Die FES wird 100! Mehr erfahren

"Die weibliche/n Geschichte/n der Weimarer Republik – ein Jubiläumsheft zum Beginn der Weimarer Republik 1918/19"

CfA: Ariadne: Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte, Heft 72-73, Bewerbungsfrist 01.07.2017

 

Wer kennt sie nicht – die jungen Frauen der 1920er Jahre mit ihren Bubiköpfen, den Charlestonkleidern und den Zigarettenspitzen, die in den Bars von Berlin oder München tanzen oder in ihrer modern wirkenden Kleidung als die „neuen Angestellten“ zu ihren Arbeitsplätzen an die Schreibmaschinen eilen. Diese Bilder, die ins kollektive Gedächtnis der Nation eingegangen sind, stehen wie kaum ein anderes Bild für den demokratischen Aufbruch Deutschlands in die „Moderne“, nachdem mit dem verlorenen Weltkrieg die alten Zöpfe und die Monarchie gefallen waren. Diese Bilder scheinen aber auch von einer geglückten Frauenemanzipation zu erzählen, die durch die Gleichberechtigung der deutschen Frauen als Staatsbürgerinnen (Einführung des Wahlrechts) einen ersten Höhepunkt erlebt hatte.

 

Liest man dann allerdings in den wissenschaftlichen Standardwerken zur Weimarer Republik, scheint das Geschlecht der handelnden AkteurInnen keine Rolle (mehr) zu spielen, bzw. das Geschlecht verlässt seine angestammten gesellschaftlichen Räume im Politischen und Privaten dann doch nicht. Wenigen Parlamentarierinnen stehen viele Parlamentarier, Regierungsvertreter, Minister und Kanzler gegenüber und die Weimarer Republik garantierte in der Verfassung seinen Frauen auch nur „grundsätzlich die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.“ Der Kampf um den Zugang zur universitären Bildung war zwar schon eine Dekade früher gewonnen, das Ringen um die erste weiblich besetzte Professur oder um die Frage des ersten weiblichen Richters begann dafür aber erst. Zwar ruderten 1919 die meisten Frauen schon in Hosen, aber sollten sie wirklich Wettkämpfe austragen? Natürlich gab es die jungen weiblichen Angestellten, die die neuen Bürojobs bevölkerten, aber nach wie vor galt die Ehe als die eigentliche Arbeit der Frau – auch in der Weimarer Republik.

 

Mit diesem Heft wollen wir – zum Jubiläum der ersten deutschen Demokratie – die verschiedenen weiblichen Lebensmöglichkeiten und -modelle, die es in der Weimarer Republik zum ersten Mal, oder nach wie vor gab, vorstellen und fragen, welche Rolle Frauen im neuen Staat spielten. Dabei ist ein (kollektiv-)biographischer Zugang ebenso möglich wie ein thematischer. Wichtig ist uns, dass möglichst ein umfassendes Bild der Lebensverhältnisse und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abgebildet wird. Wo stecken Beharrung und die Transformation der Geschlechterverhältnisse in der ersten deutschen Demokratie? Nicht nur glamouröse Schauspielerinnen, moderne Angestellte, lebenslustige Flapper oder intellektuelle Literatinnen bevölkerten die „goldenen 20er Jahre“. Nicht nur ernste Politikerinnen oder visionäre Pazifistinnen machten auf sich aufmerksam. Was wird aus dem politischen Auftrag und der Chance von Frauen, das erste Mal passives und aktives Wahlrecht auszuüben? In welchem Selbstverständnis agieren „die“ Frauen? Wächst eine neue Generation von Frauen heran? Wie lässt sich Demokratie lernen, welche Plätze nehmen sich Frauen, welche werden ihnen geboten? Wie gestaltet sich Frauenleben in den Spannungsverhältnissen der Weimarer Republik, die von Konservatismus, Sozialismus und Liberalismus geprägt sind?

 

Folgende Fragen bzw. Themen könnten daher im Zentrum eines Artikels stehen:

- Was und wo arbeiteten Frauen in dieser Zeit? Was passierte mit dem Arbeitsplatz Haushalt oder Fabrik, wo arbeiten die Dienstmädchen und die Fabrikfrauen? Gibt es neue Karrierechancen nun auch außerhalb von Fürsorge und Schule?

- Wie steht es um die soziale Frage? Gab es einen Gender-Pay-Gap in der Weimarer Republik und wenn ja, wie groß war er?

- Welche Position vertraten die Kirchen? Gibt es Katholikinnen oder Protestantinnen mit Bubikopf?

- Wie argumentierten konservative Politikerinnen und Revolutionärinnen ihre gesellschaftliche Rolle, wo sahen sie ihren Platz in der Demokratie?

- Veränderte sich die real gelebte Ehe in dieser Zeit und welche Rolle spielte die Vorstellung von der „Kameradschaftsehe“ wirklich?

- Was geschah mit den Haus- und Landfrauen in dieser Zeit? Welches Wechselverhältnis herrscht zwischen Metropole und Provinz? Wie sahen die 20er Jahre auf dem Dorf aus?

- Welche Rolle spielte die Frauenbewegung – spielte sie überhaupt noch eine?

- Wie wurde mit dem kriegsbedingten Männermangel der Zeit umgegangen – entwickelten sich daraus andere Lebensmöglichkeiten oder Lebenszwänge für allein lebende Frauen mit und ohne Kinder?

- Welche subkulturellen Arrangements und Angebote wurden entwickelt, wie wurde weibliche Homosexualität in dieser Phase hervorgebracht – und wo?

- Gab es neue (politische) Organisationen, die sich explizit an die Frau wandten?

- Welchen Platz nimmt der verlorene Weltkrieg in der Demokratie ein in Person der Witwen und Waisen? Ist dies nur eine Frage der Wohlfahrt oder auch eine des öffentlichen Gedächtnisses?

- Öffnete sich die Parteipolitik tatsächlich für die politisch interessierte Frau? Gab es einen Typus der Politikerin? Wie und wo konnten Frauen kommunal- bis parteipolitisch erfolgreich sein?

- Wie reagierten Politikerinnen und Frauenbewegung auf die eskalierende politische Gewalt in der Republik?

- Welche Rolle spielte Antifeminismus in der Beschränkung der neuen Handlungsspielräume?

- Welche Rolle spielen die alten „Sittlichkeitsfragen“ in der Demokratie? Welche Rolle spielen Debatten um den §218 und um Prostitution?

- Verändert ein neues Warenangebot und eine neue Konsumentenpolitik die Rolle der Haus- und Familienfrau? Steckt hier ein neues Emanzipationsmodell?

- Welches Bild- und Soundgedächtnis von der weiblichen Seite der Weimarer Republik hat sich gebildet und wie gestaltete sich diese Überlieferung?

- Wie gestaltete sich das Verhältnis von „alten“ Frauenrechtlerinnen und den Repräsentatinnen der „neuen“ Frau?

- Wie bewerteten die Repräsentantinnen der alten Frauenbewegung die weiblichen Handlungsspielräume der Weimarer Republik in der Rückschau?

 

Die Zeitschrift »Ariadne – Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte« wird von der Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung herausgegeben und erscheint zwei Mal im Jahr. Im Zentrum der Hefte stehen als Ausgangspunkt immer die (historische) Frauenbewegung des 19. und 20. Jahrhunderts und die mit dieser Bewegung verbundenen Ideen, Theorien und Praxen. Wir freuen uns auf entsprechende Artikelvorschläge. Die einzelnen Beiträge haben i. d. R. einen Umfang von ca. 38.000 Zeichen, d. h. ca. 10-12 Manuskriptseiten. In Ausnahmefällen (zum Beispiel für einen einleitenden Artikel) kann von dieser Maßgabe abgesehen werden. Redaktionsschluss ist der 15. Januar 2018, die Doppelnummer erscheint im Juli 2018. Wenn Sie Interesse an der Abfassung eines Artikels haben, reichen Sie uns bitte bis 1. Juli 2017 ein kurzes Exposé (1-1½ Seiten) ein. Da sich die genaue inhaltliche Gestaltung des Heftes nach den eingehenden Exposés richtet, reichen Sie bitte auch Aufsatzideen ein, die am Rande des Themas zu liegen scheinen.

 

Bitte richten Sie Ihre Anfragen sowie das Exposé bis zum 1.7.2017 an: schibbe@addf-kassel.de

 

 

Ariadne-Redaktionsteam:

Prof. Dr. Sylvia Schraut, Universität der Bundeswehr München, Historisches Institut

Laura Schibbe / Dr. Kerstin Wolff, Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung

 

Kontakt

Laura Schibbe, Stiftung Archiv der deutschen Frauenbewegung, Kassel

schibbe@addf-kassel.de

Veranstalter Archiv der deutschen Frauenbewegung (AddF) - Forschungsinstitut und

www.addf-kassel.de/publikationen/


Friedrich-Ebert-Stiftung
Archiv der sozialen Demokratie

Referat Public History, Netzwerk Demokratie/Geschichte 2018/19

Kontakt
Peter Beule

Godesberger Allee 149
53175 Bonn               

+49 228 883 8076
peter.beule(at)fes.de

www.geschichte-der-sozialdemokratie.de

nach oben