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„Der Justizmord vollzogen“

Heute vor 90 Jahren, am 23. August 1927, wurden trotz weltweiter Proteste die Anarchisten Ferdinando Sacco und Bartolomeo Vanzetti in Charlestown, Massachusetts, hingerichtet. Der historische "Vorwärts" berichtete ausführlich.

Porträts der Anarchisten Ferdinando Sacco und Bartolomeo Vanzetti

Bild: Sacco e Vanzetti von Public Domain lizenziert unter Public Domain Sacco und Vanzetti fotografiert am 06. Mai 1920, einen Tag nach ihrer Festnahme durch die Polizei.

Das Todesurteil wird vollstreckt - alle Revisionsanträge, neue Zeugenaussagen, die Mobilisierung einer weltweiten Öffentlichkeit und zuletzt ein Gnadengesuch hatten nichts bewirkt. Das am 9. April 1927 verkündete Urteil wird am 23. August vollstreckt: Sacco und Vanzetti werden auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet.

Ferdinando „Nicola“ Sacco und Bartolomeo Vanzetti, zwei aus Italien eingewanderte Arbeiter und Anarchisten, waren der Beteiligung an einem doppelten Raubmord angeklagt und in einem höchst umstrittenen Prozess 1921 schuldig gesprochen worden. Kritiker werfen der Justiz vor, einen letztlich politisch motivierten Prozess geführt zu haben, in dem entlastende Hinweise unzureichend gewürdigt oder sogar unterdrückt worden seien.

Die wirtschaftliche Krise, Streiks, eine erhöhte Kriminalitätsrate, der Schrecken, den die kommunistische Revolution in Russland ausgelöst hatte, prägen die Stimmung in den USA der 20er Jahre. Die politische Linke wird pauschal für die schlechte Lage des Landes verantwortlich gemacht, die Regierungspropaganda schürt die „Rote Angst“ und Angst vor Einwanderern, die womöglich zum Radikalismus neigen. Diese Stimmung liegt auch auf dem Prozess und spiegelt sich in verschiedenen Aussagen des vorsitzenden Richters.

Die lange Zeit, die zwischen dem Schuldspruch der Geschworenen am 14. Juli 1921 und der Urteilsverkündung am 9. April 1927 liegt, erklärt sich durch die vielen Anläufe, die die Verteidigung unternimmt, um den Fall neu zu verhandeln. Nach der Urteilsverkündung gelingt es endlich, eine breite, dann auch bürgerliche oder religiös geprägte Öffentlichkeit zu mobilisieren. Sogar außerhalb der USA finden große Protestkundgebungen und Streiks statt, etwa in Paris, London, Prag und Buenos Aires. Neben dem größtenteils friedlichen Protest kommt es auch zu Bombenattentaten in den USA und auf amerikanische Einrichtungen im Ausland.

Im „Vorwärts“ nimmt die Berichterstattung über den Fall Fahrt auf. Fand der eigentliche Prozess 1921 fast gar keine Erwähnung, so erhöht sich ab Juli 1927 die Schlagzahl: Berichte über das Urteil, den Untersuchungsausschuss, das Gnadengesuch und dessen Ablehnung durch den Gouverneur, über die Demonstrationen und Solidaritätsadressen aus der ganzen Welt, Appelle und Kommentare erscheinen in großem und kleinem Format, auf der Titelseite oder im Beilagenblatt.  Im August liefert der „Vorwärts“ dann täglich Beiträge über den „Justizmord“; sie spiegeln den nervenzehrenden Kampf um das Leben der beiden Anarchisten:

Am 4. August über die Ablehnung eines Gnadengesuchs.

Am 7. August über internationale Proteste und über Bombenanschläge.

Am 10. August über die Ankündigung der Hinrichtung.

Am 11. August über einen erneuten Strafaufschub.

Am 20. August über die letzte Entscheidung.

Am 21. August über die Ablehnung des Aufschubs.

Am 23. August: "Der Justizmord vollzogen!"


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