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COP26: Indiens Netto-Null-Ziel sorgt für Aufregung

Am Abend des 1. November 2021 stand Indien in Glasgow im Rampenlicht: Das Land gab erstmals bekannt, bis 2070 klimaneutral werden zu wollen. Damit haben nun alle großen Volkswirtschaften Netto-Null-Emissionsziele formuliert. Um sein Ziel zu erreichen, hat Indien bereits einige große Infrastrukturprojekte für erneuerbare Energien auf den Weg gebracht.

 

von Monika Mondal (Twitter: @akinom_ladnom)

Mit seinem 2070-Ziel nimmt Indien sich vor, die Klimaneutralität 20 Jahre später als Großbritannien, die USA und andere einkommensstarke Länder zu erreichen und 10 Jahre später als China, Russland und Saudi-Arabien.

Nach Meinung von Experten wie Gagan Sindhu, dem Direktor des Center for Energy, Environment and Water, Centre for Energy Finance (CEEW-CEF), haben „viele nicht damit gerechnet, dass Herr Modi überhaupt ein Netto-Null-Ziel ankündigt“. Wenige Tage vor der COP26 unterzeichnete Indien zusammen mit 24 anderen Ländern eine Erklärung, in der die von den Industrieländern geforderte Verpflichtung zu Netto-Null bis 2050 als unfair und ungerecht kritisiert wird.

Berichten zufolge ist Indiens Ziel, bis 2070 den Kohlenstoffausstoß auf null zu senken, ein wichtiger Schritt zu einer nachhaltigen Entwicklung. Allerdings bedeutet es auch, dass das Land in Zukunft einen hohen Bedarf an erneuerbaren Energien haben wird. Indien ist der viertgrößte Kohlenstoffemittent nach China, den USA und der EU. Beim Pro-Kopf-CO2-Ausstoß schneidet Indien mit einer Bevölkerung von 1,38 Milliarden Einwohnern mit 1,9 Tonnen pro Jahr hingegen wesentlich besser ab als Großbritannien (5,5 Tonnen) und die USA (16 Tonnen).

Die Details zu den indischen Zielen müssen noch ausgearbeitet werden. Premierminister Modi hat einen Aktionsplan namens „Panchamrit“ vorgestellt, der fünf Maßnahmen beinhaltet, mit denen bis 2030 bestimmte ökologische Ziele verwirklicht werden sollen: So will Indien bis dahin die nicht-fossile Energiekapazität auf 500 Gigawatt erhöhen, seinen Bedarf zur Hälfte mit erneuerbaren Energien decken, die Kohlenstoffemissionen um eine Milliarde Tonnen reduzieren, die CO2-Intensität um 45 Prozent verringern und bis 2070 das Netto-Null-Ziel erreichen.

Allein schon um die Zielvorgabe für 2030 zu erreichen, muss Indien seine bisherige Kapazität an erneuerbaren Energien vervierfachen. Einige Fragen sind allerdings noch ungelöst - zum Beispiel die Frage, wie das Land sich den Ausstieg aus der Kohleförderung vorstellt.

Projekte für erneuerbare Energien

Neben der Ankündigung von Netto-Null macht Indien sich an den Aufbau einiger Infrastrukturen, die das Land in Zukunft benötigen wird.

Auf dem COP26-Gipfel forderte Premierminister Modi einen 1-Billion-Dollar-Fonds für die Entwicklungsländer, um die Klimakrise zu bekämpfen, und betonte: „Wir sollten Druck auf die Länder ausüben, die nicht in der Lage sind, ihren Zusagen nachzukommen.“

Modi hat außerdem einige grenzüberschreitende Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien in die Wege geleitet wie zum Beispiel das Solarinfrastrukturprojekt „Green Grids Initiative – One Sun One World One Grid“ (GG-OSOWOG), das helfen soll, einen globalen solarbasierten Stromverbund aufzubauen. Nach offiziellen Verlautbarungen soll dieses Netz Ländern ermöglichen, sich an eine gemeinsame Stromerzeugungsquelle anzuschließen, und durch die Einspeisung zusätzlicher Sonnenenergie in ein Solarnetz dafür sorgen, dass man künftig für die Gewinnung von Solarenergie weniger stark auf die Sonneneinstrahlung angewiesen ist. Nach diesem Plan, den 80 Länder unterstützen, könnte überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien in unterversorgte Gebiete geleitet werden.

Gagan Sindhu befürwortet diese Entwicklung: „Ähnliche Lösungen gibt es auch in kleinerem Maßstab“. Ein Beispiel ist das Projekt Viking (sea) Link, das Großbritannien und Dänemark ermöglichen wird, aus Windkraft erzeugten Strom über ein 760 km langes unter dem Meer verlaufendes Übertragungsnetz gemeinsam zu nutzen.

Nach Einschätzung von Gerhard Salge, dem stellvertretenden Geschäftsführer und Chief Technology Officer des Technologieunternehmens Hitachi Energy, werden die Neuigkeiten aus Indien von anderen Ländern sehr positiv aufgenommen: „Modis Ankündigung passt perfekt zur Zukunftsvision der Unternehmen. Solche grenzüberschreitenden Kooperationen kommen nicht nur Indien zugute, sondern tragen auch zu einer schnelleren Technologieentwicklung bei.“

Nach Sindhus Überzeugung sind diese Infrastrukturprojekte deshalb erfolgversprechend, weil die Klimakrise selbst ein globales Problem ist: „Wenn man Probleme von solchem Ausmaß angehen will, sind grenzüberschreitende Lösungen nur folgerichtig.“

Zu den geplanten Infrastrukturinvestitionen gehört auch, dass die indische Raumfahrtbehörde Indian Space Research Organisation (ISRO) Satellitendaten und Vorhersagen für kleine Inselstaaten erstellen und weiterleiten wird, damit diese Länder sich besser auf klimabedingte Katastrophen vorbereiten können.

Zusätzlich hat das Land die Initiative „Infrastructure for Resilient Island States“ (IRIS) gestartet, die darauf abzielt, nachhaltige Infrastrukturen zu fördern, die gegen Klimaschocks gewappnet sind, und damit Leben und Lebensgrundlagen besser schützen zu können. IRIS ist das erste umfassende von Indien initiierte Programm im Rahmen der vor zwei Jahren gegründeten internationalen Partnerschaft „Coalition of Disaster Resilience Infrastructure“.

„Kein Land – und sei es noch so groß oder wohlhabend – kann sich gegen die Umweltkrise abschottenoder sie allein lösen“, meint Gagan Sindhu. „Und wenn man eindrucksvoll beweist, dass man in Sachen Klimaschutz eine internationale Führungsrolle zu übernehmen bereit ist, kann dies auch in anderen Bereichen von Vorteil sein.“

Aus dem Englischen von Christine Hardung

 

Monika Mondal ist eine unabhängige Umweltjournalistin aus Indien. Wenn sie nicht gerade isst, liest oder schreibt, ist sie auf der Suche nach Weggeworfenem für ihre Upcycling-Projekte. Sie lebt minimalistisch, spricht Hindi und Englisch und versucht sich seit zwei Jahren an Spanisch und Italienisch, bisher mit mäßigem Erfolg.


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