkt in unserer Arbeit nieder: Seit Jahrzehnten ist der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit ein Schwerpunkt der FES Marokko, aktuell u.a. durch die Unterstützung eines breiten feministischen Bündnisses, das für progressive Reformen im Familienrecht lobbyiert. Gemeinsam mit Gewerkschaften und Sozialverbänden haben wir kürzlich eine zivilgesellschaftliche Beobachtungsstelle zur kritischen Evaluierung der laufenden marokkanischen Sozialreformen gegründet. Außerdem investieren wir in die Ausbildung von Nachwuchskräften für Politik und Zivilgesellschaft, um der Überalterung von Entscheidungsstrukturen entgegenzuwirken. Zu guter Letzt vertiefen wir unsere Partnerschaft mit der USFP durch inhaltliche Diskussionen mit SPD-Vertreter_innen und einem Ausbildungsprogramm für die Parteijugend.

 

Was sind die Hauptwerte der Linken? Video-Statement von Martin Schulz, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung

Internationale Konferenz „Gegenwart und Zukunft der Linken: Kritische Blicke von beiden Seiten des Mittelmeers“ in Rabat, Marokko.

Über den Autor

Manuel Gath ist seit 2021 Büroleiter der FES Marokko in Rabat. Zuvor betreute er den Maghreb im Referat Naher/Mittlerer Osten und Nordafrika, die Europakoordination der FES sowie die Büros in Washington und Japan als Referent.


Ansprechperson

Anja Freudenreich
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