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„Der wirtschaftlichen Demokratie zur Seite …“ – die Gründung von Hans-Böckler-Gesellschaft und Stiftung Mitbestimmung

Von Beginn an war der Kampf um Mitbestimmungsrechte für die Arbeitnehmer_innen von zentraler Bedeutung. 1953/ 1954 wurden seitens der Gewerkschaften zwei Organisationen begründet: die „Hans-Böckler-Gesellschaft zur Förderung der Mitbestimmung in Theorie und Praxis“, die mit ihrer Arbeit die Forschung und das gesellschaftliche Bewusstsein zur Mitbestimmung fördern sollte, und die „Stiftung Mitbestimmung“, mit der die wissenschaftliche Ausbildung auf Arbeitnehmer_innen-Seite gefördert werden sollte.

„Nicht der Wille zur Macht hat die Gewerkschaften, wie man ihnen böswillig unterstellt,  bestimmt, eine gleichberechtigte Stellung für die Arbeitnehmer in der Wirtschaft zu fordern, sondern vor allem die Erkenntnis, daß der politischen Demokratie, soll sie nicht ein weiteres Mal nach Nachteil des Volkes und der ganzen Welt mißbraucht werden, die wirtschaftliche Demokratie zur Seite gestellt werden muß.“

So beschrieb Hans Böckler (1875-1951) in einer Rundfunkansprache am 30. Januar 1951, nur zwei Wochen vor seinem Tod, die Triebfeder gewerkschaftlichen Wirkens in Staat und Gesellschaft. Böckler war eine, wenn nicht die prägende Persönlichkeit beim Wiederaufbau der deutschen Gewerkschaftsbewegung nach 1945 und Exponent auf Arbeitnehmerseite bei vielen politischen Themen (z. B. dem Kampf um die Montanmitbestimmung) jener Jahre. So verwundert es nicht, dass von Gewerkschaftsseite bereits kurze Zeit später versucht wurde, der Person Böcklers und dem zentralen Anliegen Mitbestimmung ein Denkmal zu setzen. Im November 1952 wurden die „Gesellschaft für soziale Betriebspraxis“ (GsB) und der „Verein für soziale Betriebspraxis“ ins Leben gerufen, denen aber kein langandauerndes Wirken beschieden war.

 

Die „Hans-Böckler-Gesellschaft e. V.“ (HBG)

Am 23. April 1954 wurde die „Hans-Böckler-Gesellschaft zur Förderung der Mitbestimmung in Theorie und Praxis“ (HBG) gegründet. Dies geschah nach Beratungen von Deutschem Gewerkschaftsbund (DGB), IG Metall (IGM) und IG Bergbau und Energie (IGBE). Eine weitere Organisation bei diesen Gesprächen war das Wirtschaftswissenschaftliche Institut des DGB (WWI), das seit 1946 dem Gewerkschaftsbund wissenschaftlich zuarbeitete. Das Hauptanliegen der Hans-Böckler-Gesellschaft war die Förderung des Austauschs von Arbeitnehmervertreter_innen in Fragen der Mitbestimmung. In einer Imagebroschüre von 1958 hieß es, dass das vorrangige Ziel die Vertretung des Gedankens der Wirtschaftsdemokratie sei:

„Eine Demokratie ist für uns nur mit wirklichem Leben erfüllt, wenn sie auch in die Wirtschaft getragen wird.“

Auf einer Feierstunde am 15. April 1964 erklärte der DGB-Vorsitzende Ludwig Rosenberg (1903-1977),

„daß die Gesellschaft den Namen Hans Böcklers trage, weil er der Schöpfer der Mitbestimmung moderner Art sei; das heiße vor allem, daß sie sich nicht auf die Regelung sozialer Angelegenheiten beschränken dürfe. Sie habe bisher zur wirtschaftlichen Blüte, zur sozialen Gerechtigkeit und zur Vermenschlichung der Wirtschaft beigetragen und es sei ihr Ziel, die Träger der Mitbestimmung bei der Verwirklichung dieser Ziele zu unterstützen.“ (Gewerkschaftliche Monatshefte, 1964, H. 5, S. 300)

Die HBG sollte deswegen zu einem Diskussionsforum werden, in dem „Praktiker der so jungen Mitbestimmung“ zum „Austausch von Erfahrungen und Anregungen“ zusammentreffen konnten. Zu diesem Zweck wurden in der Folge auch in 16 Städten des Bundesgebiets regelmäßig „Informationsgespräche“ durchgeführt. Die monatlich erscheinende Zeitschrift „Das Mitbestimmungsgespräch“ bot zusätzlich die Möglichkeit, Inhalte und Positionen zu verbreiten. Nicht zuletzt wurde mit der Ausschreibung des Hans-Böckler-Preises – 1958 für die drei besten wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema „Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Wirtschaft und Gesellschaft“ – ein weiterer Schritt zur wissenschaftlichen Popularisierung des Themenfelds gemacht. Zu den Preisträgern 1958 zählte unter anderem auch Peter von Oertzen.

 

Die „Stiftung Mitbestimmung“ (SM)

Als weitere Förderorganisation nahm die „Stiftung Mitbestimmung“, deren Gründung bereits am 10. und 11. Dezember 1953 von DGB-Bundesausschuss und -vorstand beschlossen worden war, im Juli 1954 ihre Arbeit auf. Ihr Auftrag nach § 2 der Satzung war,

„begabten Arbeitnehmern und begabten Kindern von Arbeitnehmern die ihnen anderweitig nicht zur Verfügung stehenden Mittel zur Fortbildung, insbesondere zum Studium der Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, zu gewähren.“ (DGB-Archiv im AdsD, 5/DGAZ100006)

Wie die Hans-Böckler-Gesellschaft finanzierte auch die Stiftung Mitbestimmung ihre Arbeit aus Spenden. Nach der Stiftungssatzung wurden die gewerkschaftlichen Vertreter in Vorständen und Aufsichtsräten der Unternehmen des Bergbaus und der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie angehalten, Teile ihrer Vergütung zu spenden. Im Frühjahr 1958 wurde die Stiftung auch Mitglied in der HBG.

Bis Ende 1955 wurden von den Gewerkschaften 117 Stipendiat_innen vorgeschlagen, unter denen sich 9 Frauen befanden. Hiervon verblieben 42 Bewerber_innen zur Auswahl, von denen 32 in die Förderung aufgenommen wurden. 10 Jahre später waren es schon rund 600 Stipendiat_innen. Das durchschnittliche monatliche Stipendium betrug Mitte der 50er-Jahre 150 DM.

 

Die „Hans-Böckler-Stiftung“ (HBS)

Zum 1. Juli 1977 fusionierten „Hans-Böckler-Gesellschaft“ und „Stiftung Mitbestimmung“ zur „Hans-Böckler-Stiftung“ (HBS). In den Vorjahren waren die Budgets von HBG (1964: 200.000 DM) und SM (1964: 2,2 Mill. DM) so auseinandergelaufen, dass sich – auch mit Verabschiedung des Mitbestimmungsgesetzes 1976 – das engere Zusammenwirken beider Organisationen anbot. Forschung und Studienförderung wurden so unter einem gemeinsamen Dach zusammengeführt.

 

Hubert Woltering

 

Quellen im Archiv der sozialen Demokratie (AdsD)

 

Die Geschichte der HBG und SM spiegelt sich in den Personenbeständen des DGB-Archiv im AdsD wider: Mit den Nachlässen von Hans Seidel (1919-1996), Erich Lübbe (1891-1977), Rudolf Quast (1907-1992) oder auch dem Vorlass von Gerhard Leminsky (1934- ) finden sich hier – neben Beständen weiterer Gründungsmitglieder – die zentrale Überlieferung der Geschäftsführer von HBG und SM. Weiteres Archivmaterial (z.B. Protokolle von Kuratoriumssitzungen, Geschäftsberichte) finden sich in den Beständen der Abteilung Vorsitzender oder der Abteilung Organisation des DGB-Bundesvorstands.

 

Literatur

 


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