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Die anstehende Pflegerefom nahm die FES, Landesbüro NRW, zum Anlass, um in Köln mit rund 80 Teilnehmenden und Expert*innen das Thema Zukunft der Pflege zu diskutieren.
Die Pflegearbeit steht seit der Corona-Pandemie besonders im Fokus. Beifall, mediale Präsenz und vereinzelte Sonderzahlungen für die sogenannten „systemrelevanten“ Berufe haben allerdings keine relevante Auswirkung auf die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Pflege gehabt. In der Pflege muss sich grundlegend etwas ändern.
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen wurden seit den 80er Jahren immer stärker dem Wettbewerb ausgesetzt. Die Einführung von Fallpauschalen und die Pflegeversicherung sollten die hohen Kosten begrenzen. Was sie brachten war Tarifflucht, teils niedrige Löhne, vor allem aber einen verdichteten Arbeitsablauf.
Pflegearbeit an kranken und alten Menschen wird nicht nur in Krankenhäusern und Pflegeheimen geleistet, sondern auch in der eigenen Wohnung. Die häusliche Pflege wird entweder durch Familienangehörige übernommen oder durch Pflegehelfer_innen. Frauen aus ost- und mitteleuropäischen Ländern, zumeist aus Polen und der Ukraine, arbeiten überwiegend als Pflege-Helfer_innen bei uns. Wie sind ihre Lohn- und Arbeitsbedingungen? Und ist europaweit der rechtliche Rahmen geklärt?
Durch die deutliche Zunahme von Demenzerkrankungen, die demografische Entwicklung und hohe Lebenserwartung der Baby-Boomer wird der Bedarf an Pflegekräften noch steigen.
In einem einführenden Vortrag skizzierte Dr. Ruth Abramowski von der Universität Bremen zunächst die Ausgangslage im Pflegebereich. Dieser ist besonders durch den demografischen Wandel der Bevölkerung und den Fachkräftemangel gekennzeichnet. Der Bedarf an Pflege wird weiter steigen, und Schätzungen zufolge werden in der Langzeitpflege bis 2035 rund 180.000 zusätzliche Pflegekräfte benötigt.
Mehr als 80 % der Beschäftigten in ambulanten Pflegediensten und in Pflegeheimen sind Frauen. Die Einkommensunterschiede in der Kranken- und Langzeitpflege sind groß. Insgesamt steht der Pflegebereich unverändert unter einem starken Ökonomisierungsdruck.
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Besonderes Augenmerk legte Dr. Abramowski auf die sogenannten „Live-Ins“, damit sind Pflegekräfte, Haushaltshilfen und häusliche Betreuerinnen gemeint, die im häuslichen Umfeld des Pflegebedürftigen leben. Dieser Bereich hat die letzten Jahre zunehmend an Bedeutung gewonnen, da die meisten Menschen am liebsten zu Hause gepflegt werden würden.
Die „Live-Ins“ ziehen aus ärmeren Herkunftsländern in reichere Länder, normalerweise aus dem globalen Süden in den globalen Norden bzw. aus dem Osten Europas in den Westen. Vielfach liegen diesen Arbeitsverhältnissen private Arrangements zugrunde. Deren Zahl wird für Deutschland auf 500.000 bis 700.000 geschätzt.
Die Situation der „Live-Ins“ ist in den DACH-Staaten (Deutschland, Österreich und Schweiz) gesetzlich unterschiedlich geregelt. Österreich führte 1993 das Pflegegeld als universelle Cash-for-Care-Leistung ein. 2007 erfolgte durch das Haushaltsbetreuungsgesetz eine Legalisierung der 24-Stunden-Betreuung. Damit sind die „Live-Ins“ zwar sozialversichert, dennoch gelten für sie weder Höchstarbeitszeiten noch Mindestlöhne. In der Schweiz müssen die „Live-Ins“ als Angestellte beschäftig werden und können sich gewerkschaftlich organisieren. Ihnen steht ein Mindestlohn zu, jedoch gibt es für sie keine Arbeits-, Ruhe und Gesundheitsschutzregelungen. In Deutschland gibt es insbesondere Probleme im Bereich der Arbeitszeit- und Mindestlohngesetzes sowie der rechtlichen Absicherung. Lange und entgrenzte Arbeitszeiten können nicht die Lösung sein.
Alle reicheren europäischen Länder stehen vor den Herausforderungen des demographischen Wandels und des Fachkräftemangels. Einfache Lösungen für eine gute Pflege lassen sich daher nicht ohne Weiteres bei unseren Nachbarn finden. Dr. Abramowski schloss ihren Vortrag trotzdem mit einem positiven Fazit: „Es gibt Lösungen, aber wir müssen sie uns zusammenbasteln.“
Im Anschluss an den Vortrag diskutierten Severin Schmidt, Leiter des Landesbüros NRW der FES, Carmen Yüksel-Witte von der Caritas, die Pflegerin, Bloggerin Jeannine Fasold, Dörte Schall, Sozialdezernentin in Mönchengladbach, sowie die Referentin Dr. Ruth Abramowski die Situation in der Pflege, moderiert von Dr. Arno Gildemeister:
Die Diskussionsteilnehmer_innen waren sich einig, dass wir die Pflege neu denken müssen. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um die Struktur und die Rahmenbedingen. Dabei müssen wir uns den Umstand zunutze machen, dass Pflegekräfte normalerweise eine hohe intrinsische Motivation haben und sich ihrem Job verbunden fühlen. Die dauerhafte Überlastung ist für viele das größte Problem. Möglicherweise kann eine groß angelegte „Fachkräfteoffensive“ helfen, um den Personalmangel zu verringern.
Die Integration ausländischer Fachkräfte in der Kommune muss noch verbessert werden in puncto Anerkennung von Berufsqualifikation, einer zügigere notwendige Sprachqualifikation und verlässlichen Anlaufpunkten.
Neue Arbeitszeitmodelle könnten beispielsweise Anreize schaffen, etwa die Einführung einer vier-Tage-Woche. Auch die Übertragung von mehr Verantwortung kann die Motivation der Pflegekräfte steigern. Pflegekammer und Gewerkschaften müssten sich stärker für die Verbesserung von Rahmenbedingungen einsetzen.
Arrangements mit Live-Ins müssen rechtlich besser abgesichert werden: Arbeitszeitregelung der Haushaltshilfen, Schutz vor finanziellen Forderungen an die Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen, und Zertifizierung der Agenturen. Die Frage ist zu klären, wer überhaupt Arbeitgeber*in ist (Agentur oder Pflegebedürfte und ihre Angehörigen) ist, und ob perspektivisch die Möglichkeit besteht, das Modell in die Pflegeversicherung zu integrieren.
Auch Modell-Projekte wie Kooperationen mit Schulen und Universitäten mit ambulanten Pflegediensten wurden diskutiert.
Es gibt viele Probleme im Bereich der Pflege, aber auch viele Lösungen. Das hat die Veranstaltung verdeutlicht.
In den anschließenden Workshops wurden verschiedene Themen weiter vertieft mit den Teilnehmenden diskutiert.
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Bild: Zukunft der Pflege Banner von FES
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