Die historische Presse der deutschen Sozialdemokratie im Deutschen Zeitungsportal

Ende letzten Jahres hat die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) ihr lang erwartetes historisches Zeitungsportal freigeschaltet. Mit dabei sind der „Vorwärts“ bis 1933 und 17 weitere zentrale Titel der sozialdemokratischen Parteipresse aus den Jahren 1865 bis 1940.

Das Angebot digitalisierter historischer Zeitungen, die frei im Internet verfügbar sind und sich häufig im Volltext durchsuchen lassen, hat sich in den letzten Jahren stark vergrößert. Wissenschaft und Forschung, aber auch eine breite, historisch interessierte Öffentlichkeit profitieren zunehmend von den Digitalisierungsinitiativen zahlreicher Bibliotheken, die ein wachsendes, regional ausdifferenziertes Angebot mit sich bringen.

Neben Institutionen wie der Bayerischen Staatsbibliothek, der Staatsbibliothek zu Berlin und den nordrhein-westfälischen Landesbibliotheken mit ihren umfassenden digitalen Zeitungssammlungen hat auch die Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung dazu beigetragen, dass mit den zuvor schwer zugänglichen und häufig kaum erschlossenen historischen Quellen nun unter viel besseren Bedingungen geforscht oder auch nur einfach unmittelbar Geschichte erlebt werden kann. Seit 2017 bieten wir auf unserem Portal „Historische Presse der deutschen Sozialdemokratie online“ eine per Volltextsuche zugängliche Zusammenstellung von mittlerweile 18 zentralen sozialdemokratischen Zeitungstiteln aus den Jahren 1865 bis 1940 einschließlich des historischen „Vorwärts“ an und freuen uns über eine stetige und rege Nutzung dieses digitalen Angebots. Insgesamt haben wir über 300.000 Zeitungsseiten ins Netz gestellt, die sich auf etwa 30.000 Ausgaben verteilen.

Sozialdemokratische Parteipresse als Teil des politischen Spektrums ihrer Zeit

Diese sozialdemokratischen Titel können nun auch innerhalb des viel umfassenderen Zusammenhangs des neu entwickelten Deutschen Zeitungsportals der DDB betrachtet und durchsucht werden. Sie stehen dort neben zeitgleich erschienenen Titeln aus dem gesamten politischen Spektrum ihrer Zeit, so dass vergleichende Analysen des Zeitungsechos auf bestimmte historische Ereignisse möglich werden.

Es ist dabei nicht zu unterschätzen, dass die Parteipresse etwa in der Weimarer Republik eine echte Konkurrenz zu überparteilichen und unabhängigen Titeln darstellte. Der „Vorwärts“ erreichte als sozialdemokratisches Leitmedium in den 1920er Jahren eine Auflage von bis 300.000 Exemplaren und erschien zweimal täglich. Ebenso wie die großen liberalen Blätter der Hauptstadtpresse, die rechtsnationalen Titel des Hugenberg-Konzerns, die regional verankerten „General-Anzeiger“ und die Parteipresse des sonstigen politischen Spektrums hatte er eine bemerkenswert große Leserschaft und beeinflusste so die Sicht seiner Zeitgenoss*innen auf ihre Welt. Je größer und umfassender das Angebot im deutschen Zeitungsportal wird, desto besser lassen sich die unterschiedlichsten politischen Debatten und Konflikte nachvollziehen. Getrieben vom Zwang zur Aktualität unternahmen Zeitungen stets die ersten, noch skizzenhaften und stark von ihrer politischen Ausrichtung beeinflussten Versuche, bestimmte Ereignisse berichtend und interpretierend schriftlich festzuhalten.

Sozialdemokratische Presse nach 1933: Die Saarbrücker „Deutsche Freiheit“ und der Prager „Sozialdemokrat“

Besonders erwähnt seien an dieser Stelle zwei Zeitungstitel, deren Digitalisierung wir im letzten Jahr mit Unterstützung des Programms „Neustart Kultur“ der Staatsministerin für Kultur und Medien verwirklichen konnten. Die „Deutsche Freiheit – einzig unabhängige deutsche Tageszeitung“ (Saarbrücken, 1933-1935) und der „Sozialdemokrat – Zentralorgan der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in der Tschechoslowakischen Republik“ (Prag 1921-1938) haben eine bedeutende Gemeinsamkeit: es sind deutschsprachige sozialdemokratische Tageszeitungen, die während der nationalsozialistischen Diktatur eine Zeit lang außerhalb des Deutschen Reichs erscheinen konnten. Die „Deutsche Freiheit“ konnte bis zur Eingliederung des Saarlands ins Deutsche Reich nach einer Volksabstimmung 1935 publiziert werden, der Prager „Sozialdemokrat“ musste im Zuge der Zerstörung und Besetzung der Ersten Tschechoslowakischen Republik durch Nazi- Deutschland im November 1938 eingestellt werden. In beiden Fällen bedeutete dies politische Verfolgung und Flucht für die Mitarbeiter*innen der Zeitungen. Beide Titel bieten einzigartige Perspektiven auf die politischen Entwicklungen in Europa vor dem Zweiten Weltkrieg.

Voraussetzung für die Integration unserer Sammlung ins Portal war eine aufwändige Datenkonversion, bei der uns die DDB mit großem Engagement unterstützt hat. Hierfür möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken. Wir freuen uns auf ein weiterhin gedeihendes Deutsches Zeitungsportal und hoffen, auch in Zukunft unseren Beitrag dazu leisten zu können.

Olaf Guercke


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