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Über die Schlagkraft der Bündnisse, Knackpunkte des Gesetzes, Einfluss der Sozialdemokratie und die Rolle der FES, schreibt Frederike Boll.
Bis zuletzt war nicht klar, ob das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (Kurz: Lieferkettengesetz) noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Die Verhandlungspartner aus CDU/CSU und SPD haben hart verhandelt und konnten sich schlussendlich auf einen Kompromiss einigen, der sich sehen lassen kann.
In der vorletzten Sitzungswoche war es dann soweit: mit einer breiten Mehrheit des deutschen Bundestags wurde das Lieferkettengesetz verabschiedet - sogar mit Stimmen der Opposition. Ob das Gesetz mit seinem sperrigen Namen seinen Zweck erfüllt, muss sich in der Praxis erst noch beweisen. Eines ist jedoch klar: Deutschland hat einen Paradigmenwechsel vollzogen, weg von der Freiwilligkeit, hin zu einer verpflichtenden Unternehmensverantwortung.
Worum geht es bei diesem Gesetz? Was waren die Knackpunkte? Das Gesetz verpflichtet Unternehmen Verantwortung für ihre Lieferkette zu übernehmen, indem sie international anerkannte Menschenrechte und Umweltstandards achten und schützen.
Es legt sogenannte Sorgfaltspflichten für Unternehmen fest, die sich an den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte orientieren und grundsätzlich die gesamte Lieferkette erfassen sollen. Das Gesetz ist somit ein wichtiger Schritt hin zu einer fairen Globalisierung. Ab 2023 müssen Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten diese Sorgfaltsprozesse in ihre Geschäftstätigkeit implementieren. Ab 2024 wird die Schwelle auf 1000 Beschäftigte gesenkt. Ebenso sind Tochterunternehmen und ausländische Niederlassungen vom Gesetz eingeschlossen. Durch das Gesetz wird die Prävention von Menschenrechtsverletzungen bei unternehmerischen Handeln gestärkt: Dazu gehört, dass Unternehmen ein wirksames Risikomanagement einrichten und entweder systematisch für den eigenen Geschäftsbereich und unmittelbare Zulieferer (1. Teil der Lieferkette; direkter Vertragspartner/ Tochterunternehmen) oder anlassbezogen für mittelbare Zulieferer (2. Teil und folgende Teile der Lieferkette), Risikoanalysen durchführen müssen, um Risiken für Mensch und Umwelt zu erkennen und Verletzungen vorzubeugen, zu beenden oder zu minimieren. Zudem müssen Unternehmen nun bestimmte umweltbezogene Pflichten entlang ihrer Lieferkette erfüllen. Das Besondere an dem Gesetz ist, dass es eine behördliche Durchsetzung gibt. Diese Behörde wird die Einhaltung der Sorgfaltspflichten kontrollieren und bei Nichteinhaltung kann es Bußgelder verhängen. Gleichzeitig wird mit diesem Gesetz die Mitbestimmung von Betriebsräten gestärkt, da nun auch die betriebliche Interessenvertretung nachfragen kann, wie es um die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht im Unternehmen bestellt ist.
Das Gesetz ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Unternehmensverantwortung, aber dennoch konnte sich die Sozialdemokratie an manchen Punkten nicht gegen die Union durchsetzen. So gelten die Sorgfaltspflichten nur für den eigenen Geschäftsbereich und für unmittelbare, nicht aber eben nicht für mittelbare Zulieferer. Nur bei einer sogenannten „Substantiierten Kenntnis“, also bei einem Verdacht, müssen Unternehmen ihre gesamte Lieferkette in den Blick nehmen. Zudem fehlt eine zivilrechtliche Haftungsregel, wonach Unternehmen für Schäden haften, die sie durch Missachtung ihrer Sorgfaltspflichten verursacht haben. Auch werden Umweltaspekte nur marginal aufgenommen, eine eigenständige und umfangreiche umweltbezogene Sorgfaltspflicht fehlt. Schlussendlich greifen die Regelungen für eine wirksame Abhilfe und Wiedergutmachung für Betroffene sowie eine Beteiligung von Betroffenen am Verfahren zu kurz
Auch wenn sich die SPD mehr gewünscht hat, wurde das Maximum rausgeholt. In den letzten Verhandlungstagen konnten noch einige Verbesserungen erzielt werden, da die SPD in enger Absprache mit der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), dem DGB und der Zivilgesellschaft an einem Strang gezogen hat. Das Gesetz wurde durch eine Kampagne aus vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften und Weltläden getragen, die viel öffentlichen Druck erzeugte und es schaffte, Angriffe und Schmutzkampagnen seitens der Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände abzuwehren.
Die FES hat von Anfang an aufs richtige Pferd gesetzt und wiederholt für eine gesetzliche Regulierung in Bezug auf Unternehmensverantwortung geworben. Bereits 2015 wurde das erste Gutachten in Auftrag gegeben, wie und wo ein Gesetz im deutschen Recht verankert werden kann. FES-Studien, in denen internationale Gesetze zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht verglichen und auf ihre Effektivität untersucht wurden, haben dazu beigetragen, dass es überhaupt ein deutsches Gesetz gibt.
Es bleibt noch einiges zu tun, um Menschen- und vor allem Arbeitsrechte in globalen Lieferketten durchzusetzen. Nun geht es weiter, indem wir uns auf der europäischen Ebene für ein Lieferkettengesetz stark machen. Für September ist ein erster Entwurf seitens der EU-Kommission angekündigt. Auch da sollte die Europäische Sozialdemokratie starke Bündnisse schmieden, um Standards für alle Unternehmen in Europa durchzusetzen.
Klar ist: Wir als FES sind bereit mitzumachen!
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