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Genossenschaftswesen als Ideal: Helma Steinbach

"Gute Ware zum kleinen Preis! " - die Versorgung der Arbeiterschaft mit den Gütern des täglichen Bedarfs: das war der Leitgedanke des Genossenschaftswesens. Eigene Produktionsstätten und Wohnungsbau kamen hinzu. Helma Steinbach war überzeugte Verfechterin des Genossenschaftsgedankens und eine der Gründer_innen des Hamburger Konsum-, Bau- und Sparvereins "Produktion".

Bild: von "selbst erstellt" lizenziert unter CC BY-SA 4.0 Helma Steinbach, Adolph von Elm und Raphael Ernst May auf einem Wandbild in Ottensen

Charme oder ein einnehmendes Wesen wurden ihr nicht nachgesagt, im Gegenteil: "Sie machte einen verschrobenen Eindruck, war exaltiert und aggressiv wie eine Suffragette." So beschreibt der SPD-Politiker Paul Frölich Helma Steinbach. Ihr Auftreten wurde auch von den Geschlechtsgenossinnen als "unweiblich" empfunden. Aber unbestritten war sie mutig, kämpferisch und offenbar durchsetzungsfähig. An vielen Stationen ihres Lebenswegs war sie die „Einzige“ oder „unter den Ersten“.

Von der Plätterin zur Gewerkschaftsfunktionärin

Helma Steinbach wurde 1847 in Hamburg als Franziska Wilhelmine Steiner in eine verarmte Kaufmannsfamilie hineingeboren und wuchs unter großen Opfern und Entbehrungen auf. Ihre Ehe verlief unglücklich; Helma Steinbach ließ sich schon nach kurzer Zeit scheiden – angesichts der damit verbundenen sozialen Ächtung ein ungewöhnlicher und mutiger Schritt. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie dann als Wirtschafterin, Schneiderin, Plätterin und Vorleserin. In vielen Werkstätten ließen sich die Arbeiter und Arbeiterinnen aus Büchern und Zeitungen vorlesen, um sich politisch zu bilden. Bei dieser Tätigkeit lernte sie den Zigarrenmacher Adolph von Elm kennen. In ihrer Lebenspartnerschaft kämpften sie gemeinsam für die Gewerkschafts- und die Genossenschaftsbewegung. Zuerst aber setzte sich Helma Steinbach für die Arbeiterinnen und für ihre Mitgliedschaft in Partei und Gewerkschaften ein.

So gründete sie 1889 in Hamburg den "Zentralverein der Plätterinnen" und als dessen Vorsitzende nahm sie 1890 an der Gründungskonferenz der "Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands" teil, quasi der Vor-Vorgänger des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Als eine von vier Frauen unter 208 Delegierten nahm sie dann 1892 am Gewerkschaftskongress in Halberstadt teil; ihr Antrag, auch weibliche Mitglieder in die Gewerkschaften aufzunehmen und entsprechend Frauen für die Gewerkschaften zu werben, wurde mit nur einer Gegenstimme angenommen. Damit wurde das Prinzip der gemeinsamen Organisation für Männer und Frauen für die freien Gewerkschaften verbindlich festgelegt; reine Frauengewerkschaften hatten damit ausgedient.

Gegen das kapitalistische System, für die Arbeiterschaft

Helma Steinbach war offenbar eine überzeugende Rednerin; auch auf SPD-Parteitagen ergriff sie als eine von wenigen weiblichen Delegierten das Wort. Als Mitglied der "Agitationskommission" der SPD versuchte sie, Frauen zur Mitgliedschaft und Mitarbeit in der Partei zu überzeugen.

Auch während des Hamburger Hafenarbeiterstreiks 1896/97, einer der größten Arbeitskämpfe im deutschen Kaiserreich, hielt Helma Steinbach engagierte Reden. Ihre Ansprache richtete sich einerseits an bisher nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeiter mit der Aufforderung, in die Gewerkschaft einzutreten. Andererseits wurden auch die Frauen der Streikenden als wichtige "Zielgruppe" erkannt, da sie als moralische Stütze ihrer Männer den Streik mit tragen mussten. In der Folge dieses großen - aber letztlich u.a. wegen der zunehmend desolaten Versorgungslage der Hafenarbeiterfamilien erfolglosen - Streiks entwickelte sich die Idee zur Gründung eines Konsum- und Sparvereins. Auch hier war Helma Steinbach einzige Frau in einem Ausschuss, der die Satzung für eine Konsumgenossenschaft erarbeitete. Die Genossenschaft sollte zu einer verbesserten Versorgung der Arbeiterschaft beitragen und damit deren Widerstandskraft gegenüber dem kapitalistischen Wirtschaftssystem steigern.

Die Größenordnung, in der Helma Steinbach, Adolph von Elm und ihre Mitstreiter diese Genossenschaft planten, erschien vielen Kritikern überdimensioniert. Den Gründern gelang es aber, die Unterstützung der Hamburger Gewerkschaften zu gewinnen, so dass von Elm später erklären konnte, die "Produktion" sei auf Beschluss der Hamburger Gewerkschaften gegründet worden.

"Ideal einer Menschheitserneuerung": die Genossenschaft

Am 24. Januar 1899 fand die konstituierende Versammlung des "Konsum-, Bau- und Sparvereins Produktion" statt, Helma Steinbach wurde Mitglied im Aufsichtsrat und blieb es für annähernd zwei Jahrzehnte. Die "Produktion" entwickelte sich zur Erfolgsgeschichte: 1909 hatte sie rund 35.000 Mitglieder, 1914 bereits 74.328 Mitglieder. Viele Verkaufsstellen wurden eröffnet, eine Kaffeerösterei, eine Schlachterei und eine Großbäckerei wurden in Betrieb genommen. 1905 entstand in Barmbek ein erster Wohnblock mit 254 Wohnungen, sieben Läden und einer Gaststätte; die Kosten von 1.350.000 Mark brachte die "Produktion" aus eigener Kraft auf. In den nächsten Jahren folgten weitere Wohnblocks in anderen Stadtteilen; am Ende ihres 10. Geschäftsjahres besaß die Produktion 44 Wohnhäuser mit 510 Wohnungen.

Nochmals Paul Frölich über Helma Steinbach: "Das Genossenschaftswesen verfocht sie nicht mit dem nüchternen Utilitarismus der gewöhnlichen Propagandisten, sondern leidenschaftlich als das Ideal einer Menschheitserneuerung."

Helma Steinbach stellte sich bis zu ihrem Tod in den Dienst der Genossenschaft. Ihr Hauptanliegen war es, vor allem die Arbeiterfrauen von der Notwendigkeit des konsumgenossenschaftlichen Zusammenschlusses zu überzeugen. 1918 verstarb sie im Alter von 70 Jahren. Ein Straßenname, ein Nachbarschaftszentrum, ein Wandbild und ein Gedenkstein im "Garten der Frauen" in Ohlsdorf halten die Erinnerung an sie zumindest in Hamburg lebendig.


Eine aktuelle Biographie beschreibt ausführlich Leben und Wirken von Helma Steinbach.
In unserem Bibliothekskatalog finden Sie Literatur über die Geschichte der Hamburger Genossenschaftsbewegung.
Eine ausführliche Darstellung finden Sie auf den Internetseiten des Hamburger Genossenschafts-Museums.


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