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Der Einsatz moderner Distanzwaffen im Jemen: Die Zukunft des Krieges im Nahen und Mittleren Osten?

Die zunehmende Verbreitung präziser Distanzwaffen verändert die Kriegsführung von Autokratien und nicht-staatlichen Akteuren im Nahen und Mittleren Osten. Mit einem Fokus auf den Krieg im Jemen, diskutierten internationale Expert:innen in einem FES-Workshop die humanitären Folgen dieser Entwicklung und Konsequenzen für die Rüstungskontrolle.

 

Raketen, Drohnen, präzisionsgelenkte Munition und andere Militärtechnologien, die es den Kriegsführenden ermöglichen, Feinde aus der Ferne zu bekämpfen, verändern die Konzepte und Praktiken der Kriegsführung. Lange Zeit wurde die luftgestützte Präzisionskriegsführung als eine vorwiegend westliche Militärstrategie angesehen, im Zuge derer demokratisch gewählte Regierungen versuchen, Kritik an ihren Militärinterventionen zu minimieren, indem Bodentruppen reduziert und die Konfliktregionen überwiegend aus der Luft kontrolliert werden, um die Kosten der Kriege und die Opfer unter den eigenen Soldaten sowie der Zivilbevölkerung zu minimieren. Die zunehmende Proliferation der entsprechenden Technologien (vor allem durch westliche Staaten) und die rasche Entwicklung lokaler Rüstungsindustrien ermöglicht jedoch mittlerweile auch autokratischen Staaten und nicht-staatlichen Akteuren die Kriegsführung aus der Ferne. Dies lässt sich aktuell unter anderem im Jemen-Krieg beobachten, der einen der umfangreichsten Einsätze von Raketen und anderen Präzisionswaffen im 21. Jahrhundert verzeichnet.

 

Die daran beteiligten Golfstaaten wie Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die im März 2015 militärisch in den Konflikt eingriffen, setzen im Zuge ihrer Intervention überwiegend auf Luftangriffe sowie die Bewaffnung, Ausbildung und Finanzierung verbündeter Proxys (darunter lokale Militärs, Milizen, Stämme und Söldner). Auf eine umfangreiche Entsendung eigener Bodentruppen wird weitestgehend verzichtet. Damit weist ihre neue Interventionsstrategie deutliche Parallelen zur gegenwärtigen Kriegsführung westlicher Demokratien auf. In der konkreten Ausgestaltung jedoch zeigen sich (trotz der gleichen hochmodernen Waffensysteme) signifikante Unterschiede, was mitunter zur Zerstörung der zivilen Infrastruktur im Jemen beigetragen hat – mit dramatischen Folgen für die Ernährungssicherheit, die Gesundheitsversorgung und den Bildungssektor im Land.

 

Auch die Kriegsführung der Huthis, die ebenfalls eine Form der Distanzkriegsführung praktizieren und dabei technisch und strategisch vom Iran und der libanesischen Hisbollah unterstützt werden, hat enorm zur humanitären Katastrophe beigetragen. Seit Beginn des Krieges 2014/15 haben die Rebellen ballistische Raketen, Drohnen und Marschflugkörper eingesetzt, um zivile und militärische Ziele im Jemen, in Saudi-Arabien und den VAE anzugreifen. Insbesondere ihre Luftangriffe auf Städte (darunter Marib und Taiz) und kritische Infrastruktur wie Ölterminals und Häfen haben erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen und tragen zu einer zunehmenden Verschlechterung der humanitären Situation bei.

 

Gemeinsam mit dem Center for Applied Research in Partnership with the Orient (CARPO) und dem Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) veranstaltete die FES 2022 einen zweitägigen Workshop in Berlin mit internationalen und regionalen Expert:innen, um die militärstrategische Neuausrichtung in der Region, die humanitären Folgen dieser Kriegsführung und deren Auswirkungen auf die Rüstungskontrolle zu diskutieren. Diese FES-Perspektive ist eine Zusammenfassung der Workshop-Diskussionen.

 

Bales, Marius; Heinze, Marie-Christine; Mutschler, Max

Zooming in on the Yemen war

The future of warfare and human rights in the Middle East
Bonn, 2023

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Fokus Zeitenwende der Friedrich-Ebert-Stiftung: Eine neue Ära

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