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Am 2. Mai diesen Jahres jährt sich die Zerschlagung der Gewerkschaften durch die Nationalsozialisten zum 90. Mal.
„Organisation – nicht Demonstration: das ist die Parole der Stunde!“ Mit diesen Worten gab Theodor Leipart, der Vorsitzende des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), am 31. Januar 1933 die Marschrichtung für die Gewerkschaften vor. Hitler war tags zuvor von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt worden. In dieser, für sie kritischen Lage entschieden die Gewerkschaften, nicht aufzubegehren, in der Hoffnung, organisatorisch die Hitlerzeit zu überleben. Doch nach nur 3 Monaten lag die Gewerkschaftsbewegung in Trümmern. Dem „Tag der nationalen Arbeit“ am 1. Mai 1933 folgte einen Tag später die Erstürmung der Gewerkschaftshäuser und die Inhaftierung zahlreicher Gewerkschafter_innen. Ihr Festhalten an gewerkschaftlichen Prinzipien mussten viele von ihnen teuer mit Leib und Leben bezahlen. An sie zu erinnern und sie zu ehren, dazu sollte das „Goldene Buch der Treue“ dienen.
„Den 1. Mai werden wir zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt. Gleichschaltung auch auf diesem Gebiet.“ (Goebbels, Die Tagebücher, hgg. von Elke Fröhlich, München 1987, S. 408)
Eine perfide Idee, die Propagandaminister Joseph Goebbels am 17. April 1933 in seinem Tagebuch festhielt, war, den 1. Mai, den ureigenen Feier- und Kampftag der Arbeiterbewegung, zu nutzen, um die Arbeiterschaft zu umgarnen und die Gewerkschaften in Sicherheit zu wiegen, um sie dann handstreichartig zu zerschlagen. Die Weisung für die reichsweite Aktion wurde in einem geheimen Rundschreiben ausführlich an alle Gauleitungen der NSDAP herausgegeben. Die Koordination war Aufgabe eines Aktionskomitees unter Robert Ley.
Der 1. Mai 1933 wurde von den Nationalsozialisten als „Tag der nationalen Arbeit“ aufwändig inszeniert. Per Gesetz war er am 11. April 1933 zum Feiertag erklärt worden. Der Bundesvorstand des ADGB wie auch die Vorstände ihm angeschlossener Gewerkschaften hatten sich nach den bitteren Erfahrungen von ersten Besetzungen von Gewerkschaftshäusern, Zeitungsverboten und körperlichen Angriffen den Machtverhältnissen untergeordnet, sogar ihren Mitgliedern die Teilnahme an den Maifeierlichkeiten empfohlen. Der Gruppenzwang in Betrieben tat sein Übriges, so dass viele auch oppositionelle Arbeiter_innen mit der gesamten Betriebsbelegschaft zu den von der NSDAP orchestrierten Maiveranstaltungen marschierten.
Am Vormittag des 2. Mai 1933 fand dann planmäßig um 10 Uhr im gesamten Deutschen Reich die Besetzung gewerkschaftlicher Einrichtungen statt. Diese Gewaltakte erfolgten in unterschiedlicher Ausprägung: Festnahme von Gewerkschaftsbeschäftigten, Beschlagnahme von Geld und Unterlagen oder auch die Verwüstung von Gewerkschaftshäusern. Es kam zu körperlichen Misshandlungen festgesetzter Gewerkschaftsfunktionär_innen. Die NS-Literatur verherrlichte die Zerschlagung der Gewerkschaften, verschwieg jedoch die Gewalt: Es sei „kein Tropfen Blut geflossen“. Doch wurden z. B. in Duisburg vier Gewerkschaftssekretäre „mit Schaufelstielen erschlagen“, später in einem Waldstück in Hünxe bei Dinslaken verscharrt und erst ein Jahr später entdeckt. Auch Karl Fromme kann genannt werden, der als Gewerkschaftssekretär des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV) in Neheim-Hüsten im Sauerland arbeitete.
Ernst König berichtete nach dem Krieg über Frommes Tod:
„Gegen Mitternacht ist die SA wieder erschienen und hat das Haus umstellt. Bei der sogenannten Haussuchung hat man seine Wohnung und das Büro durcheinander geworfen. Dabei hat man den Geldschrank aufgebrochen. […] Als man scheinbar die erwartete Riesensumme nicht gefunden hatte, schrieb die damalige Neheimer Zeitung, dass es in der Kasse des DMV nicht stimme. Einige Tage danach schrieb das gleiche Blättchen, dass die Kasse in Ordnung gewesen sei.Während der Haussuchung soll F. gebeten haben, nochmals in das Schlafzimmer gehen zu dürfen. Zuvor war ihm die Verhaftung angesagt worden. Im Schlafzimmer soll sich Fromme dann mit seiner Pistole erschossen haben. Diese Vision wurde damals von vielen angezweifelt und auch heute noch. Wenn sich bewahrheitet, dass F. sich selbst entleibt hat, dann ist es nur auf die vorhergegangenen Androhungen zurückzuführen.“ (Quelle: DGB-Archiv im AdsD, 5/DGAI003926)
„Gegen Mitternacht ist die SA wieder erschienen und hat das Haus umstellt. Bei der sogenannten Haussuchung hat man seine Wohnung und das Büro durcheinander geworfen. Dabei hat man den Geldschrank aufgebrochen. […] Als man scheinbar die erwartete Riesensumme nicht gefunden hatte, schrieb die damalige Neheimer Zeitung, dass es in der Kasse des DMV nicht stimme. Einige Tage danach schrieb das gleiche Blättchen, dass die Kasse in Ordnung gewesen sei.
Während der Haussuchung soll F. gebeten haben, nochmals in das Schlafzimmer gehen zu dürfen. Zuvor war ihm die Verhaftung angesagt worden. Im Schlafzimmer soll sich Fromme dann mit seiner Pistole erschossen haben. Diese Vision wurde damals von vielen angezweifelt und auch heute noch. Wenn sich bewahrheitet, dass F. sich selbst entleibt hat, dann ist es nur auf die vorhergegangenen Androhungen zurückzuführen.“ (Quelle: DGB-Archiv im AdsD, 5/DGAI003926)
Nach der Zerschlagung der Gewerkschaften konnte es unter den Bedingungen des NS-Terrorregimes bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 keine gewerkschaftliche Arbeit, keinen offenen Widerstand geben. Allerdings bildeten sich im Ausland gewerkschaftliche Exil-Gruppen, die die konspirativ operierende Widerstandsaktivist_innen unterstützten. Es waren Tausende, die sich in unterschiedlichster Form dem Nazi-Regime widersetzen – und dabei auch ihr Leben riskierten. Erinnert sei hier vor allem an Wilhelm Leuschner, bis 1933 Mitglied im Bundesvorstand des ADGB und hessischer Innenminister (SPD), der nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 auf Hitler zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.
Nach Kriegsende 1945 erfolgte der Neuaufbau der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Am 20. Juli 1964, also genau 20 Jahre nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler, beschloss der Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ein „Goldenes Buch der Treue“ zu erstellen, das „die Namen aller Gewerkschaftsmitglieder enthalten soll, die im Dritten Reich durch die nationalsozialistische Verfolgung für ihre Treue zu den Idealen der unabhängigen Gewerkschaften ihr Leben lassen mußten.“
Etwa ein Jahr nach dem Aufruf, der über Gewerkschafts- und allgemeine Presseorgane sowie Schreiben an die gewerkschaftlichen Regionalorganisationen verteilt worden war, kamen 666 Namen zusammen, die durch 34 DGB-Kreise und DGB-Landesbezirke, 8 Gewerkschaften und Industriegewerkschaften sowie 39 Verbände, Parteien und Einzelpersonen zugeliefert worden waren. Oft wurden nicht nur die gewünschten Informationen (d.h. Name, Gewerkschaft, Wohnort, Lager/ Gefängnis, Geburts- und Todestag) zugeliefert, sondern vielfach auch die Verfolgungsgeschichten der Opfer erzählt. Neben den biographischen Informationen bieten die Kurzberichte auch Einblicke in die Gegebenheiten jener Tage (z. B. die Versenkung der Mitgliederkarteien von Reichsbanner und SPD aus Kleve im Rhein).
Mit der Anlage des „Goldenen Buchs der Treue“ wurde begonnen, das Projekt jedoch nie abgeschlossen. Das unvollendete Buch (Format: 39 cm mal 38 cm mal 9 cm) befindet sich im DGB-Archiv im Archiv der sozialen Demokratie ebenso wie die im Rahmen des Buch-Projektes zugesandten Berichte. So ist sichergestellt, dass das Handeln vieler mutiger Frauen und Männer nicht vergessen wird.
Hubert Woltering
Weitere Literaturempfehlung:
Der DGB veröffentlichte 2022 in Kooperation mit dem AdsD die Publikation „In die Illegalität gedrängt. Zur Flucht gezwungen. Ermordet. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter unter nationalsozialistischer Herrschaft“. Neben einem Aufsatz von Michael Schneider finden sich dort eine Vielzahl von Kurzbiographien verfolgter Gewerkschafter_innen. Die Publikation findet man digital unter: https://library.fes.de/pdf-files/adsd/19424-20221103.pdf
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