Diese Webseite verwendet Cookies
Diese Cookies sind notwendig
Daten zur Verbesserung der Webseite durch Tracking (Matomo).
Das sind Cookies die von externen Seiten und Diensten kommen z.B. von Youtube oder Vimeo.
Geben Sie hier Ihren Nutzernamen oder Ihre E-Mail-Adresse sowie Ihr Passwort ein, um sich auf der Website anzumelden.
Ansprechpartner
PD Dr. Stefan Müller
0228 883-8068
Stefan.Mueller(at)fes.de
Abteilung
Archiv der sozialen Demokratie
Im Sommer 1954 wurde der „Verlag Neue Gesellschaft“ gegründet, um der neuen sozialdemokratischen Theoriezeitschrift „Die Neue Gesellschaft“ eine verlegerische Heimstatt zu bieten. Bis 1989 entwickelte er sich zu einem einflussreichen Forum, in dem zukunftsweisende Fragen sozialer Demokratie debattiert wurden. Aus Anlass des runden Jubiläums rekapitulieren wir seine Geschichte, die eng mit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) verbunden ist.
„Die Diskussion darf nicht abreißen, sie muss vertieft werden und sie muss öffentlich geführt werden.“ Mit diesen diskursbejahenden Worten, gleichsam ein bildungspolitisches Statement, verkündete Willi Eichler auf dem SPD-Parteitag in Berlin 1954 den Start der Zeitschrift „Die Neue Gesellschaft“. Sie diene „der Diskussion grundsätzlicher Fragen von aktueller Bedeutung und zugleich der Bildungsarbeit“, wie bereits ein Parteitagsbeschluss anno 1952 deren Programmatik in Anknüpfung an historische Vorbilder umrissen hatte. Bemerkenswert ist, dass öffentlich und über die Grenzen der Partei hinaus debattiert werden sollte: „Wir müssen unser Tor nicht nur organisatorisch, sondern vor allem auch geistig öffnen“ – wie Eichler in der bereits zitierten Rede auf dem Berliner Parteitag der SPD im Juli 1954 proklamierte. Dieses ambitionierte Vorhaben erforderte jedoch eine geeignete Infrastruktur. Man wählte Bielefeld – „die ‚heimliche sozialdemokratische Hauptstadt‘ Nordrhein-Westfalens“ (hier und im Folgenden: Rüdiger Zimmermann: Der Verlag Neue Gesellschaft und seine Bücher 1954–1989, Bonn 2009, S. 13) – als Erscheinungsort für das neue Blatt, boten doch Ort und Region mit ihren ertragreichen wie renommierten sozialdemokratischen Presseunternehmen geeignete Anknüpfungspunkte für den im Sommer 1954 neu gegründeten Bielefelder „Verlag Neue Gesellschaft“. In den Anfangsjahren erschien hier neben der Theoriezeitschrift „Neue Gesellschaft“ noch die sozialdemokratische Monatsschrift für Nordrhein-Westfalen „Demokratischer Aufbau“ (seit 1965 unter dem Titel „Vorn“).
Erste Meriten im Geschäft mit Eigenpublikationen erlangte der Verlag 1961, als die von den beiden Nationalsozialismusexperten Werner Jochmann und Hans-Adolf Jacobsen herausgegebenen „Ausgewählten Dokumente zur Geschichte des Nationalsozialismus“ erschienen: „Das Erstlingswerk gehörte ohne Zweifel zu den besten Quelleneditionen jener Zeit.“ (S. 15) Jedoch ereilten den Verlag in der Folge auch wirtschaftliche Probleme, ein Schicksal, das viele (nicht nur) sozialdemokratische Zeitungsunternehmungen in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre traf: Der Einbruch des Anzeigenmarkts beraubte die Verlage einer ihrer wichtigsten Einnahmequellen. Zugleich war man mit weltweit steigenden Rohstoffpreisen für Papier konfrontiert. Obendrein führte ein Mentalitätswandel in der bundesrepublikanischen Nachkriegsgesellschaft weg von ambitionierter politisch-agitatorischer Publizistik hin zum rasanten Aufstieg des Boulevardjournalismus.
In dieser herausfordernden Situation wurde erwogen, dem Verlag Neue Gesellschaft unter dem Dach der FES eine neue Heimstatt zu geben und das Verlagsprogramm zu erweitern. Am 3. Dezember 1968 erwarb die FES den Verlag. Der Firmensitz wurde von Bielefeld nach Bonn verlegt. Mit dieser Integration in den Stiftungskörper besaß die FES nunmehr einen hauseigenen Verlag, der es ihr ermöglichte, „das breite und differenzierte Publikationsspektrum der expandierenden politischen Stiftung“ (S. 8) zu vereinen und in Eigenregie zu lancieren. Das eröffnete der Stiftung ganz neue Möglichkeiten, sich auf dem Gebiet gesellschaftspolitischer Diskussion respektive historisch-politischer Bildungsarbeit zu positionieren. Mit der nahezu zeitgleichen Gründung des Archivs der sozialen Demokratie 1969 entstand in Bonn ein „große[s] intellektuelle[s] Zentrum[]“, ein Ort, an „dem die Sozialdemokratie sich (im engen Bündnis mit den Gewerkschaften) offensiv zu ihrer Geschichte bekennen und selbstbewusst ihre innovativen Vorstellungen von Politik und Gesellschaft vertreten konnte.“ (S. 9) Die verlegten Publikationen spiegeln dieses Unterfangen eindrucksvoll wider: „Die Konturen des Verlagsprogramms zeichneten sich bereits nach zwei Jahren deutlich ab: wissenschaftliche Veröffentlichungen der Stiftung, populärwissenschaftliche Publikationen für die politische Bildung, programmatische Dokumente zur Theorie und Praxis der deutschen und internationalen Sozialdemokratie.“ (S. 25) Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auch auf Reprints von Socialistica gelegt. In Kooperation „mit dem renommierten Reprint-Verlag Detlev Auvermann KG […] erschienen alle sozialdemokratischen Parteitagsprotokolle von 1869 bis 1887 [in zwei Bänden].“ (S. 26). Eine zusätzliche Erweiterung erfuhr das Verlagsprogramm, als 1971/72 beschlossen wurde, dass die bis dato im Hannoveraner Verlag für Literatur und Zeitgeschehen vertriebenen Schriften der FES vom Verlag Neue Gesellschaft übernommen werden sollten. In dieser Zeit wurde auch der sozialdemokratische Traditionsverlag J.H.W. Dietz Nachf., der nach dem Krieg neu gegründet worden war, in den Aufgabenbereich der FES überführt: „Der junge Verlag Neue Gesellschaft übernahm im November 1972 den Traditionsverlag mit dem großen Namen, der seit 1881 publizierte. […] Beide Verlage […] arbeiteten seit Herbst 1973 in einer Bürogemeinschaft.“ (S. 27f.)
Aus arbeitsökonomischen Erwägungen heraus wurden die beiden Verlage 1988 schließlich fusioniert, wobei „alle Verlagsrechte des Verlages Neue Gesellschaft […] auf den Verlag J.H.W. Dietz Nachf. [übergingen].“ (S. 29) Was bleibt? In der Geschichte des Verlags Neue Gesellschaft und seinen Publikationen spiegelt sich nicht weniger als die Ideengeschichte der deutschen (und in Abstrichen sogar der internationalen) sozialen Demokratie der Nachkriegsepoche. Die insgesamt 570 Titel des Verlagsprogramms, die zwischen 1954 und 1988 erschienen, ihre thematische Reichhaltigkeit und analytische Schärfe zeugen vom intellektuellen Niveau, auf dem sich der gesellschaftspolitische Diskurs rund um drängende Fragen der Zeit aus dezidiert sozialdemokratischer Perspektive bewegte. Einige dieser Titel stellen wir abschließend in Form einer Bilderstrecke vor.
Christian Maiwald
Zum Weiterlesen:
Alle Zitate dieses Artikels sowie die Bilder der begleitenden Fotostrecke (mitsamt Annotationen des Verfassers) sind entnommen aus dem Grundlagenwerk des ehemaligen Leiters der FES-Bibliothek, Dr. Rüdiger Zimmermann: Der Verlag Neue Gesellschaft und seine Bücher 1954–1989, Bonn: Verlag J.H.W. Dietz Nachf. 2009. Neben einer thematischen Einführung zur Verlagsgeschichte findet sich eine vollständige bibliografische Auflistung aller im Verlag Neue Gesellschaft erschienenen Titel. Das Werk ist beim Dietz-Verlag erhältlich bzw. findet sich in der Bibliothek im AdsD der FES.
Manuel Campos berichtet von seinem Weg aus Portugal nach Deutschland, den Erfahrungen von Migrant:innen in der Bundesrepublik seit den 1970er-Jahren und seinem Engagement in der IG Metall.
Das AdsD hat kürzlich den Teilnachlass Elfriede Eilers erschlossen. Aus diesem Anlass widmen wir uns in unserem aktuellen Blogbeitrag der sozialdemokratischen Politikerin und dem bei uns verwahrten Bestand.
Die Erfahrungen im Umgang mit den Republikanern zeigen, warum es in liberalen Demokratien so schwierig ist, rechtsextreme Parteien zu beobachten und zu verbieten. Der Historiker Moritz Fischer argumentiert in einem Gastbeitrag, warum die Bewertung durch den Verfassungsschutz oft ein Teil des Problems ist.