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Multinational agierende Unternehmen haben es bisher verpasst, Frauenrechte ausreichend zu schützen und Geschlechtergerechtigkeit zu fördern. Ein neuer W7-Blogbeitrag der FES von Franziska Korn und Karolin Seitz.
Knapp 190 Millionen Frauen arbeiten weltweit in globalen Lieferketten. Sie versorgen die Welt mit Produkten und Dienstleistungen und halten die Wirtschaft am Laufen. Gleichzeitig sind sie mehrfach und in anderer Weise als Männer von den negativen Auswirkungen globalen Wirtschaftens betroffen.¹ Regelwerke und Gesetze müssen daher multinational agierende Unternehmen verpflichten, Frauen besonders zu schützen.
Die strukturelle Benachteiligung von Frauen zieht sich durch alle Ebenen der globalen Arbeitswelt. Frauen arbeiten wesentlich öfter als Männer in unsicheren und schlechter bezahlten Tätigkeiten, sind häufiger ungerechten und ungesunden Arbeitsbedingungen ausgesetzt, sind in leitenden Positionen unterrepräsentiert und werden öfters Opfer von Diskriminierung und sexuellen Übergriffen. Neben der Lohnarbeit bewältigen Frauen weltweit häufiger unbezahlte Arbeit wie Hausarbeit, Kinderbetreuung und Pflege. Patriarchale Gesellschaftsstrukturen verstärken die prekäre Lage vieler Frauen im Globalen Süden und Norden noch zusätzlich. Kommt es zu Umweltkatastrophen oder Menschenrechtsverletzungen im Kontext von Wirtschaftsaktivitäten, sind Frauen in besonderer Weise betroffen. Sie stehen großen Hürden gegenüber, Zugang zu Recht und Wiedergutmachung zu erlangen. Gleichzeitig sind Frauen in Gewerkschaften unterrepräsentiert, was öfters dazu führt, dass gendersensible Forderungen fehlen.
Die Coronapandemie hat Geschlechterungleichheiten verstärkt. Infolge des Zusammenbruchs globaler Lieferbeziehungen haben Armut, Ausbeutung und Diskriminierungen von Frauen weltweit zugenommen. Gleichzeitig hat die Pandemie auf drastische Weise die Abhängigkeiten zwischen dem Globalen Süden und Norden und das damit verbundene Machtgefälle zementiert. Die Textilindustrie, in der der Frauenanteil an der Belegschaft weltweit rund 80 Prozent beträgt, ist ein Beispiel dafür. In kürzester Zeit stornierten in Europa ansässige multinational agierende Unternehmen Aufträge in Millionenhöhe. Fabriken mussten schließen. Arbeiterinnen in Bangladesch, Indien oder Äthiopien verloren über Nacht ihre Arbeit. Die ausfallenden Löhne führten nicht zuletzt aufgrund fehlender sozialer Sicherungssysteme zu Armuts- und Hungerkrisen.
Wer es ernst meint mit der Nachhaltigkeit globaler Lieferketten, muss daher auch der Ausbeutung von Frauen entschieden entgegentreten. Multinational agierende Unternehmen haben es bisher verpasst, Frauenrechte ausreichend zu schützen und Geschlechtergerechtigkeit zu fördern. Versuche, mit Audits oder anderen freiwilligen Initiativen Menschenrechtsverletzungen präventiv entgegenzuwirken, sind vielfach gescheitert. Gesetze und Regelwerke sind von essenzieller Bedeutung, damit Unternehmen ihrer Pflicht zum Schutz von Mensch und Umwelt nachkommen. Die 2011 veröffentlichten UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte bilden die maßgebliche Orientierung. Sie zielen darauf ab, multinational agierende Unternehmen zu verpflichten, Menschenrechts- und Umweltrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferketten entgegenzuwirken und Wiedergutmachung zu leisten, sollte es zu Schäden kommen. Unternehmen sind außerdem angehalten, ihre unternehmerische Sorgfaltspflicht so zu gestalten, dass Gruppen, die einem besonderen Risiko der Vulnerabilität oder Marginalisierung ausgesetzt sind, besonderen Schutz erfahren. Frauen zählen zweifelsohne dazu.
Als Folge der UN-Leitprinzipien haben mehrere Länder sogenannte Sorgfaltspflichtengesetze verabschiedet. Während die Gesetze ein entscheidender Schritt zu einer gerechteren, solidarischen und nachhaltigen Globalisierung sind, nehmen sie Geschlechtergerechtigkeit nicht ausreichend in den Fokus. 2019 veröffentlichten die UN den Bericht "Gender Dimension of the Guiding Principles on Business and Human Rights", der erstmals Vorschläge für geschlechtergerechte Produktionsnetzwerke formulierte. 2020 folgte von einem breiten Bündnis aus zivilgesellschaftlichen Akteuren das Papier "Geschlechtergerechtigkeit in globalen Lieferketten". Es zeigt auf, wie geschlechtergerechte Lieferkettengesetze ausgestaltet sein müssen.
Während das deutsche Gesetz es verpasst hat, Geschlechtergerechtigkeit in den Fokus zu stellen, ist der EU-Entwurf für ein europäisches Lieferkettengesetz nicht völlig genderblind. So benennt der Entwurf die UN-Frauenrechtskonvention in der Liste der zu schützenden Menschenrechtsabkommen. Nicht enthalten ist jedoch das Verbot jeglicher Form von Diskriminierung aller - inklusive nicht angestellter - Frauen. Auch fehlen Forderungen nach einer geschlechtergerechten Risikoanalyse sowie eines Zugangs zu Rechtsmitteln, der Frauen tatsächlich ermöglicht, Wiedergutmachung einzufordern. Das ILO-Übereinkommen Nr. 190 über Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt ist bisher auch nicht enthalten. In den zukünftigen Diskussionen um die EU-Gesetzgebung muss Geschlechtergerechtigkeit nach vorne treten.
Das Motto der diesjährigen deutschen G7-Präsidentschaft lautet: „Fortschritt für eine gerechtere Welt“. Fortschritt und Gerechtigkeit können langfristig nur erzielt werden, wenn Globalisierung tatsächlich gerechter und nachhaltiger gestaltet wird. Bereits 2015 riefen die Staats- und Regierungschefs der G7 Unternehmen weltweit dazu auf, die Women’s Empowerment Principles (WEPs) in ihre Geschäftstätigkeit zu integrieren. Die WEPs, eine Initiative von UN Women und UN Global Compact, sind globale Grundsätze, mit deren Umsetzung Unternehmen gezielt zur Förderung und Stärkung von Frauen beitragen können. 2020 folgten die Evaluation und große Ernüchterung. Zwar bekannten sich viele Unternehmen öffentlich zu den Grundsätzen, ignorierten diese aber in ihrer Geschäftspraxis völlig. Fest steht: Nur mit Regelwerken und Gesetzen kommen Unternehmen ihrer Pflicht zum Schutz von Beschäftigten weltweit nach. Die G7-Präsidentschaft muss daher ein Zeichen setzen: Geschlechtergerechte Lieferkettengesetze auf nationaler und europäischer Ebene sind ein Muss. Ebenso braucht es ein international verbindliches Abkommen, das Unternehmen weltweit reguliert und den Zugang zu Recht und Wiedergutmachung im Fall von Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung durch Unternehmen sicherstellt. Mit dem sogenannten UN Treaty zu transnationalen Konzernen und anderen Unternehmen wird ein solches Abkommen derzeit im UN-Menschenrechtsrat verhandelt. Die G7 sollten sich in diese Verhandlungen konstruktiv einbringen und sich für ein starkes, geschlechtergerechtes Völkerrechtsabkommen einsetzen.
¹ Ähnlich diskriminiert sind auch Menschen anderer Geschlechteridentitäten. Der Fokus des Blogbeitrags liegt jedoch auf Frauen und Mädchen wegen ihrer starken Präsenz in zahlreichen Lieferketten.
Franziska Korn arbeitet als Referentin für Menschenrechte und Wirtschaft in der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Karolin Seitz ist Leiterin des Programms Wirtschaft und Menschenrechte beim Global Policy Forum.
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Jochen Dahm
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