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Am 13. Februar 1978 wurde Hans Peter Bull der erste Bundesbeauftragte für Datenschutz in der Bundesrepublik. Seine Ernennung fiel in eine Zeit, in der über die Befugnisse der Sicherheitsbehörden gegenüber ihren Bürger:innen gestritten wurde. Anlässe waren Maßnahmen wie die Rasterfahndung bei der Terrorismusbekämpfung oder die Regelanfrage beim Verfassungsschutz vor Einstellungen in den öffentlichen Dienst im Zuge des Radikalenbeschlusses. Höhepunkt der Debatte um Datenschutz war die Volkszählung 1983.
Die Idee des Datenschutzes oder der „privacy“ – wie es im Englischen hieß – war eine Reaktion auf die sprunghafte Entwicklung der elektronischen Datenverarbeitung, die es ermöglichte immer größere und präzisere Mengen von Daten in kürzerer Zeit zu verarbeiten. Diese technischen Innovationen boten Chancen, aber auch erhebliche Risiken. Während die Debatte um den Schutz der Privatsphäre in den USA bereits Mitte der 1960er-Jahre begann, dominierten in der Bunderepublik zu dieser Zeit noch weitgehend Fortschrittsoptimismus und Glaube an eine effizientere Planung und Steuerung der Gesellschaft durch technische Neuerungen.
Ab den 1970er-Jahren nahm der Datenschutz jedoch allmählich Fahrt auf. Als erstes Bundesland beschloss Hessen 1970 ein Datenschutzgesetz und nach weiteren Bundesländern verabschiedete der Bundestag im Januar 1977 das Bundesdatenschutzgesetz, was schließlich im Januar 1978 in Kraft trat. Ziel war es, personenbezogene Daten zu schützen und Missbrauch durch öffentliche oder private Stellen zu verhindern.
Auf Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes wurde der 42-jährige Jura-Professor Hans Peter Bull zum ersten Bundesbeauftragen für Datenschutz ernannt. Bull war seit 1973 Professor für Öffentliches Recht an der Universität Hamburg am Reformfachbereich Jura II gewesen. Er galt als ausgewiesener Experte im Feld des Datenschutzes. Bereits in den 1960er-Jahren hatte er seine Dissertation über „Verwaltung durch Maschinen. Rechtsprobleme der Technisierung der Verwaltung“ geschrieben und war 1972 in eine Kommission des Deutschen Juristentags berufen worden, die Vorschläge für das Datenschutzrecht vorlegen sollte. Er war Mitglied der SPD und engagierte sich in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen.
Bulls Ernennung war bemerkenswert, weil er den Umgang der Sicherheitsbehörden mit persönlichen Daten kritisierte. Die Entscheidung von Bundesinnenminister Werner Maihofer (FDP) für Bull, die schließlich von Maihofers Nachfolger Gerhart Baum (FDP) umgesetzt wurde, war deshalb ein deutliches Votum, den Datenschutz ernst zu nehmen und die Tätigkeiten der eigenen Behörden etwa des Bundeskriminalamts oder der Nachrichtendienste gegebenenfalls einzuschränken.
Bulls Amt als Datenschutzbeauftragter umfasste ein breites Aufgabenspektrum: etwa Versicherungsverträge, die Weitergabe privater Daten an Unternehmen zu Werbezwecken oder Kreditvergaben. Wie Bull erklärte, war die Umsetzung des Datenschutzes in den Sicherheitsbehörden besonders wichtig, da sie im Diskurs eine große Rolle spielte. Gerade in linken und links-liberalen Kreisen war in den 1970er-Jahren die Furcht vor einem übermächtigen „Überwachungsstaat“ gewachsen, der seine Bürger:innen durchleuchten und disziplinieren könne. Diese Vorstellungen waren nur zum Teil Versuche kommunistischer oder anarchistischer Gruppen, den Staat als repressiv oder „faschistisch“ zu brandmarken. Die Angst vor dem Staat reichte weit in die Regierungsparteien der sozial-liberalen Koalition hinein und war ebenso in der linksliberalen Presse verbreitet.
Befördert wurden diese Kontroversen durch staatliche Maßnahmen jener Jahre. Dazu gehörten die Bekämpfung des Terrorismus, die bisweilen die Grenzen der Rechtsstaatlichkeit überschritt, rechtswidrige Abhöraktionen oder die Überprüfungspraxis im Zuge des Radikalenbeschlusses. Bei Debatten über den Radikalenbeschluss nahm Bull stets eine kritische Position ein: So beklagte er die zum Teil ausufernde Datenspeicherung und -übermittlung durch den Verfassungsschutz und pochte auf die Zweckbindung erhobener Daten. In der Zusammenführung von Daten aus unterschiedlichen Bereichen sah er eine erhebliche Gefahr, weil so beispielsweise Teilnahmen an politischen Veranstaltungen Gegenstand von Einstellungsverfahren wurden und Bürger:innen auch bei vergleichsweise geringer Aktivität ein faktisches „Berufsverbot“ drohen konnte.
Seine Positionierung in dieser Frage steht beispielhaft für sein Verständnis des Verhältnisses von staatlicher Gewalt und individuellen Freiheitsrechten: „Wenn der Staat die Bürger kontrolliert, muß er sich mindestens ebenso streng kontrollieren lassen. Wer die Forderung nach Kontrolle staatlicher Macht als Gefahr für den Staat darstellt, hat nicht begriffen, was Rechtsstaat und Demokratie bedeutet.“ (Bull, Erklärungen, S. 45)
In Zeiten von Linksterrorismus und Radikalenbeschluss, als viele nach einem starken Staat riefen, war dies auch innerhalb der der SPD eine unbequeme Haltung. Die Unionsparteien bezeichneten Bull sogar als „Sicherheitsrisiko“, weil sie der Meinung waren, staatliche Befugnisse würden zu stark eingeschränkt. Dabei kritisierte Bull nicht nur die Praxis in unionsgeführten Ländern, sondern auch sozialdemokratische Regierungspraxis – etwa wenn er monierte, dass in Hamburg die Regelanfrage in zu großem Umfang auch im privatwirtschaftlichen Bereich angewendet worden sei.
Trotz Bulls kritischem Blick auf staatliche Datenverarbeitung war er 1983 bei der Debatte um die Volkszählung anderer Meinung als viele Aktivist:innnen, die die Volkszählung grundsätzlich ablehnten. Die Auseinandersetzung stellte den Höhepunkt der Datenschutzdiskussionen jener Jahre dar. In nur wenigen Monaten war die Sorge in der Bevölkerung um eine Zweckentfremdung der Daten stark gestiegen: Es hatten sich zahlreiche Komitees gegründet, die einen Boykott der staatlichen Datenabfrage propagierten. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellte eine Zäsur in der bundesdeutschen Datenschutzdebatte dar. Zum einen beurteilte es die geplante Volkszählung als verfassungswidrig und zum anderen begründete es das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, also das Recht über die Verwendung und Weitergabe der eigenen Daten grundsätzlich entscheiden zu können.
Bull hatte in der Debatte versucht, eine Vermittlerposition einzunehmen. Er hatte einige konkrete Kritikpunkte an der Organisation der Volkszählung formuliert, teilte aber nicht die weitreichende Kritik der Boykottbewegung, suchte jedoch das Gespräch mit den Kritiker:innen. Seiner Meinung nach ging es bei der Volkszählung vor allem um eine statistische Auswertung, die dem Statistikgeheimnis unterlag. Im Unterschied zu anderen Bereichen habe es bei der Erhebung statistischer Daten in der Vergangenheit bisher keine unerlaubte Datenweitergabe an andere staatliche Stellen gegeben. Gerade dies fürchteten jedoch die Unterstützer:innen des Boykotts, die einen Überwachungsstaat im Orwellschen Sinne heraufziehen sahen.
1983 endete Bulls Amtszeit und aufgrund des Regierungswechsels in Bonn folgte keine weitere. Das Thema Datenschutz erhielt in den folgenden Jahren und Jahrzehnten immer mal wieder stärkere Aufmerksamkeit. So wie die Debatten über den Großen Lauschangriff, die Vorratsdatenspeicherung oder abgehörte Handys von Politiker:innen durch die NSA neue Aspekte in die Datenschutzdebatte brachten, wird sie auch zukünftig durch technische Neuerungen immer wieder an Aktualität gewinnen.
Alexandra Jaeger
Der Vorlass von Hans Peter Bull ist mit seiner Genehmigung im Archiv der sozialen Demokratie einsehbar. So kann auch seine Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter näher untersucht werden.
Verwendete Quellen und Literatur:
10. Dezember, 18 Uhr c.t. | Universität Bonn und im Livestream
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