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Im allgemeinen Krisengejammer steht auch immer mehr die EU in Frage. Doch junge Menschen haben kein Interesse an einer Abwicklung der Union.
Bild: Maedchengruppe von Unsplash lizenziert unter CC0 1.0
Die Nachrufe auf das Jahr 2016 waren von einem dunklen, manchmal fast apokalyptisch anmutenden Ton geprägt: 2016, das Jahr, das der Welt zugewandten, auf die Verbesserbarkeit der Umstände vertrauende Geister ein tiefes Unbehagen, ja einen Schock verpasste, das Jahr als „das Schicksal seine Geschäftsbedingungen“ ändern würde. Es ist ja auch einiges passiert im letzten Jahr, und dass sich etwas ändert, dass das „Ende der Geschichte“ – so es denn je erreicht war – zumindest nicht der Anfang der Großen Harmonie war, kann kaum ignoriert werden. Die Aussicht auf eine verlässliche Zukunft ist nichts Selbstverständliches mehr, um das Recht auf ein gutes Leben in einer freien Gesellschaft werden wir anscheinend wieder kämpfen müssen.
Zum anhaltenden Krisendiskurs des vergangenen Jahres gehörte auch die EU. Denn mittlerweile wird auch ihr Fortbestand in Frage gestellt, sei es konstatierend oder fordernd. Geht es denn im heimeligen Nationalstaat nicht viel transparenter, vielleicht sogar gerechter zu als im neoliberalen Elitekonstrukt EU? So etwas hört man ja nicht nur von Rechtsaußen, auch die Linke findet zuweilen eher wenig Gefallen am europäischen Institutionengefüge.
Es kann einen das Gefühl beschleichen, dass diejenigen, die der Abwicklung der europäischen Integration das Wort reden, dabei selten an die Auswirkungen eines Endes der EU für die nächste Generation denken. Die meist Herren „im besten Alter“ verraten dabei nicht nur die Nachkriegsgeneration, die diesen Kontinent erst wieder aufgebaut hat, sondern eben auch die sogenannten Millenials. Wer heute um die 20 ist, ist in der EU der offenen Grenzen und des Euros aufgewachsen. Für sie ist die Union – oder zumindest gewisse Aspekte davon – so selbstverständlich wie der Rahmen des Nationalstaats. Was (notwendige) Kritik an beiden keineswegs ausschließt.
Diese Selbstverständlichkeit ebenso wie die Kritik kam auch bei der Veranstaltung „Wozu ist die Europäische Union gut?“ mit dem Europaabgeordneten Ismail Ertug und 160 Schüler_innen der Abiturklassen am Regensburger Siemens-Gymnasium zum Ausdruck. Mit der EU verbinden die jungen Leute die Chance, Gleichaltrige aus ganz Europa kennen zu lernen, die Möglichkeit ohne bürokratische Hindernisse im Ausland zu studieren und zu arbeiten und frei seine Meinung zu sagen. Auch der Euro ist für viele eine „Erfolgsgeschichte". Und das Parlament ist von Belang: Im Gespräch mit dem Europaabgeordneten forderten sie mehrfach eine Stärkung der Rechte des Europäischen Parlaments, vor allem das Initiativrecht in der Gesetzgebung.
Als größte Schwächen bezeichnen sie die geringe Durchsetzungskraft der EU gegenüber Mitgliedstaaten, die die Grundprinzipien der Union missachten. Beispielhaft ging es hier vor allem um die Weigerung geflüchtete Menschen aufzunehmen oder den Umgang mit Medien und Minderheitenrechten in Ungarn oder Polen. Auch die mangelnde Transparenz, nicht nachvollziehbare Kompromisse oder das Fehlen eines klaren Zieles der EU wurden kritisiert. Das klingt nicht nach apokalyptischem Untergangston. Sondern vielmehr nach aufgeklärten, pragmatischen, kritischen Geistern.
Die, die heute den Ton angeben oder es versuchen, scheinen sich in ihrer Eitelkeit reichlich wenig um die jungen Unionsbürger_innen zu scheren, siehe auch Brexit – die Mehrheit der Jungen wurde vom Rollback der Alten überstimmt. Die Jungen scheinen besser zu verstehen, was Ismail Ertug über die EU sagt: sie sei „eine zivilisatorische Errungenschaft, in der nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Kultur des einander Zuhörens und aufeinander Zugehens." In den Diskussionen um die Zukunft der Europäischen Union fehlt bisweilen die Perspektive der jungen Menschen, die letztlich am längsten mit den Entscheidungen von heute zu leben haben.
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Detlef Staude
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