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An einem hat es der Europäischen Union nie gemangelt - an großen Worten. Die „Erklärung von Bratislava“ zeigt aber auch: Das reicht nicht.
Bild: BREXIT von Paul Frankenstein lizenziert unter CC BY-NC 2.0
Eine leichte Aufgabe war es nicht, vor der Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Bratislava stand. In seiner Rede zur Lage der Union sollte er Mut vermitteln ohne die Probleme der Union zu beschönigen, sollte Zusammenhalt stiften in Zeiten von Brexit und politischer Krisen um die Flüchtlingspolitik.
Am Ende des Gipfels gab es vor allem große Worte: der Geist von Bratislava wurde beschworen und pathetisch verkündet: „Wir sind entschlossen, mit 27 Mitgliedstaaten einen Erfolg aus der EU zu machen“. So steht es in der Abschlusserklärung des Sondergipfels von Bratislava, der als erster Gipfel ohne Großbritannien nach deren Brexit-Votum Ende Juni stattfand. „Die EU ist nicht perfekt, aber sie ist das beste Instrument, das wir haben, um den Herausforderungen vor uns zu begegnen", heißt es weiter.
Klar ist: Der Brexit ist eine Zäsur für die Europäische Union. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte heißt es nicht: engere Zusammenarbeit und geographische Ausdehnung. Die Wirkung des britischen Votums strahlt weit über die Inseln hinaus. Längst dominieren neue Wortungetüme, sprechen österreichische Populisten vom Öxit, französische vom Franxit.
Dass der Brexit politisch tatsächlich zu Austrittsbestrebungen in anderen Mitgliedstaaten führen wird, glaubt Jakob von Weizsäcker, Mitglied des Europäischen Parlaments, nicht. Die negative wirtschaftliche Entwicklung, die sich in Großbritannien in Folge des Austritts abzeichne, hätte zunächst abschreckende Wirkung. „In fünf bis zehn Jahren aber, wenn wir bestehende Probleme noch immer nicht gelöst haben, kann die Situation entstehen, dass Skeptiker sagen: Wir müssen austreten“, sagte Weizsäcker im Erfurter Landesbüro der Friedrich-Ebert-Stiftung. Geladen war er zur Diskussion „Brexit – Die Chance für den Umbau des Europäischen Hauses?“.
„Europa muss liefern“, lautet seine eingängige Forderung. Die drei Krisen, namentlich die Eurokrise, die Flüchtlingskrise und die Sicherheitskrise müssten politisch gelöst werden. Nur so könne Vertrauen zurückgewonnen werden. Eine Debatte um die Zukunft der EU, das sei es, was Europa jetzt brauche. Zufriedenheit mit dem Status-Quo sei keine Option.
Eine Utopie für Europa - das ist es, was Ulrike Guerot vehement fordert, „um Europa einen Fluchtpunkt zu geben“. Ihre Analyse liest sich angesichts des beschworenen „Geistes von Bratislava“ als schneidende Kritik an der aktuellen EU-Politik: „Die EU hat ein ernstes Problem. Eines, das keine Öffentlichkeitskampagne oder pathetisches Auftreten mehr lösen kann“, schreibt Guerot im Infobrief des Thüringer FES-Büros. Sie fordert, was in Bratislava unter anderem von Angela Merkel und Jean-Claude Juncker dezidiert ausgeschlossen wurde: Ein grundlegend anderes Europa.
„Die ever closer union der Nationalstaaten hat als europäische Leitidee ausgedient“, glaubt Guerot. Nicht ein Zusammenschluss der Nationalstaaten, sondern der Bürger_innen fordert sie. Europa erfreue sich immer noch großer Beliebtheit, aber die EU hat ihr zentrales Versprechen nicht eingelöst: Gleichheit. Wahlrechtsgleichheit, steuerliche Gleichheit und gleicher Zugang zu sozialen Rechten für alle. Eine solche Republik stelle nicht den Markt in den Vordergrund, sondern die Bürger_innen.
Wie breitenwirksam Guerots Vorschlag mittlerweile diskutiert wird (Ulrike Guerot sprach unter anderem bereits bei zahlreichen Veranstaltungen der FES), zeigt, dass sie auf breites Interesse stößt. Der Brexit hat europaweit sicherlich seinen Teil dazu beigetragen: Er hat das Krisenbewusstsein geschärft. So sieht es auch Nick Leake, der als Botschaftsrat der britischen Botschaft in Erfurt sprach: „Der Brexit ist kein Desaster, er ist eine Herausforderung“. Es fehle bislang an einem Prozess, neue Ideen für Europa zu diskutieren. Eine solche Debatte sollte dann mehr formulieren als nur große Worte.
Ansprechpartner in der Friedrich-Ebert-Stiftung:
Arne Schildberg
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