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Sarah Nooren, FES Klima- und Energieexpertin MONA, beschreibt Chancen und Risiken der Urbanisierung und analysiert das World Urban Forum in Kairo.
Autorin: Sarah Nooren, Leiterin des FES-Klima- und Energieprojekts für die MENA-Region, in Amman/Jordanien.
Die Urbanisierung schreitet weltweit mit rasanter Geschwindigkeit voran. Prognosen zufolge werden bis 2050 etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Diese Entwicklung birgt sowohl Chancen als auch Herausforderungen, insbesondere in Bezug auf die Bereitstellung von Wohnraum, Infrastruktur und Dienstleistungen für die wachsende Stadtbevölkerung sowie die Bewältigung von Umwelt- und Klimafragen.
Das World Urban Forum ist die wichtigste globale Konferenz, die sich mit den Herausforderungen und Möglichkeiten einer nachhaltigen Urbanisierung beschäftigt. Seit seiner Initiierung 2001 durch die Vereinten Nationen wird das WUF alle zwei Jahre ausgerichtet. Das erste Forum fand 2002 in Nairobi, Kenia, statt. Mit dem zwölften Word Urban Forum, das vom 4.-8. November in Kairo von der ägyptischen Regierung in Zusammenarbeit mit UN-Habitat organisiert wird, kehrt das Forum zum ersten Mail seit über 20 Jahren auf den afrikanischen Kontinent zurück, und das in die Megastadt Kairo. Kairo ist mit über 22 Millionen Einwohner_innen die größte Metropole Afrikas und die siebtgrößte Stadt der Welt. Die zentralen Themen des WUF12 werden angemessener Wohnraum, Klimawandel, Partnerschaften, Finanzierung und digitaler Wandel sein. Das WUF bietet zudem eine wichtige Plattform für den Austausch von Innovationen und die Förderung von Partnerschaften, die für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklungsziele unerlässlich sind.
Kairo selbst kämpft mit den Folgen eines ungebremsten Wachstums, das sich in exzessivem Straßen- und Brückenbau, der Verdrängung der wenigen verbliebenen Grünflächen und wachsender Vulnerabilität niederschlägt. Zusätzlich zu den Herausforderungen, mit denen Kairo konfrontiert ist, hat die Regierung eine neue administrative Hauptstadt gebaut. Diese Stadt, die als Antwort auf die chronische Überlastung Kairos konzipiert wurde, soll für 6,5 Millionen Menschen eine moderne Infrastruktur bieten und eine Vielzahl von Wohn- und Geschäftsmöglichkeiten schaffen. Geplant als modernes Zentrum für Verwaltung, Wirtschaft und Technologie, soll sie die nationale Entwicklung fördern und als Symbol für Fortschritt und Innovation stehen.
Doch der Bau bringt erhebliche Herausforderungen mit sich – wirtschaftlich, sozial und ökologisch. Neben den hohen Baukosten stellt sich auch die grundlegende Frage, wer in der Hauptstadt mit solch hohen Lebenshaltungskosten wohnen wird. Menschen, die in der neuen Stadt im Dienstleistungssektor tätig sein werden, werden wohl eher auf das tägliche Pendeln angewiesen sein. Abgesehen von einer Monorail, sind jedoch kaum weitere öffentliche Bahnverbindungen geplant und selbst diese bleibt für einen Großteil der Bevölkerung schlichtweg zu teuer – ein deutliches Beispiel für den Widerspruch zwischen den Zielen nachhaltiger Urbanisierung und der Realität vor Ort.
Kritiker_innen befürchten, dass viele der als innovativ und zukunftsweisend gepriesenen Projekte in Wahrheit bestehende soziale Ungleichheiten eher vertiefen könnten und an den alltäglichen Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeigehen. Die Lebenshaltungskosten steigen kontinuierlich und die Inflation verschärft die ohnehin prekären Bedingungen für einen großen Teil der Bevölkerung innerhalb der Region. Mit einem alarmierend hohen Anteil an Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, kämpfen immer mehr Menschen täglich um das Überleben.
Vor diesem Hintergrund betrachten viele diese Bauprojekte eher als Symbol für den Trend, in neue Städte zu investieren anstatt ökologische und soziale Herausforderungen in bestehenden Städten zu bewältigen. Dieser Trend erschwert soziale Inklusion und Nachhaltigkeit.
Einige zivilgesellschaftliche Organisationen haben sich daher entschieden, dem WUF fernzubleiben. Sie bemängeln, dass eine kritischere Auseinandersetzung mit den aus ihrer Sicht wenig nachhaltigen Projekten fehlt und äußern Bedenken in Bezug auf Greenwashing durch das WUF.
Insgesamt steht die neue Hauptstadt symbolisch für die komplexen Herausforderungen, die mit der Urbanisierung in der MENA-Region verbunden sind. Auch andere Länder in der Region planen oder sind bereits im Bau neuer Megastädte, viele davon mitten in der Wüste wie etwa das Projekt Neom in Saudi-Arabien. Von Seiten der Regierungen als zukunftsweisende Lösungen dargestellt, die Herausforderungen wie Überbevölkerung, Umweltverschmutzung und Infrastrukturengpässe überwinden sollen, werfen solche Projekte vielmehr Fragen zur sozialen Gerechtigkeit, zum ökologischen Fußabdruck und zur tatsächlichen Nachhaltigkeit auf. Dies zeigt auch eine kürzlich erschienene Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Kisbi, Dina; Dukhgan , Jawad
Navigating the past, present and future of sustainable cities and new urban centers / Dina Kisbi, Jawad Dukhgan. - Amman : Friedrich-Ebert-Stiftung, Climate and Energy Project MENA, 2024. - 103 Seiten = 90 MB, PDF-File. - Electronic ed.: Amman : FES, 2024
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Das regionale Klima- und Energieprojekt MENA sowie das FES-Büro in Ägypten tragen seit Jahren mit ihren Arbeitslinien zum Thema soziale und nachhaltige Städte zu Dialog und Vernetzung bei. In verschiedenen Formaten erarbeiten sie gemeinsam mit Vertreter_innen aus Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft Lösungen für städtische Probleme. Darüber hinaus führt die FES Forschung und Analysen zu städtischen Herausforderungen durch, in denen die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Aspekte der Urbanisierung untersucht und Empfehlungen für politische Entscheidungsträger_innen entwickelt werden.
Im Rahmen des diesjährigen WUF richten beide Büros gemeinsam eine Pre-WUF-Veranstaltung aus und ermöglichen es einer Delegation von zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen, am WUF teilzunehmen. Zwei von der FES organisierte Side Events bieten die Möglichkeit, darüber zu diskutieren, wie sich Arbeitsmuster in städtischen Räumen verändern und welche Maßnahmen erforderlich sind, um sicherzustellen, dass diese Veränderungen sozial gerecht und inklusiv gestaltet werden. Darüber hinaus stehen die Stimmen von Frauen im Mittelpunkt, die sich für eine inklusive Stadtentwicklung einsetzen.
Leitung
Elisabeth Braune
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