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KMK-Vereinbarung zum Schulwesen: Irgendwie historisch, aber keine Roadmap in die Zukunft

Die KMK sprach von einem „historischen Tag für die Bildung in Deutschland“, die GEW von der Festschreibung „einer Bildungspolitik der Fünfzigerjahre West“. Beides stimmt.

Bild: Martin Habersaat von Dietmar Wadewitz

 

Von Martin Habersaat MdL

 

Die KMK sprach von einem „historischen Tag für die Bildung in Deutschland“, die GEW von der Festschreibung „einer Bildungspolitik der Fünfzigerjahre West“. Beides stimmt. Die „Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen“ löst das Hamburger Abkommen von 1964 ab. Vor 56 Jahren hätte kaum ein Mensch das Ziel vor Augen gehabt, dass Kinder mit Behinderungen den Regelunterricht besuchen können. Im Gegenteil, es galt als bewährte Praxis, jedes Kind, das nicht, wie es so schön hieß, „schulreif“ war, in eine Sonderschule auszusortieren. Damals erschien die scharfe Abgrenzung der weiterführenden Schularten als bester Weg für die Bildung der nachwachsenden Generation - Durchlässigkeit ja, aber ausschließlich nach unten.

Jetzt soll die Schulorganisation ein „Lernumfeld für alle“ schaffen. Die Idee einer gleichberechtigten Mitwirkung von Lehrerinnen und Lehrern, Schülerinnen und Schülern und Eltern in der Schulkonferenz wäre 1964 als schlechter Witz verstanden worden, jetzt ist sie selbstverständlich enthalten. Das Lernen in der digitalen Welt hat Eingang in die Vereinbarung gefunden, es gibt Einigkeit über den Nutzen von Bildungsstandards und Vergleichsstudien, sogar eine gemeinsame Strategie der Datennutzung soll entwickelt werden. Die ostdeutschen Länder haben ihre Einsichten eingebracht und mit der ständigen wissenschaftlichen Kommission, die die KMK künftig beraten soll, gibt es zumindest ein Trostpflaster für den von CSU, CDU, Grünen und Freien Wählern (oder anders: Bayern und Baden-Württemberg) verhinderten Nationalen Bildungsrat. Immerhin werden die Kommunen als Schulträger erstmals ein bisschen beteiligt. So ganz zukunftsfest scheint das Konstrukt allerdings nicht.

So ganz kann auch der Geist der Vergangenheit nicht in die Flasche gezwungen werden. Lag es an Bayern (die zwei zuerst genannten obersten Bildungsziele laut Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen dort lauten: Ehrfurcht vor Gott und Achtung vor religiöser Überzeugung ), dass zu den Bildungs- und Erziehungszielen aller Länder auch im Jahr 2020 noch das an religiösen Werten orientierte Handeln gehören muss?  Die Kirchen und Religionsgemeinschaften folgen in der Auflistung der an Schule Beteiligten gleich nach Schulaufsicht und Kommunen.

Manche kritische Frage wird vertagt oder offengelassen. Die Schulpflicht beträgt neun Jahre plus X, gerade an den Beruflichen Schulen mit ihrem Übergangssystem bleibt manches offen. Nachdem der Bund den Schulen digital auf die Sprünge geholfen hat, bleibt ungesagt, wie es mit der digitalen Infrastruktur weitergehen soll. Der Rahmen für die Regelungen zu Fächern und Lernbereichen soll gemeinsam neu festgelegt werden, aber nicht jetzt. Genauso ergeht es den Rahmenlehrplänen für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule. Die nach dem PISA-Schock auseinander gestobenen Schulartbezeichnungen sollen wieder zusammengeführt werden – später. Anderes ist nur auf den ersten Blick geeint. Von einer gemeinsamen Festlegung der Sommerferien war schon im Hamburger Abkommen die Rede, nur hat der Süden der Republik eben nie mitgemacht.

Solange die Passagen zur Gliederung und Organisation des Schulsystems nur beschreiben, was in den verschiedenen Ländern Praxis ist, wird zumindest nicht in die Gesetzgebungskompetenz der Landtage eingegriffen. Aber solange nur deskriptiv gearbeitet wird, wird eben auch keine Road Map zur Schule 2050 entwickelt, in der es um eine Abkehr von der Schule der Industriegesellgesellschaft hin zu einer Schule der Wissensgesellschaft (Anne Sliwka) gehen müsste, um die Gewährung von Chancengleichheit unabhängig von sozialer Herkunft, um Abschlüsse im eigenen Takt und um den Ausbau von Ganztagsangeboten, organisiert von multiprofessionellen Teams. Das wäre bei der Zusammensetzung der Kultusministerkonferenz und dem Einvernehmensprinzip vielleicht auch zu viel erwartet gewesen.

Das Hamburger Abkommen brachte 1964 Englisch ab Klasse 5 und eine einheitliche Einschulung im Sommer. Vergleichbar Einschneidendes ist 2020 nicht zu erkennen. Wichtig ist aber die Feststellung: Gemeinschaftsschulen und Inklusion, Digitalpakt, erste Ganztagsschulen und vieles mehr entwickelten sich am Hamburger Abkommen vorbei – so wird es auch künftig sein müssen. Die ständige wissenschaftliche Kommission wird hoffentlich Wegmarken dazu beitragen.

 

Martin Habersaat ist seit 2011 bildungspolitischer Sprecher und seit 2012 stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein. Vor seinem Landtagsmandat war er als Studienrat in Hamburg tätig und unterrichtete die Fächer Deutsch, Geschichte und PGW (Politik-Gesellschaft-Wirtschaft).



Über diesen Bildungsblog

Friedrichs Bildungsblog ist der bildungspolitische Blog der Friedrich-Ebert-Stiftung. Friedrich Ebert ist nicht nur Namensgeber der Stiftung.

Sein Lebensweg vom Sattler und Sohn eines Schneiders zum ersten demokratisch gewählten Präsidenten Deutschlands steht für Aufstieg durch Bildung.

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Katja Irle, Redaktionelle Betreuung des Blogs, Bildungs- und Wissenschaftsjournalistin 

Lena Bülow, Team Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

Florian Dähne, Leiter Bildungs- und Hochschulpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

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