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Menschenrechtspreis 2024 der Friedrich-Ebert-Stiftung

Ausgezeichnet wird die PCIN, eine Vereinigung nicaraguanischer Jounalist_innen und Medienschaffenden, die sich für die Pressefreiheit einsetzen.

Bild zeigt Journalist_innen berichten über einen Polizeieinsatz vor dem Wohnhaus der Präsidentschaftkanditatin Cristiana Chamorro, die am Tag ihrer Bewerbung verhaftet wurde in Managua, Nicaragua

Bild: von Fotografía / Artikel 66

Kämpferische und berührende Worte sowie die Klänge des Carolina Riaño Trios prägten die Verleihung des Menschenrechtspreises der Friedrich-Ebert-Stiftung am Abend des 26. November 2024, der dieses Jahr an die Organisation Periodistas y Comunicadores Independientes de Nicaragua (PCIN) überreicht wurde, eine Vereinigung nicaraguanischer Jounalist_innen und Medienschaffenden, die für die Pressefreiheit in ihrem Heimatland kämpfen.

Im Namen von PCIN nahmen die Journalistinnen Lucía Pineda Ubau und Wendy Quintero Chávez die Ehrenurkunde aus den Händen von Martin Schulz, dem Vorsitzenden der FES, entgegen. Dieser würdigte ihren „großen Mut“ und ihr Engagement, das sie „unter hohem persönlichen Risiko“ für die Meinungsfreiheit und die Menschenrechte inmitten der Unterdrückung und Verfolgung in Nicaragua zeigen.

Irene Khan, UN-Sonderberichterstatterin für Meinungsfreiheit, erinnerte in ihrer Laudatio daran, dass weltweit der steigende Trend zum Autoritarismus den Druck auf den Journalismus erhöht. „Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben heute in Ländern, in denen es keine Demokratie gibt oder in denen die Demokratie auf dem Rückzug ist. Dies sind auch jene Länder, in denen es entweder keine Medienfreiheit gibt oder diese stark eingeschränkt ist.“

Wie schnell demokratische Reformen und demokratische Rechte wieder weggenommen, wie schnell demokratische Stimmen wieder zum Schweigen gebracht werden können, wissen die Menschen Nicaraguas sehr genau. In nur wenigen Jahrzehnten hat sich die dortige demokratische Öffnung – vorerst- wieder verschlossen. Die Journalistinnen und Journalisten von PCIN gehören zu den wenigen Stimmen aus Nicaragua, die noch nicht aus Angst vor Repressalien und Gewalt verstummt sind. Über 270 von ihnen leben inzwischen im Exil.

Aus tiefer persönlicher Betroffenheit mahnte Wendy Quintero wie wichtig es für die Demokratie sei, wählen zu gehen und politisches Interesse zu zeigen. Auch in Nicaragua habe es mit politischer Apathie begonnen.

Irene Khan veranschaulichte, welche hohen Preis Journalist_innen im Exil zahlen, welchen psychologischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderungen sie ausgesetzt sind und wie sie Leib und Leben riskieren.

Für die Preisträger ist das Realität und Alltag. Die Mitglieder von PCIN haben „Tränen, Verfolgung“ erlitten, „mehrere Mitglieder wurden inhaftiert, ihrer Staatsbürgerschaft beraubt, ihre Häuser und ihr Eigentum gestohlen, nur weil sie aus einem Land berichten, in dem Denken und Meinungsäußerung ein Verbrechen sind,“ führte Lucía Pineda aus.

Wendy Quintero berichtete von vielen ihrer Kolleg_innen im Exil, die versuchten, mit anderen Jobs zu überleben, aber ihre Freizeit nutzten, um journalistisch zu arbeiten. Viele müssten jedoch ihren journalistischen Beruf aus finanziellen Zwängen ganz aufgeben.

Dabei ist die Enttäuschung über die autoritäre Entwicklung in Nicaragua besonders bitter. Martin Schulz erinnerte an die große „Solidarität aus dem Ausland, durch Gewerkschaften, durch die deutsche Sozialdemokratie und die sozialistische Internationale und auch durch die FES“ für die sandinistische Revolution nach dem Sturz der jahrzehntelangen Diktatur der Somoza-Familie und nannte es eine Schande, dass ausgerechnet jene nun zu den selben repressiven Mitteln zurückgekehrt seien, die einst angetreten waren, Nicaragua von der Diktatur zu befreien. 

Angesichts der bei manchen fortdauernden Solidarität mit dem – vermeintlich linken -Regime Ortega, erinnerte Bernd Rother, Senior Fellow bei der Bundeskanzler-Willy-Brandt Stiftung, daran, dass „gerade in diesen Zeiten es die Aufgabe der Sozialdemokraten (ist) in den Reihen fortschrittlicher Bündnisse klar zu machen, was Strömungen sind, mit denen sich verbündet werden und von welchen man sich unumgänglich distanzieren sollte.“

Er führte aus, dass es nach der brutalen Niederschlagung der Proteste 2018 und der folgenden Welle an Verhaftungen und Verfolgung es neben des Widerstands der nicaraguanischen Bevölkerung auch des Drucks von außen bedürfe.

Frank Schwabe, MdB und Sprecher der Arbeitsgruppe Menschenrechte und humanitäre Hilfe der SPD-Fraktion betonte die Notwendigkeit, dass Dinge beim Namen genannt werden. Das Interessante sei, merkte Schwabe an, „dass Diktaturen, autoritäre Regime auf der Welt trotzdem vor etwas Angst haben: Das ist ihre Bloßstellung und eine Anklage als das, was sie sind. Keiner der Diktatoren möchte als ein solcher bezeichnet werden. (…) Das, was wir tun können, ist daher international über diese Fälle zu reden und gleichzeitig den Menschen Gehör zu verschaffen, die darüber berichten.“

Die Beiträge des Abends erinnerten das Publikum daran, dass Demokratie beschützt, für sie gekämpft werden muss, dass Fakten nicht verhandelbar sind und Wahrheit nicht beliebig ist.

Kämpferisch zeigten sich Lucía Pineda und Wendy Quintero, die verdeutlichten, dass Ortega ihre Stimmen nicht zum Schweigen bringen würde. Auch aus dem Exil heraus, so Pineda, würden sie „durch jede Geschichte und jeden Bericht, der nach Nicaragua kommt (…), Nicaragua (auf ihre Art) besuchen“, auch wenn sie nicht vor Ort sein könnten. Sie würden dazu beitragen, das „Netz von Lügen zu zerschlagen, das die Diktatur über ihre regierungsnahen Medien“ verbreiten würde.

Lucía Pineda beschwor, dass das Ende der Diktatur in Nicaragua kommen werde und bei Rückkehr nach Nicaragua als erstes ihren Fernsehsender wiedereröffnen würde. Wendy Quintero sehnte sich danach, endlich ihre Mutter wieder zu umarmen.

Mit diesen kämpferischen und bewegenden Worten sowie mit einem Stück des Carolina Riaño Trios klang der Abend aus.


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