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Glossar zu zentralen Begriffen der Mitte-Studie

Antisemitismus

Antisemitismus wird in der aktuellen Mitte-Studie zunächst als Feindschaft gegenüber Jüdinnen und Juden verstanden, die rassistisch geprägt sein kann. Er kann dabei klassische und sekundäre Formen annehmen die vor allem an die Geschichte gekoppelt sind und die an Jüdinnen und Juden begangenen Verfolgungen und Verbrechen zu rechtfertigen versuchen (»Durch ihr Verhalten sind Juden an ihren Verfolgungen mitschuldig.«) und ihnen in Manier der Täter-Opfer-Umkehr eine heutige Vorteilsnahme vorwerfen (»Viele Juden versuchen, aus der Vergangenheit des Dritten Reiches heute ihren Vorteil zu ziehen.«) Die moderne Dimension des Antisemitismus beinhaltet, dass Vorurteile über den »typischen Juden« reflexhaft mit der israelischen Politik in Verbindung gebracht bzw. gleichgesetzt werden (»Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden hat.«) Der moderne Antisemitismus ist unterschwellig mit tradierten antisemitischen Motiven wie Rachsucht, Geldgier oder Machtstreben verknüpft, die zusammen ein evidentes Vorurteilsmuster bilden (vgl. Bergmann & Erb 1986; Unabhängiger Expertenkreis Antisemitismus 2017).

Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur

Die Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur ist eine von den sechs Dimensionen, aus denen sich Rechtsextremismus zusammensetzt. Sie wird über die Zustimmung zu den Aussagen „Im nationalen Interesse ist unter bestimmten Umständen eine Diktatur die bessere Staatsform“, „Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert“ und „Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert“ gemessen.

einkommensschwach / einkommensstark

Als einkommensschwach gelten Personen mit weniger als 70 %, als einkommensstark Personen über 150 % des Äquivalenzeinkommens (berechnet aus Gesamteinkommen eines Haushalts und der Anzahl und dem Alter der von diesem Einkommen lebenden Personen) gemessen am Einkommensmedian (Einkommen, bei dem es genauso viele Menschen mit einem höheren wie mit einem niedrigeren Einkommen gibt), Personen mit mittlerem Einkommen (die Mittelschicht) verfügen über ein Einkommen dazwischen.

entsicherte Marktförmigkeit

Das Konzept wurde neu eingeführt, um eine Kombination von gleichzeitig auftretenden Faktoren zu messen. Die Marktförmigkeit meint, dass Personen sich stark mit unternehmerischen Leitbildern identifizieren, also neoliberal geprägte Tugenden von individueller Leistungsbereitschaft, Erfolgsorientierung und Flexibilität hochhalten. Die Entsicherung beschreibt ein Gefühl von Unsicherheit und Kontrollverlust angesichts von multiplen Krisen in der Gegenwart. In der diesjährigen Mitte-Studie wird untersucht, inwiefern diese beiden Faktoren zusammenwirken, in dem eine Gruppe gebildet wird von Personen, die gleichzeitig ein Gefühl der Entsicherung sowie eine marktförmige Orientierung teilen. Dabei wird die These bestätigt, dass entsichert Marktförmige (ca. 19% der Befragten) besonders starke Werte von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sowie Neigungen zu rechtsextremen Einstellungen haben.

Fremdenfeindlichkeit

Fremdenfeindlichkeit ist eine von den sechs Dimensionen, aus denen sich Rechtsextremismus zusammensetzt. Der Begriff wird in der Mitte-Studie genutzt, um Feindseligkeit gegen Menschen, die von den Vorurteilsträger:innen als „Fremde“ kategorisiert werden, zu messen. Uns ist jedoch bewusst, dass der begriff falsch und stigmatisierend aufgefasst werden kann und deswegen kritisch zu beurteilen ist (Zick 1997). Bei der Darstellung der Ergebnisse wird der Begriff also zur Beschreibung des Vorurteils verwendet, nicht aber zur Beschreibung der Zielgruppen von Vorurteilen. Fremdenfeindlichkeit wird über die Items „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“, „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken“ und „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet“ gemessen.

gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit / menschenfeindliche Abwertungen

Das GMF-Konzept beschreibt miteinander zusammenhängende Stereotype, Vorurteile und andere Ausdrucksformen der Abwertung von bestimmten Gruppen in der Gesellschaft, wie Jüdinnen und Juden, Muslim:innen, Sinti:zze und Rom:nja, Wohnungslosen und weiteren Gruppen. Dabei äußert sich das Verhältnis von Gleichheit und Ungleichheit aufgrund von (vermeintlichen) Gruppenzugehörigkeiten als generalisiertes Abwertungs- beziehungsweise Vorurteilsmuster, dessen Zusammenhänge in zahlreichen Studien (GMF-Langzeituntersuchung; Mitte-Studien) geprüft und bestätigt wurden. Grundlegend werden in der diesjährigen Mitte-Studie die Abwertungsmuster Rassismus, Klassismus, Antisemitismus und Hetero-/Sexismus differenziert.

Siehe auch Interview mit Andreas Zick: www.bpb.de/mediathek/video/509430/was-ist-gruppenbezogene-menschenfeindlichkeit/

Hetero-/Sexismus

Der Begriff basiert auf der in der Gesellschaft vorherrschenden Norm und Annahme, dass es nur zwei Geschlechter gäbe, und zwar Männer und Frauen. Diese seien in heterosexuellen Beziehungen aufeinander bezogen. Der Begriff Heteronormativität beschreibt dieses gesellschaftliche Ordnungssystem, unter das die beschriebenen Normen fallen, dass Heterosexualität und Cisgeschlechtlichkeit (Menschen, die sich dem Geschlecht zugehörig fühlen, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde) »natürlich«, »normal« und »richtig« seien, wohingegen Abweichungen davon als solche markiert, abgewertet und missbilligt werden. Hetero-/Sexismus beschreibt dann die Skala, die auf diesen Annahmen aufbaut. Dabei geht es einerseits um die Befürwortung traditioneller Geschlechterrollen (»Frauen sollten sich wieder mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen.«), um Skeptizismus gegenüber Gleichstellung (»Bei der Gleichberechtigung geht es eigentlich darum, dass Frauen mehr Macht bekommen als Männer.«) sowie um die Missbilligung von Homosexualität (»Es ist ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen.«) und die Nichtanerkennung von trans* Personen (»Ich finde es albern, wenn ein Mann lieber eine Frau sein will oder umgekehrt, eine Frau lieber ein Mann.«)

Klassismus

Der Klassismus beschreibt grundlegend die Ablehnung von Menschen aufgrund ihrer sozialen und ökonomischen Lage. Er beschreibt eine Verachtung und Ausgrenzung auf Grundlage expliziter oder impliziter Schichtzugehörigkeiten aus. Menschen und Gruppen, die dem Leistungsprinzip in der Gesellschaft scheinbar willentlich und mutwillig zuwiderhandeln, wird beispielsweise zugeschrieben, »nutzlos«, »dumm« oder »faul« zu sein. Der Klassismus in der Mitte-Studie betrifft vor allem arbeitslose und obdachlose Menschen und wird über entsprechende Items erhoben (»Bettelnde Obdachlose sollten aus den Fußgängerzonen entfernt werden.«, »Empfänger von Sozialhilfe und Bürgergeld neigen zu Faulheit.«, »Arme Menschen können nicht mit Geld umgehen.«)

Krisen / Krisenbetroffenheit

Der Fokus der Mitte-Studie liegt auf der Bundesrepublik Deutschland und die Krisen, die sie betreffen. Maßgeblich geprägt wurde Deutschland durch die Corona-Pandemie, mit dessen Folgen das Land weiteren Krisen begegnete: Teuerung und Inflation, der Fachkräftemangel und eine sich andeutende Rentenkrise, die Bildungskrise, die Fluchtzuwanderung, die Veränderung der globalen Märkte und Umstellung der Energieversorgung, der Klimawandelund Extremwetterereignisse sowie der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraineund die damit verbundenen Veränderungen, die wiederum Effekte auf die zuvor genannten Krisen haben. Trotz dem augenscheinlichen Auftreten dieser Krisen müssen nicht alle Menschen sich ähnlich von Krisen betroffen fühlen. Die wahrgenommene Unsicherheit durch Krisen kann also zu einer Betroffenheit führen, muss dies aber nicht zwangsläufig. Die Krisenbetroffenheit wurde in der aktuellen Mitte-Studie über drei Ebenen erhoben: die nationale („Wie stark ist Deutschland Ihrer Meinung nach derzeit von Krisen betroffen?“), die kollektive („Wie stark sind Menschen wie Sie von den Krisen betroffen?“) und die individuelle Krisenbetroffenheit („Und wie stark sind Sie von den Krisen betroffen?“).   

Liberale Demokratie

Liberale Demokratien sind solche Staaten, deren politisches System nach liberalen und demokratischen Grundsätzen konstruiert ist. Zu diesen gehören laut den Politikwissenschaftlern Oliver Dlabac und Hans-Peter Schaub freie Wahlen, Gewaltentrennung, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft, Menschen- und Bürgerrechte sowie bürgerliche und politische Freiheitsrechte, die durch eine Verfassung garantiert werden. Liberale Demokratien basieren auf Idealen von Würde und Gleichwertigkeit.

Minderheit

Im herkömmlichen Sinne meint man mit Minderheiten ethnische, religiöse oder nationale Minderheiten, das heißt Bevölkerungsgruppen auf dem Territorium eines Staates im Gegensatz zu einer bestimmten Bevölkerungsmehrheit. Die unterscheidenden Merkmale von Minderheiten sind meistens Sprache, Ethnie oder Religion, doch auch Moral-Vorstellungen, sexuelle Identität oder soziale Funktion können den Status von Minderheiten ausmachen. Eine Minderheit besteht, wenn eine Gruppe durch eine zahlenmäßig größere Gruppe eines Territoriums dominiert und minorisiert wird, ohne sich zu assimilieren.

Die Sozialpsychologie unterscheidet zwei Arten von Minoritäten: Eine numerisch-statistische und eine soziale. Letztere beschreibt eine Minderheit, die sich durch kulturelle und/oder psychische Merkmale vom Rest der Gesellschaft unterscheidet und so von der sozial dominierenden Gruppe als minderwertig angesehen und auch so behandelt wird. In den Mitte-Studien messen wir diese abwertenden Einstellungen über das Syndrom der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, dieses Mal erstmalig in vier gebündelten Kategorien: Antisemitismus, Rassismus, Klassismus und Hetero-/Sexismus.

Nationalchauvinismus

Nationalchauvinismus ist eine von den sechs Dimensionen, aus denen sich Rechtsextremismus zusammensetzt. Der Begriff beschreibt den Glauben an die Überlegenheit der eignen Nation. In der aktuellen Mitte-Studie wird er über die Items „Wir sollten endlich wieder Mut zu einem starken Nationalgefühl haben“, „Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland“ und „Das oberste Ziel der deutschen Politik sollte es sein, Deutschland die Macht und Geltung zu verschaffen, die ihm zusteht“ abgefragt.

(aus Bundeszentrale für politische Bildung, Glossar Rechtsextremismus: www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/500768/chauvinismus/)

Neue Rechte

In der Mitte-Studie 2018/19 – und noch einmal überarbeitet in der Mitte-Studie 2020/21 – haben wir erstmalig versucht, diese modernisierten Formen einer rechtsextremen Ideologie, wie sie von der sogenannten »Neuen Rechten« vertreten wird, auch auf der Einstellungsebene zu erfassen. Hierzu haben wir die theoretisch herausgearbeiteten zentralen ideologischen Versatzstücke in Subdimensionen und dazu passende Aussagen übersetzt, die wir aufgrund ihres ideologischen Inhalts als neurechte, völkisch-autoritär-rebellische Einstellungen skizziert haben. Dazu zählen wir den »Ethnopluralismus«, der völkische Identitäten proklamiert, zum Widerstand aufruft und behauptet, wir lebten in einer Diktatur statt einer Demokratie. Dazu zählt auch die Annahme, der Islam unterwandere Deutschland, also der zentralen Verschwörungserzählung der »Neuen Rechten« eines angeblichen »Großen Austauschs«.

Rassismus

Der Rassismus entspricht einer Abwertung und Zurückweisung von Gruppen, die als ›hinzu-gekommene Fremde‹ kategorisiert, mit ›anderer Herkunft‹ und vermeintlich kulturellen wie auch scheinbiologischen Merkmalen markiert beziehungsweise als solche rassifiziert werden – oft ungeachtet ihrer tatsächlichen Heimat. Die Kategorien ›Ethnie‹ und ›Kultur‹ prägen die Abwertungsgrundlage verschiedener Gruppen. Zusätzlich ergaben die vergangenen Mitte-Studien, dass zum Rassismus auch die Abwertung von Asylbewerber*innen und Geflüchteten, die Unterstützung eines Einwanderungsverbotes für Muslim*innen sowie die Forderung von Vorrechten für Einheimische gehören.

rechtsextremes Weltbild, manifest

Rechtsextremismus wird von Beginn an in den Mitte-Studien in sechs Kategorien mit jeweils drei Fragen/Aussagen gemessen. Die Ablehnung beziehungsweise Zustimmung zu den jeweils drei Aussagen werden zu einer Summenskala für die entsprechende Subdimension aufaddiert. Zur anschließenden Bestimmung des Maßes an Zustimmung wird ein strenges Cut-off-Kriterium angelegt: Nur wer bei allen drei Aussagen einer Dimension mindestens »überwiegend« oder sogar »voll und ganz« zugestimmt hat, wird für diese Dimension zur Zustimmung gezählt; die berechnete Summenskala hat dann einen Wert von 12 bis 15. Darunter liegende Werte von 8 bis 11 verstehen wir als Graubereich und Werte von 3 bis 7 als Ablehnung der Dimension. Wer einzelnen Aussagen zustimmt, gilt also nicht gleich als rechtsextrem eingestellt. Auch hierzu wird ein Cut-off -Wert festgelegt: Wer über alle 18 Aussagen einen Summenwert größer als 63 erreicht, was einem mittleren Antwortwert von mindestens 3,5 und damit einer durchschnittlichen Zustimmung zu allen Aussagen entspricht, hat ein manifest rechtsextremes Weltbild. (siehe FAQ: Bin ich gleich rechts, wenn…)

Rechtsextremismus

Das zentrale Merkmal des Rechtsextremismus ist eine Ideologie der Ungleichwertigkeit und Gewalt beziehungsweise die Billigung von Gewalt zur Durchsetzung der Ideologie. Rechtsextrem orientierte Parteien, Gruppierungen und Individuen glauben an völkische Homogenität und streben nach nationalistischer Stärke eines von ihnen gewünschten Staates. Sie behaupten dessen Überlegenheit und Vorherrschaft gegenüber anderen »Völkern«, Nationen und Gruppen, wie Jüdinnen und Juden, Schwarzen oder als »Ausländer« wahrgenommenen Menschen. Dies umfasst die Ablehnung demokratischer Werte, Normen, Prinzipien und Institutionen, wie die Zurückweisung des Grundsatzes der Gleichheit aller Menschen an Würde, der staatlichen Gewaltenteilung und des Schutzes von Minderheiten. Zu Beginn der Mitte-Studienreihe hatten sich Wissenschaftler:innen und Expert:innen um eine Konsensdefinition von Rechtsextremismus bemüht, die weiterhin für diese Studie sowie für die Leipziger Autoritarismusstudien maßgeblich ist. Die zentrale Herausforderung war und ist, jene Kernelemente beziehungsweise Dimensionen rechtsextremer Überzeugungen zu identifizieren, die in der Mitte messbar sind, um Aufschluss über deren Verteilungen in der Bevölkerung zu erhalten. Ein Konsens wurde dahin gehend gefunden, dass der Rechtsextremismus als Überzeugungssystem sechs Subdimensionen umfasst: Befürwortung einer rechtsgerichteten Diktatur, Nationalchauvinismus, Verharmlosung des Nationalsozialismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Sozialdarwinismus. Die ersten drei Dimensionen beziehen sich auf die nationalsozialistische Geschichte und politische Ideologie des Rechtsextremismus in Deutschland, die letzten drei Dimensionen bilden dessen völkischen Charakter mit einem rassistischen und entwürdigenden Menschenbild ab. Jede der sechs Dimensionen wird mithilfe von drei Aussagen gemessen, die so formuliert sind, dass sie eindeutig der im Grundgesetz formulierten Idee einer liberalen Demokratie und offenen Gesellschaft widersprechen. Die rechtsextremen Einstellungen werden also mit insgesamt 18 Aussagen erfasst. Nach statistischer Prüfung in jeder der Mitte-Studien sowie der aktuellen Daten hat sich die Konzeption des rechtsextremen Überzeugungssystems mit den genannten Subdimensionen auch anhand der aktuellen Mitte-Daten bestätigt.

Rechtspopulismus

Populismus zeichnet sich durch die Betonung der Anliegen des „Volkes“ aus, die gleichzeitig die Geschichte einer illegitimen, korrupten, nur am eigenen Machterhalt interessierten Elite erzählt, die das Volk unterdrücke (vgl. Diehl 2018). Der Populismus zeichnet sich durch zwei Antagonismen (Gegensätze) aus: Er unterscheidet grundsätzlich zwischen „den Eliten“ (Politiker:innen, öffentlich-rechtliche sowie linksliberale Medien, der „Mainstream“-Wissenschaft oder einfach „dem System“) und dem „Volk“, welches moralisch überhöht wird und als ehrlich, rein, hart arbeitend und mit gutem Bauchgefühl für das, was richtig und wahr ist (u. a. Mudde & Rovira Kaltwasser 2017). Außerdem wird ein einheitlich gedachtes „Wir“ herbeigesehnt, welches sich gegenüber „den Anderen“ abgrenzt. Die Verhandlung findet über Identität, Zugehörigkeit und Ausgrenzung statt. Der Rechtspopulismus richtet sich spezifisch gegen „die Fremden“ und geht mit Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit einher. In Deutschland richtet sich dies derzeit vor allem gegen Eingewanderte, Muslim:innen, Rom:nja und Asylsuchende, begleitet auch von Antisemitismus und Hetero-/Sexismus.

Sozialdarwinismus

Sozialdarwinismus beschreibt die Überzeugung, dass es unwertes und höherwertigeres Leben gibt, dass das Recht des Stärkeren sich durchsetzt oder durchsetzen sollte und die Schwächeren sich einfach mehr anstrengen müssen, wenn sie bestehen wollen. Im Rechtsextremismus nimmt das dann Formen von Nationalismus und Rassismus an („Die Weißen sind zurecht führend in der Welt“ oder auch dass Deutschland eine führende Rolle zusteht) oder auch von menschenverachtende Abwertungen, z.B. gegen Menschen mit Behinderungen oder bspw. Langzeitarbeitslose oder Wohnungslose.

Verharmlosung des Nationalsozialismus

Die Verharmlosung des Nationalsozialismus ist eine von den sechs Dimensionen, aus denen sich Rechtsextremismus zusammensetzt. Sie wird über die Items „Ohne Judenvernichtung würde man Hitler heute als großen Staatsmann ansehen“, „Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind in der Geschichtsschreibung weit übertrieben worden“ und „Der Nationalsozialismus hatte auch seine guten Seiten“ erhoben.

völkisch-autoritär-rebellisch

Eine völkisch-autoritär-rebellische Ideologie zeichnet sich durch Ambivalenzen aus:
1) völkisch-identitäres Denken, welches auf Einheit setzt, zugleich aggressiv ausschließt
2) eine autoritäre Haltung im Sinne von autoritätshörig, Autorität wünschend und fordernd, welche jedoch gerade nicht staatsautoritär ist, sondern
3) rebellisch gegenüber festen Strukturen, staatlichen Institutionen und Vertretungen der parlamentarischen Demokratie.
Seine Anhänger:innen gebärden sich als »freie Radikale« und beziehen daraus ihr Selbstbewusstsein. Diese Einstellungsmuster sind auch anschlussfähgig an den libertären Autoritarismus.

Aus der Mitte23/S 95/96:
Eine völkische Ideologie transportiert die Idee von völkischer Identität, von Freiheit gegenüber einschränkender Staatsgewalt und Widerstand gegen die liberale Demokratie mit all ihren angeblichen Zumutungen. Das verspricht sie aber nur jenen, die zum Volk qua Identität dazugehören. Dies ist die Botschaft der ≫Neuen Rechten≪, die explizit versucht, Einfluss im vorpolitischen Raum zu gewinnen. Zu ihren erklärten Strategien gehören Selbstverharmlosung und Mimikry ihrer völkischen Gesinnung, ebenso wie das Umdeklinieren demokratischer und emanzipatorischer Chiffren wie jener von Meinungsfreiheit und Widerstand gegen die Staatsgewalt. In ihrer völkisch-autoritär-rebellischen Botschaft steckt die exkludierende Vorstellung der ≫Volksgemeinschaft≪, welche die alte Blut-und-Boden-Ideologie bedient, in deren Vorstellung ein ≫rassisch≪ definiertes ≫Volk≪ und sein Siedlungsgebiet eine Einheit bilden; als volksfremd definierte Gruppen, insbesondere Jüdinnen und Juden, werden davon ausgeschlossen (vgl. Wildt 2019). Diese Vorstellung spiegelt sich in dem von der ≫Neuen Rechten≪ entwickelten Weltbild des ≫Ethnopluralismus≪, nach dem Volker eine unveränderbare Identität besäßen, die es zu erhalten gelte, gebunden an die Region, aus der sie stammen.

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