Die Arbeitswelt westlicher Industriestaaten ist in den vergangenen Jahrzehnten vor allem von zwei Trends geprägt worden: Einerseits ist ein Wandel der Berufsstrukturen von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft zu beobachten. Andererseits wächst der Anteil prekärer und atypischer Beschäftigungsformen wie Minijobs und Zeitarbeitsverträge immer weiter an. Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass sich prekär und atypisch Beschäftigte zum Großteil der Mittelschicht zuordnen, obwohl ihre Lebensumstände häufig von Unsicherheit und finanziellen Schwankungen geprägt sind. Gleichzeitig weist insbesondere die Gruppe der prekär Beschäftigten ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zur Arbeiter:innenklasse auf. Das Zugehörigkeitsgefühl zur Arbeiter:innenklasse ist entsprechend weitgehend entkoppelt von der subjektiven Schichtzugehörigkeit. Mit Blick auf die Policy-Präferenzen zeigt sich ein gemischteres Bild, das vor allem dadurch gekennzeichnet ist, dass die Interessen der Gruppen sehr heterogen sind. Dies lässt sich insbesondere dadurch erklären, dass sich auch innerhalb beider Gruppen die Konflikt- und Diskussionslinien widerspiegeln, die auch gesamtgesellschaftlich beobachtet werden können.
Ausgewählte Ergebnisse der Studie präsentieren wir auf dieser Seite, die gesamt Studie ist hier kostenfrei abrufbar.
In welcher gesellschaftlichen Lage verorten sich prekär und atypisch Beschäftigte selbst?
Das eigene Zugehörigkeitsgefühl zu einer Schicht und / oder Klasse in Deutschland ist der erste Ausgangspunkt der Analyse. Die Befragten wurden zunächst gebeten, sich auf einer siebenstufigen Skala einer gesellschaftlichen Schicht von „unten“ bis „oben“ zuzuordnen. Abbildung 1 zeigt die subjektive Schichtzugehörigkeit für die Gruppe der atypisch und der prekär Beschäftigten jeweils gruppiert nach ihrem Zugehörigkeitsgefühl zur Arbeiter:innenklasse. Auffällig und dennoch wenig überraschend ist, dass für beide Gruppen eine extreme Tendenz zur Mitte zu beobachten ist. Dies unterstreicht das Ergebnis über die gesamte Stichprobe , bei der sich die Tendenz hin zur Selbstverortung zur gesellschaftlichen Mitte über alle Berufsklassen hinweg deutlich abzeichnet. Insgesamt ist die Verteilung innerhalb der Gruppe der atypisch Beschäftigten etwas breiter, während sie sich in der Gruppe der prekär Beschäftigten sehr deutlich auf die dritte, vierte und fünfte Kategorie konzentriert. Diese Zuordnung zeigt sich auch in den Aussagen der Teilnehmenden der Fokusgruppe „atypische Beschäftigte“: Sie ordnen sich dem unteren Drittel zu und bezeichnen diese Kategorie als „Durchkämpfer“ oder „Achterbahn-Menschen“. Das Leben dieser Menschen sei durch finanzielle Schwankungen geprägt, die z .B. durch gesundheitliche Umstände ausgelöst werden können.
„die Arbeiter von damals [sind] die heutigen Dienstleister […]; die meisten Dienstleistungsberufe heutzutage sind ja eher ungelernte Kräfte“ (Kundenbetreuerin, 30 Jahre alt, Bochum)
Die Teilnehmenden wurden zudem gefragt, ob sie sich der sogenannten Arbeiter:innenklasse zugehörig fühlen. Hier zeigt, dass sich von den atypisch Beschäftigten über alle Schichtzugehörigkeiten hinweg deutlich weniger dieser Klasse zugehörig fühlen als von den prekär Beschäftigten. Auffällig ist, dass das Zugehörigkeitsgefühl zur Arbeiter:innenklasse weitestgehend entkoppelt ist von der subjektiven Schichtzugehörigkeit, da sich in allen Schichtgruppen ein gewisser Anteil dieser Klasse zugehörig fühlt.