Ferdinand Lasalle

Dieser Beitrag von Prof. Dr. Dieter Dowe erschien 2012 und war Teil des Projekts "Erinnerungsorte der Sozialdemokratie".

Plakat, welches Lasalle mit Schwert und Fahne, welche Sozialdemokratie und Menschenrechte aufgedruckt hat. Vor stilisierter Landschaft

Bild: von Unbekannt

Lasalle-Büste wird auf einer Demonstration verwendet und steht auf einem Wagen.

Bild: von AdsD Lasalle-Büste bei einer Demonstration in Berlin.

Loki legt Kranz am Grab nieder. Beide tragen Wintermäntel. Im Hintergrund sind weitere große Grabsteine zu sehen.

Bild: von AdsD Loki und Helmut Schmidt besuchen Lassalles Grab in Breslau (1984).

Als Sohn eines aufgeklärten jüdischen Kaufmanns in Breslau geboren, wandte sich Ferdinand Lassalle schon früh vom Judentum ab. Entscheidend prägte ihn Hegels idealistische Philosophie, die alle Erscheinungen und Entwicklungen aus Ideen ableitet. Sie beeinflusste auch den sieben Jahre älteren Karl Marx, der sich aber, anders als Lassalle, dem philosophischen Materialismus zuwandte.

Während der Revolution von 1848 kämpfte Lassalle für eine demokratische und soziale Verfassung und trat dabei auch in Verbindung zu Marx und Friedrich Engels. Ihr Verhältnis zueinander wurde frostig, als Lassalle Anfang der 1860er Jahre an die Organisation der Arbeiterbewegung heranging und zu Marx in Konkurrenz trat.

Im Gegensatz zum bürgerlichen Liberalismus wollte Lassalle eine wirklich revolutionsbereite sozialdemokratische Partei mit Hilfe der Arbeiterschaft ins Leben rufen. Dazu musste er den Einfluss der Liberalen auf die entstehenden Arbeiterbildungsvereine ausschalten. Schließlich bot ihm ein in Leipzig gegründetes Zentralkomitee von Arbeitern an, „Führer der ganzen Bewegung“ zu werden.

Mit seinem berühmt gewordenen „Offenen Antwortschreiben“ nahm Lassalle im März 1863 das Angebot an und verlangte die Politisierung der Arbeiter sowie ihre Trennung von den bürgerlichen Liberalen. Mit Hilfe des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts, das an die Stelle des reaktionären preußischen Drei-Klassen-Wahlrechts treten sollte, hoffte Lassalle in kürzester Frist die politische Macht in Preußen zu erringen und den Staat zu demokratisieren. Für diese Stufe der Entwicklung verlangte er als Mittel zur Überwindung des „ehernen Lohngesetzes“, nach dem der Arbeiter nie mehr als das Existenzminimum verdiene, die Bildung von Produktivgenossenschaften mit Staatshilfe, damit der Arbeiter seinen „vollen Arbeitsertrag“ erhalte.

Am 23. Mai 1863 – von der Sozialdemokratie bis heute als ihr Geburtstag gefeiert, obwohl ihre Wurzeln in der 1848er-Revolution liegen – gründete Lassalle in Leipzig den streng zentralistisch aufgebauten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, die erste moderne deutsche Arbeiterpartei.

Die Liberalen bildeten kurz danach eine zweite deutsche Arbeiterorganisation, in der jedoch bald der radikale Flügel um August Bebel und Wilhelm Liebknecht die Oberhand gewann. So war die deutsche Arbeiterbewegung bis zur Vereinigung 1875 in ADAV und Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschlands (SDAP) gespalten. Dennoch brachte Lassalles Agitation vielfältige Früchte. Zwar zählte der ADAV bis zu Lassalles frühem Tod (in Folge eines Duells) nur wenige Tausend eingeschriebene Mitglieder, aber Lassalles propagandistische Erfolge waren umso größer. Nicht nur innerhalb des ADAV, auch in der Konkurrenzorganisation, der SDAP, setzten sich seine wichtigsten Programmpunkte nach und nach durch. So trug er bei der deutschen Arbeiterschaft zu einer Weckung des Klassenbewusstseins bei, und er blieb auch nach der Durchsetzung des Marxismus unter dem ,Sozialistengesetz‘ einer der „Ahnväter“ der politischen deutschen Arbeiterbewegung. Seine Bedeutung für die junge Arbeiterbewegung schlug sich unter anderem in dem nach seinem Tod betriebenen Kult um seine Person nieder. Noch viele Jahre wurden Lassalle-Lieder gesungen und Lassalle-Feiern abgehalten, obwohl etwa Bebel 1873 an Engels schrieb: „Der Lassalle-Kult muss ausgerottet werden.“ Von der kommunistischen Bewegung im 20. Jahrhundert heftig bekämpft, blieben Lassalle und der Lassalleanismus für die Sozialdemokratie aber bis nach dem Zweiten Weltkrieg ein Bezugs- und Orientierungspunkt.


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