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Otto Brenner prägte als Gewerkschaftsführer die Politik der Bundesrepublik Deutschland in außerordentlicher Weise mit. In seinen 20 Jahren als Vorsitzender der IG Metall, der mitgliederstärksten Einzelgewerkschaft im DGB, standen Themen wie Mitbestimmung, Automation und technischer Fortschritt auf seiner Agenda. Auch zur Wiederbewaffnung und zur Notstandsgesetzgebung positionierte er die deutsche Gewerkschaftsbewegung.
Bild: Otto Brenner und Willy Brandt, 14.05.1969; Rechte: J.H. Darchinger/Friedrich-Ebert-Stiftung [6/FOTA197034].
Bild: Vorsitzender der IG Metall Otto Brenner, 1960; Rechte: AdsD [6/FOTA085703].
Bild: Ausstellung "Kampf um Arbeitszeitverkürzung" IG Metall; Herausgeber: IG Metall-Vorstand; Rechte: unbekannt [6/PLKA030984].
„Es darf nie wieder zu einem 1933 kommen! Gerade die jungen Menschen sollten diesen Schwur bekräftigen durch das Gelöbnis, dass wir bereit sind, unsere aus den Trümmern des Dritten Reiches neuerstandene Demokratie gegen alle ihre Feinde von rechts und links mit aller Entschiedenheit zu verteidigen.“
Diese Worte richtete Otto Brenner am 29. Mai 1960 an junge Gewerkschafter_innen des Bezirksjugendtreffens der IG Metall in Bonn. Brenner begann sein politisches Arbeiten bereits Anfang der 1920er-Jahre: 1920 wurde er Mitglied der „Sozialistischen Arbeiter-Jugend“ (SAJ), 1926 der SPD. Wie Willy Brandt wechselte er 1931 in die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD). 1922 begann er sein gewerkschaftliches Engagement mit dem Eintritt in den Deutschen Metallarbeiterverband (DMV). Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er 1933 verhaftet und zeitweise inhaftiert. Bis 1939 arbeitete er im Straßenbau, im Zweiten Weltkrieg als Elektromonteur auf Montage.
Unmittelbar nach Kriegsende 1945 nahm Brenner seine gewerkschaftliche Tätigkeit wieder auf. Zunächst stand der Wiederaufbau gewerkschaftlicher Strukturen in Hannover und in der britischen Besatzungszone im Mittelpunkt. Bereits 1946 wurde Brenner zum 1. Vorsitzenden der Wirtschaftsgruppe Metall der Allgemeinen Gewerkschaft in Niedersachsen, ein Jahr später 1. Bevollmächtigter der IG Metall Verwaltungsstelle Hannover und ab 31. Oktober 1947 zum Bezirksleiter des IG Metall Bezirkes Hannover gewählt.
Nach Kriegsende bezog Brenner als Gewerkschafter und sozialdemokratischer Funktionsträger (1946–1953 SPD-Ratsherr in Hannover, 1951–1954 Mitglied des niedersächsischen Landtags) regelmäßig Position gegen ehemalige Funktionsträger des NS-Regimes:
„Wir wollen Demokratie! Wir wollen Selbstbestimmung! Aber wir wollen keine Demokratie, die es den Gegnern der Demokratie gestattet, sich demokratischer Mittel zu bedienen, um die Demokratie zu beseitigen.“
Auch im Bode-Panzer-Streik Ende 1946 stritt er gegen diese alten Eliten. Gegen den ehemaligen Wehrwirtschaftsführer Hermann Bode mussten essenzielle Mitbestimmungsrechte der Belegschaft durchgesetzt und gesichert werden. Otto Brenner schrieb dazu:
„Der Streik bedeutet auch eine Mahnung an alle Arbeiter und Angestellten und Beamten, ihre Organisation zu stärken und zu unterstützen, um für kommende Dinge gewappnet zu sein. Er bedeutet aber auch eine Warnung an alle reaktionären Unternehmer, die Betriebe nur zu Objekten ihrer privatwirtschaftlichen Profitinteressen machen zu wollen. Diese Zeit muss vorbei sein! Die Produktionsstätten dürfen nicht Einzelnen, sondern müssen dem ganzen Volke dienen. Voraussetzung dazu ist das volle Mitbestimmungsrecht der Arbeiter und Angestellten im Betrieb und in der Wirtschaft.“
Anfang der 1950er-Jahre wurde Otto Brenner Mitglied im sogenannten „Zehnerkreis“, in dem sich sozialdemokratische Gewerkschafter (wie Siegmund Neumann, Eduard Wald oder Kuno Brandel) in Fragen personeller Auswahlentscheidungen und programmatischer Positionsbestimmungen austauschten. Mit diesem informellen Netzwerk im Rücken wurde Brenner 1952 2. Vorsitzender der IG Metall und 1956 ihr 1. Vorsitzender. Als kennzeichnend für das Wesen und Handeln Brenners kann eine Beschreibung in der DGB-Zeitung „Welt der Arbeit“ gelten:
„Otto Brenner, Arbeitgeber-Buhmann bei Lohnkämpfen, wortgewaltiger Streiter auf der Rednertribüne und dort manchmal nicht ganz ohne Polemik, ist privat der stillste und friedlichste Mensch, den man sich vorstellen kann.“
Spätestens mit dem Kompromiss beim Betriebsverfassungsgesetz 1952 war absehbar, dass eine sozialistische Umgestaltung der gesellschaftlichen Ordnung in der Bundesrepublik Deutschland, wie sie die Gewerkschaften programmatisch einforderten, in den nächsten Jahren nicht erfolgen würde. Das Fortbestehen der Regierungskoalition unter Bundeskanzler Konrad Adenauer nach der Bundestagswahl 1953 war hier ein Indiz für Brenner. Maßgeblich trieb er deswegen die Ausgestaltung eines Aktionsprogramms des DGB 1954/55 voran, in dem gewerkschaftliche Nahziele (wie die gesetzliche Regelung der paritätischen Mitbestimmung oder die 5-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich) eine stärkere Bedeutung erhielten. In der von der deutschen Gewerkschaftsbewegung forcierten Kampagne „Samstags gehört Vati mir“ wurde die Verkürzung der Arbeitszeit eindrücklich als Ziel unterstrichen.
Otto Brenner lehnte – wie der DGB und viele Einzelgewerkschaften – die Wiederbewaffnung Deutschlands ab. Wiederbewaffnung, Wettrüstung und atomare Abschreckung wurden von Brenner nicht nur in den Dimensionen „Festschreibung der deutschen Teilung“ und „Wiedererstarken des deutschen Militarismus“ gesehen, sondern bedeuteten für ihn gleichermaßen die wirtschaftliche und soziale Belastung der deutschen Gesellschaft, insbesondere der dort arbeitenden Menschen.
Brenner, der eine Bundestagskandidatur für die SPD stets ablehnte, wurde Anfang der 1960er-Jahre zum Präsidenten des Internationalen Metallarbeiterbundes (IMB) gewählt. Sein über die Grenzen Deutschlands hinausgehender Blick wies ihn als Verfechter der europäischen Integration aus. In einem Artikel in den „Gewerkschaftlichen Monatsheften“ Anfang 1967 forderte er ein Grundsatzprogramm für die europäische Gewerkschaftsbewegung:
„Ein weiterer wichtiger Grund für die positive Haltung der Gewerkschaften zur europäischen Integration ist die Überzeugung, daß durch den wirtschaftlichen Zusammenschluß die realen Möglichkeiten zur Erhöhung des Lebensstandards der breiten Massen der Bevölkerung vergrößert werden können. Es wäre aber zweifellos illusionär zu glauben, daß der Abbau der Zölle und sonstigen Handelsbeschränkungen zwischen den Ländern automatisch zu einer Verbesserung des Lebensstandards führt. Die bisherige Praxis hat den Beweis erbracht, wie sehr und gegen welche Widerstände jeder soziale Fortschritt durch die gewerkschaftliche Aktivität erkämpft werden muß.“
Seine politischen Positionierungen wurden nicht von allen innerhalb der Gewerkschaftsbewegung geteilt, da sie den Fokus von der Tarifpolitik als zentralem Kern gewerkschaftlichen Wirkens verschoben.
Die Struktur des deutschen Gewerkschaftswesens rückte in den 1960er-Jahren in den Mittelpunkt. Die Reform des DGB, programmatisch durch ein neues Grundsatzprogramm, organisatorisch mit einer neuen Bundessatzung, erfolgte in der Spannung einzelgewerkschaftlicher Positionierungen. Während sich Brenner der Unabhängigkeit der Gewerkschaften, den Forderungen des DGB-Gründungskongresses 1949 verpflichtet sah, betonte beispielsweise Georg Leber als Vorsitzender der IG Bau-Steine-Erden, dass die Gewerkschaften fest im Staat verankert wirken müssten.
Den mit der Bundestagswahl 1969 einhergehenden Machtwechsel zu einer sozial-liberalen Koalition unter Willy Brandt als Bundeskanzler begrüßte Otto Brenner als Sozialdemokrat natürlich. Mit ein wenig Abstand zum Regierungswechsel erklärte er in seiner Grundsatzrede auf dem 10. ordentlichen Gewerkschaftstag der IG Metall im Herbst 1971:
„Man muss den Fortschritt sehen, der darin liegt, dass wir seit 1969 eine Regierung haben, die im Gegensatz zu ihren Vorgängern die Notwendigkeit gesellschaftlicher Reformen erkannt und zum Programm erhoben hat. […] Die Gewerkschaften werden selbstverständlich das, was sie an Reformen als notwendig und dringlich betrachten, weiterhin mit aller Energie vertreten, unabhängig davon, welche Chancen das Programm der Bundesregierung hat.“
Brenner, gesundheitlich schwer angeschlagen, starb am 15. April 1972. Kurz nach seinem Tod wurde zu seinem Gedenken die Otto-Brenner-Stiftung gegründet.
Hubert Woltering
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Bestände
Der Nachlass Otto Brenners (Umfang: ca. 10 lfm) findet sich im Historischen Archiv der IG Metall, das das Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn bereithält. Hier finden sich u.a. persönliche Unterlagen und Korrespondenz, Manuskripte zu Reden und Vorträgen oder auch Artikel von und über Otto Brenner. Das Material spannt den Bogen über seine Zeit als Politiker der SPD, in Wiederbegründung und Aufbau der Gewerkschaft, als Leiter des IG Metall Bezirks Hannover bis zur Tätigkeit als Vorsitzender der IG Metall.
Der Katalog der Bibliothek der FES verzeichnet über 100 Titel zu und von Otto Brenner. Neben biographischen Arbeiten finden sich auch Publikationen, in denen Briefe und Reden Brenners ediert sind, oder DVDs mit Brenner-Interviews. In der als Volltext angebotenen Zeitschrift „Gewerkschaftliche Monatshefte“ wurden sieben seiner Aufsätze publiziert.
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