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Indigene Völker im Spannungsfeld zwischen Monokulturen, Kohlenstoffbindung und Paraguays Zusicherungen im Kampf gegen Entwaldung
Auf der COP26 im Jahr 2021 unterzeichnete Paraguay die Erklärung der Staats- und Regierungschefs von Glasgow über Wälder und Landnutzung, in der sich die 145 Unterzeichnerstaaten dazu verpflichteten, die Entwaldung und Bodendegradierung bis 2030 zu „stoppen und umzukehren“.
Verbindlich ist diese Erklärung jedoch nicht. Die Abholzung nimmt überhand und die Rechte von Landwirt_innen und indigenen Völkern sind zunehmend gefährdet.
Obwohl Paraguay ein vergleichsweise kleines Land ist, gehört es laut einem im Oktober veröffentlichten Bericht der Forest Declaration Platform mittlerweile zu den vier Unterzeichnern der Erklärung von Glasgow mit der höchsten absoluten Entwaldungsrate. Laut einer Einschätzung der nationalen Klimapläne des Landes durch die Umweltorganisation Earthsight verfolgt Paraguay sogar das Ziel, die Emissionen und die Entwaldung bis 2030 um bis zu 27 Prozent zu erhöhen.
Auf eine entsprechende Anfrage antwortete das Umweltministerium, dass Initiativen wie das jahrzehntealte „Gesetz zum vollständigen Stopp der Entwaldung“ in der Tat “zur Förderung dieser Verpflichtung“ beitragen würden.
Dieses Gesetz gegen den Kahlschlag gilt jedoch nur in der östlichen Region Paraguays, wo in den letzten drei Jahren nur etwa zwölf Prozent der landesweiten Abholzung verbucht wurden. Der größte Teil der Waldrodung in diesem Teil des Landes wurde Ende der 1990er Jahre, als die massive Nachfrage nach Sojabohnen endete, gestoppt. Der Sojabohnenboom hatte die Ungleichheit in Bezug auf die Landbesitzverhältnisse in ganz Paraguay noch erheblich verschärft und fast zum Verschwinden des Mata Atlântica, des atlantischen Regenwalds, geführt.
Obwohl das gesetzliche Abholzungsverbot für eine verminderte Waldrodung in der Region sorgt, hat es auch einen Konflikt geschaffen, da es zum Schutz der so genannten tierras malhabidas (Spanisch für unrechtmäßig erworbenes Land) eingesetzt wird. Hierbei handelt es sich um acht Millionen Hektar Land, die während der Diktatur von Alfredo Stroessner (1954-1989) unter den Bauern aufgeteilt werden sollten und schließlich an Geschäftsleute und Politiker verschenkt wurden.
Die Nutznießer der unrechtmäßig erworbenen Ländereien begannen, diese als „private Naturschutzgebiete“ zu deklarieren. Einem Oxfam-Bericht zufolge profitieren sie dabei nicht nur von Steuererleichterungen und Greenwashing, sondern hindern darüber hinaus den paraguayischen Staat daran, die Gebiete zurückzufordern.
Insgesamt 88 Prozent der Entwaldung des Landes fand in den letzten Jahren in der westlichen Region, dem paraguayischen Chaco, statt. Dies steht in direktem Zusammenhang mit der dortigen Ausweitung der Viehzucht, die häufig auf indigenem Land betrieben wird.
Der skandalöseste Fall betrifft das Volk der Ayoreo, der letzten indigenen Volksgruppe Südamerikas außerhalb des Amazonasgebiets, die freiwillig in der Isolation geblieben ist. Obwohl sie durch internationale Maßnahmen geschützt ist, zeigte eine kürzlich durchgeführte Untersuchung, dass das Umweltministerium seit Jahren von der illegalen Viehhaltung in diesem Gebiet weiß und nichts dagegen unternommen hat. Stattdessen wird dieses inzwischen abgeholzte Gebiet immer noch als intakter Wald betrachtet, der weiterhin „Kohlenstoff bindet“ . Auf diese Weise ist es möglich für die abgeholzten Flächen weiter Kohlenstoffgutschriften zu erhalten.
Gleichwohl ist der größte Teil der Rodungen in Chaco gesetzlich zulässig. Denn nach gesetzlichen Vorgaben müssen Viehzüchter_innen und Bergbauunternehmen nur 25 Prozent des bewaldeten Landes intakt lassen.
Obwohl die Erklärung von Glasgow auf lokaler oder internationaler Ebene nur schwer durchsetzbar ist, glaubt Pablo Barrenechea, Direktor der Stiftung für Ökologie und Entwicklung, dass die Einfachheit der Verpflichtung zu einem besseren Verständnis führen könnte, als es derzeit beim Pariser Abkommen der Fall ist. „Ein Abkommen, das die Entwaldung stoppt, ist dagegen in seiner Zielsetzung konkret und einfach zu verstehen“, so Barrenechea.
Es besteht jedoch auch die Gefahr, dass das vage Ziel der Erklärung von Glasgow über Wälder und Landnutzung, „den Waldrückgang zu stoppen“, manche dazu verleiten könnte, die Abholzung in einem Teil des Landes durch Aufforstungsprogramme andernorts auszugleichen.
Dies birgt die Gefahr, dass kohlenstoffreiche, artenreiche Wälder abgeholzt und durch forstwirtschaftliche Plantagen voller invasiver Arten ersetzt werden, die häufig auf dem Gebiet indigener Völker angepflanzt werden. Dies gilt insbesondere für Eukalyptusplantagen, die erhebliche negative Auswirkungen auf die einheimische Artenvielfalt, die Bodengesundheit, das Waldbrandrisiko und den lokalen Grundwasserspiegel haben.
Genau das ist mit der indigenen Volksgruppe der Qom im Chaco-Wald geschehen. Das Volk der Qom, das in diesem Wald lebt, besteht aus 620 Familien, die sich auf acht verschiedene Gemeinden verteilen. Obwohl sie einen kollektiven Anspruch auf 1.117 Hektar des Waldes haben, hat eine von einer privaten Stiftung geförderte Eukalyptusplantage die Gemeinschaft gespalten. Bernarda Pessoa, eine der lokalen indigenen Führerinnen, die sich zu dem Projekt geäußert hat und die Ausweitung der Eukalyptusplantage verhindern will, hat seitdem Morddrohungen erhalten.
Dies ist nur ein Beispiel für die Herausforderungen, vor denen Paraguay derzeit steht. Obwohl die Wälder der Welt ein entscheidender Faktor bei der Bekämpfung des globalen Klimawandels sind, werden indigene Gruppen, wie die Qom und die Ayoreo, und ihre Lebensweise geopfert, wenn sie versuchen, kohlenstoffreiche Wälder zu schützen. Gleichzeitig wollen industrielle Branchenführer im Namen der Kohlenstoffbindung Aufforstungsinitiativen mit schnellwüchsigen, aber ökologisch zerstörerischen Pflanzen ausweiten.
Auf globaler Ebene werden die zahlreichen Ungerechtigkeiten des Klimawandels nur noch weiter zunehmen, wenn wir keinen Weg finden, den Eigenwert sowohl der Wälder als auch der sie schützenden „Waldvölker“ (forest people) besser anzuerkennen. Auf lokaler Ebene wird diese Ungerechtigkeit indes bereits in täglichen Konfrontationen zwischen Menschen, die versuchen, ihre Heimat zu schützen, Viehzüchter_innen und modernen Kolonisator_innen ausgetragen, die wissen, dass „Geld“ vielleicht nicht auf Bäumen wächst, Kohlenstoff jedoch schon.
Maxi ist ein uruguayischer Journalist, der sich auf die Berichterstattung über die Klimakrise spezialisiert hat und derzeit in Paraguay lebt. Seine Reportagen wurden in Medien in ganz Lateinamerika veröffentlicht, darunter Argentinien, Brasilien, Kolumbien und Uruguay. Maxi hat verschiedene Auszeichnungen erhalten, so auch den Gabriel García Márquez Journalism Award 2018 und den Amnesty International Paraguay Award.
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