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Nach Jahren sinkender Zustimmungswerte nimmt das Vertrauen in die Europäische Union langsam wieder zu. Insbesondere Europas Jugend scheint der Vielzahl der europäischen Krisen zu trotzen.
Bild: Schüler Demo April 2009 von Cha già José lizenziert unter CC BY-SA 2.0
Jahrzehntelang wurde die Weiterentwicklung der EU von einem ‚stillschweigenden Konsens‘ (permissive consensus) getragen. Doch spätestens mit dem Ausbruch der Eurokrise 2009 ist der Nutzen der EU für viele nicht länger eindeutig. Die EU wurde als (Mit-) Verursacher wahrgenommen, die Zustimmungswerte erodierten. 2013 notierte das PEW-Meinungsforschungsinstitut nur noch 45 Prozent Zustimmung im europäischen Durchschnitt.
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der letzten Monate wächst auch das Vertrauen in die EU langsam wieder. Dabei macht eine Gesellschaftsgruppe besonders Hoffnung: Die europäische Jugend. Konfrontiert mit grassierender Jugendarbeitslosigkeit und fehlenden Zukunftsperspektiven galt die junge Generation als Krisenverlierer Nummer eins. Europa war im Begriff seine Zukunft zu verspielen. Umso erfreulicher sind die jüngst von der Bertelsmann-Stiftung dokumentierten Zustimmungswerte von bis zu 87 Prozent unter (mitteleuropäischen) Jugendlichen. Auch die neuesten Eurobarometer-Daten zeigen, dass das EU-Bild europaweit bei den 15 – 24jährigen am positivsten ist. Bei den Brexit-Abstimmungen votierten drei Viertel der unter 25-Jährigen für remain und auch bei den Demonstrationen des ‚Pulse of Europe‘ prägen vor allem junge Menschen das Bild. Der aufkeimende Europa-Optimismus der Jugend ist ein starkes Signal zum 60. Geburtstag der EU!
Stehen also die Älteren mit ihrem bornierten Nationalismus einer jugendlichen ‚EU-phorie‘ gegenüber? So einfach ist es natürlich nicht und vor allem keinesfalls europaweit einheitlich. So stellte der Front National bei den jüngeren Wähler_innen (18-35) zweitstärkste Kraft. Bei der jüngsten Gruppe der 18-24jährigen konnte mit Mélenchon ein Kandidat mehr Stimmen auf sich ziehen, der der EU ähnlich kritisch gegenüber steht – wenn auch aus anderen Gründen als Le Pen. Dieses widersprüchliche Bild ist Grund genug die aktuell steigenden Zustimmungswerte in der jungen Bevölkerung nicht als Automatismus zu betrachten, sondern weiter mit Jugendlichen das Gespräch über Gegenwart und Zukunft Europas zu suchen. Und nach den Gründen für die durchaus diverse Gemengelage in den Mitgliedsländern zu suchen.
„Wozu ist die EU gut?“ lautete die zentrale Fragestellung am 17. März 2017 in der Realschule Obertraubling. Vermittelt vom Regionalbüro der FES in Regensburg war der bayrische SPD-Europaabgeordnete Ismail Ertug zu Gast um mit den circa 100 Zehntklässler_innen über die EU zu sprechen. Ertug betonte die mit der europäischen Integration verbundenen Errungenschaften Frieden, Demokratie, Freiheit und Gleichberechtigung, die für uns mittlerweile selbstverständlich seien, die aber immer wieder in Vereinen und in der Schule durch das eigene Engagement neu gelebt werden müssten. In der Fragerunde ging es neben dem großen Thema Zukunft der EU, auch um Jugendaustausch, europaweite Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten und um praktische Themen wie den EU-Führerschein.
In einer anschließenden Umfrage bewerteten die Jugendlichen die EU durchweg positiv, wenn auch nicht überschwänglich. Frieden, Demokratie, einheitliche Standards und die offenen Grenzen wurden besonders gelobt. Bedauerlich, dass sich diese Jugendliche wohl nicht über die Umsetzung der guten Idee eines kostenlosen Interrail-Tickets zum 18. Geburtstag freuen dürfen. Neben Lob und Sympathiebekundungen gab es berechtigte Kritik, die mitunter auf den Kern der derzeitigen Krisensituation zielte. So kritisierte die 16-jährige Karolin die fehlende Einigkeit der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine gemeinsame Flüchtlingspolitik und Michael (15) monierte die „lange Entscheidungsdauer für neue Gesetze“. Auch der Austritt Großbritanniens und die Überproduktion in der europäischen Lebensmittelindustrie wurden thematisiert.
Die Diskussion mit Ismail Ertug und die Ergebnisse der Umfrage machen Hoffnung: Den Jugendlichen ist sehr bewusst, wozu die EU gut ist und warum sie gebraucht wird. Gleichzeitig und keineswegs naiv decken sie Probleme auf und weisen auf den Handlungsbedarf hin. Genau diesen informierten und kritischen Optimismus braucht die Zukunft Europas. Nun muss geliefert werden: Für die Zukunftsperspektiven der vor allem in Südeuropa als Generation Krise bezeichneten Jugend braucht es noch immer massive Investitionen und den Ausbau einer europäischen Säule sozialer Rechte, inklusive einer europäischen Arbeitslosenversicherung. Die EU darf die Hoffnung der europäischen Jugend nicht noch einmal enttäuschen.
Ansprechpartner in der Stiftung:
Harald Zintl
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