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Feminismus. Macht. Demokratie.

Das österreichische Frauenvolksbegehren hat die Chancen und Grenzen für feministischen, rechtspolitischen Aktivismus ausgelotet. Christian Berger schreibt über politischen Feminismus und die Repolitisierung von Geschlechter- und Lebensverhältnissen.

Bild: Christian Berger / Foto von: Dewald

Bild: von Parlamentsdirektion / JANTZEN

Bild: von Parlamentsdirektion / JANTZEN Das Frauenvolksbegehren wurde im Gleichbehandlungsausschuss des österreichischen Parlaments behandelt.

Die österreichische direktdemokratische Initiative „Frauenvolksbegehren“ hat im Jahr 2018 nicht nur die Unterschriften einer halben Million Menschen sammeln können, Deutungsmacht und politisches Gewicht erlangt, sondern darüber hinaus eine Generation junger Frauen und Männer mobilisiert und politisiert. Und das ausschließlich spendenfinanziert und von politischen Parteien unabhängig. Getragen wurde die Initiative von bestehenden Netzwerken und neu gegründeten Gruppen in ganz Österreich, in denen sich viele Frauen und einige Männern mit ganz unterschiedlichen sozialen Hintergründen und Lebenssituationen engagieren. Es war nicht immer leicht. Es gab wenig Budget und viel Kritik und Häme. Dennoch hat es funktioniert – mit persönlicher und politischer Hingabe, Sorge umeinander, Solidarität untereinander, Tränen und Leidenschaft.

Globale Trends und feministischer Widerstand

Das Frauenvolksbegehren hat der österreichischen Medien- und Politiklandschaft gezeigt, was lebendige Demokratie bedeutet. Es hat auch gezeigt, dass es mehr parlamentarische und außerparlamentarische feministische Gegenmacht zu den aktuellen Entwicklungen braucht. Es wurde initiiert, als die #MeToo-Debatte losbrach und neue, mit Rechtsextremismus und -populismus verbundene Formen des subtilen bis plakativen Sexismus alltäglich wurden. Wir erleben schließlich nicht nur in den USA, Ungarn oder Polen, sondern auch in Österreich und Deutschland nationalistische und autoritäre Verschiebungen, die männlich geprägt sind, traditionelle Geschlechter- und Familienbilder propagieren, feministische Forschung delegitimieren und Frauenrechte in Frage stellen. Gegen diesen destruktiven globalen Trend, der sich in der Verschärfung politökonomischer Ungleichheiten und der Universalisierung von Konkurrenzprinzipien ausdrückt, formiert sich ein breiter feministischer Widerstand. Das Frauenvolksbegehren ist ein Teil davon. Auf institutioneller Ebene haben Vertreter_innen des Frauenvolksbegehrens beispielsweise im Europaparlament zur Verabschiedung einer Resolution gegen diesen Backlash beigetragen.

Rethematisierung von Geschlechterverhältnissen

Gegen diese Entwicklungen braucht es jedoch zusätzlich möglichst breite, zivilgesellschaftliche Allianzen. Allianzen all derjenigen, die unter dem Patriarchat leiden. Dafür braucht es Wissens- und Erfahrungsaustausch, um Bewusstsein für die strukturelle Dimension von Unterdrückung zu schaffen und ein kritisches Verhältnis zu internalisierten Stereotypen aufzubauen. Die Herausforderung besteht darin, Traditionen und Identitäten in Frage zu stellen und Gesellschafts- und Lebensverhältnisse zu repolitisieren.

Den Forderungen des Frauenvolksbegehren gingen daher unzählige Gespräche mit von Armut, Diskriminierung und Gewalt betroffenen Frauen voraus; Erkenntnisse aus Studien, Expertisen von Wissenschaftler_innen und das Wissen von Expert_innen aus Frauenvereinen, Frauenhäusern und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen wurden abgeglichen und in einem politischen Programm verschränkt. Der Zugang war in diesem Sinne „grounded“, anknüpfend an Erfahrungen der Ungleichheit und erlittene Verletzungen; interdisziplinär, intersektional und konkret.

Feminismus mit politischem Anspruch

Das Frauenvolksbegehren hat einen explizit rechtspolitischen Anspruch. Um Frauenrechte – Menschenrechte – zu schützen und patriarchale Herrschaft abzubauen, bedarf es einer Vielzahl sozialer und kultureller Veränderungen, aber auch rechtlicher Maßnahmen. Insofern sollten sich Feminist_innen nicht scheuen, politische Macht zu beanspruchen. Das ist – unabhängig von einer unmittelbaren Umsetzung der Forderungen durch die rechtskonservative österreichische Bundesregierung – gelungen; das Frauenvolksbegehren konnte den Diskurs innerhalb und außerhalb des Parlaments verschieben und ist mittlerweile eine gesellschaftliche Gegenmacht.

Für eine geschlechtergerechte Zukunft

Die Forderungen des Frauenvolksbegehrens nach einer Geschlechterquote für Privatwirtschaft, Interessenvertretungen und alle politischen Ebenen, einer generellen Arbeitszeitverkürzung, Gehaltstransparenz und einem strukturellen Abbau von Entgeltdiskriminierung, Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbruch „auf Krankenschein“, einer wirksamen Gewaltprävention und einem nachhaltig finanzierten Gewaltschutz sowie der ausdrücklichen gesetzlichen Verankerung von frauen- und geschlechtsspezifischen Fluchtgründen sind keine Versuche der Angleichung an prototypisch-männliche Normen. Sie sollen dazu beitragen, dass die Rechte von Frauen und Minderheiten ernst genommen und unterschiedliche Erfahrungen und Lebensrealitäten als gleichwertig anerkannt werden – mit dem radikalen Ziel einer „menschlichen Zukunft ohne Rollenzwänge und Gewaltverhältnisse“ (Johanna Dohnal), einer Zukunft der Geschlechtergerechtigkeit, in der alle gleiche Bedingungen und Teilhabemöglichkeiten vorfinden, um sich so unterschiedlich entwickeln zu können, wie sie wollen.

Christian Berger ist Referent in der Abteilung Wirtschaftspolitik in der Arbeiterkammer (Österreich), Mitgründer des Forums kritischer Jurist_innen, leitender Redakteur der Institutszeitschrift Politix und Sprecher des Frauenvolksbegehrens. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Feministische Rechtswissenschaft, Gleichstellungsrecht und -politik und Feministische Ökonomie.


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