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Das Europäische Semester ist ein zentrales Instrument der Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU. Es ist jedoch vor allem ein Mittel zur Durchsetzung der Austeritätspolitik: Dies muss sich dringend ändern.
Bild: Bild: Europa-that's were I live Urheber: Hendrik Dacquin Lizenz: CC BY-ND 2.0
Europa hatte es nicht leicht in den vergangen knapp zehn Jahren: Wirtschaftskrise, Schuldenkrise, Finanzkrise – wie auch immer der jeweilige Schwerpunkt bei der Diagnose lautete, eines hatten sie alle gemeinsam: Die Europäische Union beziehungsweise die Eurozone konnte sich nur schwerlich und mit viel Zähneknirschen auf eine gemeinsame Strategie zur Lösung einigen. Gleichzeitig eint (fast) alle politischen Entscheidungsträger die Überzeugung, dass die Union Herausforderungen dieser Art nur zusammen lösen kann. Zu groß sind die Abhängigkeiten innerhalb des gemeinsamen Binnenmarktes als dass es nationale Antworten geben könnte. Mit dem Europäischen Semester wurde 2010 ein mächtiges Instrument der Economic Governance in der EU geschaffen; es gilt als zentraler Koordinierungsmechanismus, um die Wirtschafts-, Fiskal-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik der Mitgliedsländern besser miteinander abzustimmen. Im Zentrum der von der Kommission erarbeiteten Empfehlungen stehen Strukturreformen, welche die Stabilität – besonders im Euroraum – gewährleisten sollen.
Eben diese einseitige Fokussierung auf Stabilität kritisiert die neu erschienene Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Strukturreformen neu denken – Das Europäische Semester und der Jahreswachstumsbericht 2016“. Die Verfasser Joachim Schuster und Dominika Biegoń beanstanden hierin, dass wachstums-, beschäftigungs- oder sozialpolitische Ziele wenig oder gar nicht berücksichtigt würden. Stattdessen handele es sich um ein Set von Reformen, „welches vor allem auf staatliche Ausgabenkürzungen, Liberalisierung und Deregulierung setzt“ . Das Europäische Semester, und auch der von der Kommission veröffentlichte Jahreswachstumsbericht, sei ein Instrument zur Durchsetzung der Austeritätspolitik und behindere damit den dringend benötigten wirtschaftlichen Aufschwung in Europa.
Auch eine weitere kürzlich erschienene Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung warnt vor den Folgen der in vielen Staaten der Eurozone dramatisch zurückgegangenen öffentlichen Investitionen. Wie Achim Truger in seiner Studie „Reform der EU-Finanzpolitik“ analysiert, würden Regierungen „vor einer direkten Erhöhung der öffentlichen Investitionen aus Angst vor den daraus möglicherweise resultierenden höheren Budgetdefiziten“ zurückschrecken. Strukturreformen, die vor allem das Ziel der Haushaltskonsolidierung haben, verschlimmern diese Entwicklung. Zudem zeigen sich nicht nur Schuster und Biegoń überzeugt, dass die so fortgeführte Austeritätspolitik zur sozialen Spaltung Europas beitrage und die sozialen Folgen der Reformen keinen ausreichenden Stellenwert einnähmen.
Die Autoren der Studie fordern daher eine Abkehr vom existierenden System der Economic Governance und schlagen diverse Alternativen vor, welche „eine sozial und ökologisch verträgliche Wachstumspolitik“ etablieren sollen. Konkret geht es dabei um fünf Felder: Erstens, müsse die demokratische Legitimität des Europäischen Semesters gestärkt werden. Gerade das Europäische Parlament und auch die nationalen Parlamente sollen mehr Gewicht erhalten – im momentanen System formuliert die Kommission die Leitlinien und auch die konkreten Forderungen. Zweitens, seien mehr Investitionen in den öffentlichen Sektor und in soziale Dienstleistungen vonnöten. Drittens, müsse die fortschreitende Prekarisierung von Beschäftigung bekämpft werden. Beunruhigend ist hier besonders, dass das Problem von Armut trotz Erwerbstätigkeit sehr verbreitet sei. Dagegen helfen könnten zum Beispiel festgelegte Korridore für existenzsichernde Mindestlöhne. Viertens, geht es den Autoren um eine gerechte Steuerpolitik, welche dem wachsenden Einkommensungleichgewicht innerhalb der EU entgegenwirkt. Und fünftens, müsse die soziale Dimension im Europäischen Semester gestärkt werden. So gibt es zwar umfangreiche soziale Monitoringprozesse – in die konkreten Politikempfehlungen der Kommission flößen soziale Indikatoren jedoch kaum ein.
Da die wirtschafts- und fiskalpolitischen Empfehlungen der Kommission aber erhebliche Konsequenzen auch für die soziale Dimension haben, muss letztere stärker berücksichtigt werden. Doch damit, so sind sich die Autoren sicher, ist es nicht getan: „Eine grundlegende Neuausrichtung der im Europäischen Semester verfolgten Strukturreformen“ (http://library.fes.de/pdf-files/id/ipa/12143.pdf) sei nötig, denn erst „damit können die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um eine notwendige Weiterentwicklung der Währungsunion politisch mehrheitsfähig zu machen“.
Die gesamte Studie finden Sie hier:
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