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#Angekommen | 6. und 7. März 2017 in der FES Berlin

Fünf Fragen an Günther Schultze zum Einwanderungs­recht

Günther Schultze ist Referent im Arbeitsbereich "Migration und Integration" der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung.

1. Was sind aktuell die wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen für die Integrationspolitik?

Aktuell ist es besonders wichtig, dass wir die Integration von Geflüchteten, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, weiter voranbringen. Hierzu ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen nötig, wie z.B. Konzepte für die Betreuung und Unterrichtung der Flüchtlingskinder in Kindergärten und Schulen. Es müssen aber auch passende Wohnungen für geflüchtete Familien in den Kommunen gefunden werden. Hierzu ist eine Ausweitung des Sozialen Wohnungsbaus nötig, die allen benachteiligten Bevölkerungsgruppen zugutekommt. Das ehrenamtliche Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger ist ein wichtiger Baustein der kommunalen Flüchtlingspolitik und sollte angemessen gefördert werden. 

Eine immense Herausforderung ist darüber hinaus die Integration der erwerbsfähigen Geflüchteten in den Arbeitsmarkt. Ihre formalen Abschlüsse müssen anerkannt und ihre  informellen Kompetenzen ermittelt werden. Die Angebote, zum Beispiel Praktika, Integrationskurse und Qualifizierungsmaßnahmen, müssen sinnvoll aufeinander abgestimmt sein. Es zeigt sich, dass die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten ein längerer Prozess ist, der viel Geduld erfordert. Deshalb ist auch eine kontinuierliche Betreuung und Beratung nötig, die vor allem die Interessen und Bedürfnisse der Geflüchteten berücksichtigt.

2. Brauchen wir angesichts der aktuell hohen Flüchtlingszahlen überhaupt ein Einwanderungsgesetz?

Trotz der vielen Geflüchteten, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, brauchen wir eine Einwanderungspolitik, die die ökonomischen Interessen Deutschlands berücksichtigt. Mittelfristig führt die demografische Entwicklung zu einer deutlichen Abnahme der Erwerbsbevölkerung in Deutschland bei einer gleichzeitigen erheblichen Zunahme der älteren Bevölkerung. Dies führt zu Problemen auf dem Arbeitsmarkt bei der Besetzung von vor allem qualifizierten Arbeitsplätzen, aber auch zu Finanzierungsproblemen in den Systemen der sozialen Sicherheit. Die Öffnung von legalen Zuwanderungswegen für Drittstaatsangehörige nach Deutschland, aber auch in die EU, kann weiterhin zu einer Entlastung des Asylsystems führen.

3. Was muss ein sinnvolles Einwanderungsrecht umfassen?

Ein Einwanderungsrecht muss eingebettet werden in eine umfassende und kohärente Migrationspolitik. Diese umfasst sowohl humanitäre Migrationsbewegungen, wie z.B. Familiennachzug und Flüchtlingszuwanderungen, als auch ökonomisch bedingte Zuwanderungen von Arbeitsmigrant_innen, Auszubildenden und Student_innen. Auch die Wanderungen innerhalb der EU sind zu berücksichtigen. Außerdem müssen wir wesentlich stärker als bisher Entwicklungs-, Außen-, Sicherheits- und Migrationspolitik verzahnen.

4. Wie beurteilen Sie den von der SPD vorgelegten Entwurf für ein neues Einwanderungsgesetz?

Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Die SPD hat erkannt, dass ein Einwanderungsland auch eine klare Einwanderungspolitik braucht. Wirtschaftlicher Erfolg wird durch ethnische Vielfalt erhöht und kultureller Pluralismus gehört zu einer offenen Gesellschaft.

Der Vorschlag der SPD, einen Teil der Zuwanderungen nach einem kriteriengestützten Punktesystem zu steuern, knüpft an die Erfahrungen von klassischen Einwanderungsländern wie Kanada oder Neuseeland an. Das Punktesystem soll jedoch zusätzlich zu den bereits existierenden, zahlreichen Einwanderungswegen eingeführt werden. Gerade die Komplexität der Vorschriften ist aber für Zuwanderungswillige und Unternehmen eine hohe Hürde, die die Attraktivität Deutschlands im internationalen Wettbewerb um die "klügsten Köpfe" beeinträchtigt. Deshalb sollte weiter darüber nachgedacht werden, wie ein Einwanderungsgesetz aussehen kann, das möglichst viele Sachverhalte abdeckt und einfache und überschaubare Einwanderungsregelungen und -verfahren enthält.

5. Der Integrationskongress der Friedrich-Ebert-Stiftung steht unter dem Titel "angekommen". Was verbinden Sie damit?

"Angekommen" bedeutet für mich, dass wir nicht mehr darüber diskutieren müssen, ob Deutschland eine Einwanderungsgesellschaft ist oder nicht. Unsere Bevölkerung ist ethnisch,  kulturell und sozial vielfältig und wird es auch bleiben. Diese Vielfalt ist unsere Stärke und sie macht unser Land attraktiv für alle. Einwanderungen bringen immer auch Konflikte mit sich, die, wenn sie bearbeitet und gelöst werden, neue gesellschaftliche Chancen eröffnen. Wir sind "angekommen" in der Realität. Erkenntnisverweigerung hilft nicht bei der Gestaltung der Zukunft.

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