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Politikexperte Jeff Crisp analysiert zentrale Verpflichtungen sowie Herausforderungen des UN-Rahmenplans für Flüchtlingsmaßnahmen von 2016.
Bild: United States. A global appeal for refugee rights von © UNHCR/Slaven Vlasic
Vor einem Jahr haben 193 Mitgliedstaaten der UNO die New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migrant_innen (Comprehensive Refugee Response Framework, CRPF) verabschiedet. Diese umreißt Elemente eines umfassenden Rahmenplans für eine neue Ära der Flüchtlingsarbeit. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen bezeichnet das Comprehensive Refugee Response Framework als „Paradigmenwechsel” und als „Meilenstein für die globale Solidarität und den Flüchtlingsschutz.” Es wird, so das Hilfswerk, „die Spielregeln verändern”.
Diese optimistische Einschätzung ist verständlich. Flüchtlingsbewegungen sind mittlerweile zu einem Thema geworden, das politische Sprengkraft besitzt und so war es für die Vereinten Nationen eine wichtige Leistung, eine Erklärung ausgehandelt zu haben, welche die Grundprinzipien des Flüchtlingsschutzes aufrecht erhält und Staaten dazu verpflichtet, sich in Flüchtlingsfragen besser abzustimmen und zusammen zu arbeiten.Es wird aber immer deutlicher, dass es schwierig wird, die in New York vereinbarten Zielsetzungen auch zu erreichen.
Während des vergangenen Jahres wurde Donald Trump zum Präsidenten der USA gewählt und lehnte schnell die traditionelle Führungsrolle seines Landes im internationalen Flüchtlingsschutzsystem ab. Die Europäische Union ist fragwürdige Abkommen mit zahlreichen autoritären und gescheiterten Staaten eingegangen. Verschärfung der Grenzkontrollen hat Syrer_innen die Flucht aus den Konfliktzonen in ihrem Lande immer weiter erschwert. Flüchtlinge aus instabilen Ländern wie Afghanistan oder Somalia sind zur Rückkehr bewegt oder gezwungen worden.
All diese Dinge sind kein gutes Omen für die New Yorker Erklärung. Sie zeigen die besonderen Herausforderungen für jedes der vier Ziele, die sich das CRRF gesetzt hat:
Die Entwicklungsländer, in denen gut 85% der Geflüchteten leben, beklagen schon lange die unverhältnismäßig große Verantwortung, die sie für die im Exil lebenden Bevölkerungen der Welt tragen. Die massiven Zuwanderungen in Staaten wie Jordanien, den Libanon, Äthiopien und Uganda haben die Situation noch verschärft. Es wäre sehr sinnvoll, wenn diese Frage zum Kern des neuen UNO-Rahmens gerechnet würde.
Doch wie kann dieser Druck verringert werden? Bereits die regulären Flüchtlingshilfsprogramme sind unterfinanziert und es ist nicht klar, woher die zusätzlichen Mittel zur Unterstützung der Aufnahmegemeinden herkommen sollen.
Einige Menschen setzten ihre Hoffnung – obwohl das Thema bereits jahrzehntelang diskutiert wird – auf das neue Engagement der Weltbank. Aber auch wenn die Weltbank all ihren Verpflichtungen nachkommen sollte, blieben viele Fragen ungeklärt.
Wird sich der Entwicklungsansatz der Weltbank auf strategisch wichtige Länder mit mittlerem Einkommen wie Jordanien oder den Libanon beschränken, oder auch instabile Regionen wie Tschad und Ostsudan mit einschließen? Werden Aufnahmeländer bereit sein, Darlehen von der Weltbank anzunehmen?
Und werden sie die Geduld haben, sich an den Entwicklungsansatz zu halten, bis dieser Wirkung zeigt? Oder werden sie versuchen, wie derzeitig der Fall Libanon zeigt, eine Lösungssuche zu umgehen und Geflüchtete unvorbereitet und ohne deren Einverständnis zur Rückkehr in ihre Heimatländer zu drängen?
Trotz jahrzehntelanger Bemühungen, Geflüchteten Arbeit und Selbstständigkeit zu ermöglichen, hat man nur sehr begrenzte Fortschritte auf diesem Gebiet erzielt. Viele Geflüchtete sind weiterhin teilweise von Hilfe abhängig, oder haben ohne Hilfe Wege gefunden, ihr Überleben zu sichern, meist im informellen (und oft ausbeuterischen) Wirtschaftssektor.
Die Gründe dafür sind gut bekannt. Oft sperren die Aufnahmestaaten Geflüchtete lieber in Lager ein und zögern, ihnen Zugang zu Produktionsmitteln wie Ackerland, zum Arbeitsmarkt, zu legalen Handelsmöglichkeiten und Kapitalanlagen zu gewähren.
Solche Politiken beruhen auf zwei irreführenden Annahmen: Erstens, dass es sich dabei um ein Nullsummenspiel handelt, bei dem jede durch einen Geflüchteten gegründete Existenz einem Staatsbürger die entsprechende Chance raubt; und zweitens, dass diejenigen Geflüchteten, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen, sich allzu wohl fühlen und daher weniger geneigt wären, in ihre Heimatländer zurückzukehren, auch wenn die Lage dort deutlich sicherer für sie geworden ist.
Es gilt, diese Annahmen zu widerlegen. Aber es ist nicht wahrscheinlich, dass die Aufnahmeländer, die die meisten Geflüchteten aufgenommen haben, Gegenargumente akzeptieren und Geflüchteten das Recht auf Arbeit einräumen, wenn die reicheren Regionen nicht auch ihrerseits mehr Bereitschaft zeigen, einen Teil der Verantwortung zu übernehmen – so wie es die New Yorker Erklärung fordert.
Um diese Bereitschaft unter Beweis zu stellen, müssten die Industrieländer Umsiedlungsprogramme ausweiten und mehr Geflüchteten den Weg aus den Entwicklungsländern und einen Neubeginn an Orten ermöglichen, an denen sie besser unterstützt werden können.
All das scheint sehr unwahrscheinlich. In den Verhandlungen über die New Yorker Erklärung haben die reicheren Länder darauf bestanden, dass es keine konkreten Ziele oder bindende Verpflichtungen über Umsiedlungszahlen geben darf.
Seitdem haben die Vereinigten Staaten – das Land mit dem größten Umsiedlungsprogramm – ihre jährliche Umsiedlungsquote drastisch gekürzt und Menschen aus Staaten mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit die Einreise erheblich erschwert, obwohl ein großer Anteil der weltweit fliehenden Menschen gerade aus diesen Ländern stammt.
Es ist nicht zu erwarten, dass andere Länder diese Lücke füllen. Die EU etwa hat große Schwierigkeiten bei der Umsetzung ihres internen Umsiedlungsprogramms. Nur Kanada hat lobenswerte Schritte beim Ausbau seines Umsiedlungprogramms unternommen.
Sechs Monate vor dem New Yorker Gipfeltreffen hat der UNHCR in Genf eine Konferenz zum Thema „alternative Zugangswege für syrische Flüchtlinge” abgehalten, ohne nennenswerte Zusagen. Zu solchen Alternativen sollten Programme zur Familienzusammenführung, humanitäre Visa, Bildungsstipendien und Beschäftigungschancen gehören. Kein Staat machte große Zusagen. Es scheint, dass Geflüchtete in vielen Ländern nicht willkommen sind, selbst wenn diese auf sichere, legale und kontrollierte Weise einreisen.
Dieser Ansatz erfreut sich mit Gewissheit größter Unterstützung in der internationalen Gemeinschaft. Seit Jahrzehnten haben der UNHCR und andere wichtige Akteure die Überzeugung vertreten, dass die Repatriierung die beste und oft die einzige Lösung der Flüchtlingssituationen darstelle. Aber die Bemühungen, rückführungsfreundliche Bedingungen zu fördern ist ein langwieriger, langsamer und oft frustrierender Prozess. Dies ist keine Überraschung, da es sich zumeist um Länder handelt, deren politischen, ökonomischen und sozialen Systeme durch andauernde bewaffnete Konflikte und ethnische Gewalt zerrüttet sind.
Geflüchtete sind verständlicherweise zurückhaltend, unter solchen Umständen in ihre Heimatländer zurückzukehren. Das hat ungeduldige Staaten – samt den internationalen Organisationen, die von ihnen finanziert werden – dazu bewegt, Repatriierungsprogramme in die Wege zu leiten, die weder freiwillig noch ungefährlich sind. Damit verstoßen sie gegen Recht und Normen des Flüchtlingsschutzes. So etwas darf unter der Aufsicht des CRRF nicht geschehen.
Letztendlich haben humanitäre und Entwicklungsorganisationen nur beschränkten Einfluss darauf, Bedingungen für die Rückkehr von Geflüchteten herbeizuführen. Man sollte eher der Wirksamkeit des friedens- und sicherheitsfördernden Apparats der UNO größere Aufmerksamkeit schenken.
In den neunziger Jahren wurden zum Beispiel großangelegte freiwillige Repatriierungen nach Mittelamerika, Südostasien, und dem südlichen Teil Afrikas auf Grund von wirksamen, von der UNO ausgehandelten Friedensabkommen und multidimensionalen friedenserhaltenden und friedensstiftenden Einsätzen möglich. Wenn wir aus diesen Erfahrungen lernen wollen, müssen wir einsehen, dass das vierte Ziel erst dann erreichbar ist, wenn es „einen konzertierten diplomatischen Sprung zugunsten des Friedens” gibt, wie ihn der ehemalige Hohe Flüchtlingskommissar Antonio Guterres ausgesprochen hat, als er im Januar das Amt des Generalsekretärs der Vereinten Nationen antrat.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Refugees Deeply. Die in diesem Artikel vertretenen Ansichten sind die des Autors und entsprechen nicht notwendigerweise der redaktionellen Linie von Refugees Deeply oder der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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