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Kazım, wie schaffen wir das? Reden über das Zusammenleben in Deutschland

Eine Frau mit dunklen Haaren und dunkler Kleidung sitzt hinter einem runden Tisch. Sie lächelt einen Mann an, der rechts neben ihr sitzt und in ein Mikrofon spricht.

Bild: von BayernForum

Vier Personen sitzen hinter zwei runden Tischen auf Stühlen. Davor steht eine Person mit Mikrofon.

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Das Bild zeigt Nuschin Rawanmehr und das Mitglied des Landtags Diana Stachowitz ei einer Podiumsdiskussion.

Bild: von BayernForum

München, 6. Juni 2018. Die Frage, wie ein gutes Zusammenleben in einer Einwanderungsgesellschaft funktionieren kann, dominiert in den letzten Jahren den gesellschaftspolitischen Diskurs. Wie kann ein friedliches und gerechtes Miteinander zwischen den Menschen erreicht werden?

Kazım Erdoğan (Psychologe und Sozialarbeiter) engagiert sich unermüdlich für die Annäherung verschiedener Communities und ein friedliches Miteinander und initiiert mit seinem Verein „Aufbruch Neukölln e. V. “ wegweisende Projekte, wie die erste Selbsthilfegruppe für türkische Männer in Berlin. Sonja Hartwig (Autorin und Reporterin) hat ihn fünf Jahre lang begleitet und las an dem Abend aus ihrem Buch „Kazım, wie schaffen wir das? “. Unter der Moderation von Ellen Diehl (Friedrich-Ebert-Stiftung) diskutierten die beiden mit Diana Stachowitz (MdL, religionspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion) und Nushin Rawanmehr (Vorstandsmitglied MORGEN e. V., Mitglied im Migrationsbeirat der LHM) über das „Ankommen“ in Deutschland.

1974 war es Kazım selbst, der in einem neuen Land ankam. Deutschland, das Land, in dem die Straßen voller Geld sein sollen, sagt man sich in Gökçeharman, dem Geburtsort Kazıms in Zentralanatolien. Die Realität sieht anders aus - wie Kazım am eigenen Leib erfährt. Mit Müh und Not schlägt er sich von München nach Berlin durch und wohnt und arbeitet bei einem türkischen Verwandten. Die Immatrikulationsbescheinigung der Freien Universität Berlin rettet ihn schließlich vor der Abschiebung in die Türkei.

Die erste Wohnung, die erste Miete, die erste Studierendenrunde – ist Kazım angekommen? Für Nushin Rawanmehr ist „Ankommen“ mehr als nur der strukturelle Aspekt. Für sie spielt auch der emotionale Aspekt, also die Sicherheit, Anerkennung und Identität, eine zentrale Rolle. Diana Stachowitz fügt hinzu, dass das „Ankommen“ in einem Land gewisse politische Rahmenbedingungen wie Sprachkurse und gute Wohnräume und vor allem emotionale Perspektiven erfordert. Da stellt sich die Frage: Würden wir gerne in Deutschland ankommen?

Kazım wird die Sehnsucht nach einer Gesellschaft, in der die Herkunft mehr eint als trennt, nicht los. Er gründet die erste Selbsthilfegruppe für Männer und den Verein „Aufbruch Neukölln e. V. “. Anfangs wollte Kazım nur Gast sein, jetzt 40 Jahre später kämpft er für ein besseres Miteinander in Deutschland. Seiner Meinung nach kann man nie hundertprozentig „ankommen“, aber es sei möglich, das „teuflische Dreieck“ – Tradition, Nation und Religion – aktiv zu bekämpfen. Es brauche mehr Kommunikation auf Augenhöhe, ein Wir-Gefühl und ein Miteinander, das nicht nur auf dem Papier besteht. Konkret fordert Kazım beispielsweise einen Migrationsbeauftragten auf Bundesebene, der flächendeckende integrative Maßnahmen fördert. Schließlich haben 23,4 Millionen deutsche Bürger_innen einen Migrationshintergrund.

Die Erfahrungen innerhalb der türkischen Männergruppe machen deutlich: Ein Ankommen von Migrant_innen in einem Land, das nicht ihre Heimat ist, kann oft einhergehen mit einem Gefühl der fehlenden Anerkennung, der fehlenden Identifikation und der Abgrenzung – ihrerseits und seitens der Mehrheitsgesellschaft. Viele sind zerrissen zwischen der alten Heimat - Türkei - und dem neuen Zuhause - Deutschland.

Kazım löst diesen Konflikt, indem er betont: „Wir sind alle Gäste auf dieser Welt!“. Um ein friedliches Miteinander zu schaffen, müssen wir miteinander und nicht aneinander vorbei reden. „Vor allem müssen wir mit Geflüchteten reden“, fordert Kazım Erdoğan. Menschen, die selbst eine Zuwanderungsgeschichte haben, können damit interkulturelle Brücken bauen. Mit einer Kommunikation auf Augenhöhe können wir das, was uns verbindet, stärken und wieder lernen zu differenzieren und somit einer gesellschaftlichen Spaltung entgegenwirken. Nur, weil jemand eine andere Meinung hat, darf die Person nicht automatisch als schlechter Mensch verurteilt werden. Vielleicht kommen wir damit dem Wunsch von Kazım Erdoğan einen großen Schritt näher: Distanz schaffen, zu dem was uns trennt, und durch stetige Kommunikation Nähe herstellen!

Text: Anja Dondl


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