Die Volksrepublik China (VRC) hat ihre traditionelle außenpolitische Zurückhaltung aufgegeben und spielt eine aktive Rolle bei der Gestaltung der globalen Ordnung des 21. Jahrhunderts. Unsere vorliegende Analyse aus der Veröffentlichungsreihe »Gestaltungsmacht China« der FES, beleuchtet diese Veränderungen und konzentriert sich dabei ausdrücklich auf Chinas globale Gesundheitsdiplomatie.
Das Hauptaugenmerk der Analyse liegt auf einem umfassenden Überblick über Pekings Bemühungen im Bereich der Gesundheitskooperation, der veranschaulicht, wie die chinesische Führung die Gesundheitsdiplomatie zur Erzeugung von Soft Power einsetzt. Dabei werden sowohl die erklärten Ziele Pekings als auch die strategischen Interessen des Landes an einer Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich behandelt. Dabei wird insbesondere Chinas jüngste internationale COVID-19-Hilfe in den breiteren Kontext der Belt and Road Initiative (BRI) und der Health Silk Road (HSR) gestellt. Die Analyse schließt mit einer Reihe von Vorschlägen, wie Europa China auf dem Gebiet der globalen Gesundheitspolitik besser begegnen kann. Diese Empfehlungen zielen darauf ab, Prioritäten gegenüber Drittländern zu setzen, damit Europa als zuverlässiger Partner in Gesundheitsfragen wahrgenommen wird.
Chinas Gesundheitsdiplomatie hat sich nicht über Nacht entwickelt
Die Gesundheitsdiplomatie der VR China hat sich nicht über Nacht entwickelt. Peking entsendet seit Jahrzehnten medizinische Teams ins Ausland, während die chinesischen Provinzen enge Beziehungen zu einzelnen Ländern pflegen. So hat die Provinz Henan beispielsweise ihre Beziehungen zu Sambia, Äthiopien und Eritrea aufrechterhalten, während Yunnan enge Beziehungen zu Uganda unterhält. Darüber hinaus nutzt die VR China seit vielen Jahren die Gesundheitsdiplomatie, um politische Ziele auf multilateraler Ebene zu erreichen. Ein Beispiel dafür ist, wie Peking bei den ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika und Asien für seine Aufnahme in die UNO im Jahr 1971 geworben hat.
Um ein besseres Verständnis von Chinas globaler Gesundheitsdiplomatie zu ermöglichen, hat die Asien-Pazifik-Abteilung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) kürzlich die vorliegende Analyse mit dem Titel Chinas globale Gesundheitsdiplomatie veröffentlicht. Der von Dr. Moritz Rudolf verfasste Bericht zeigt, wie Peking nach dem Ausbruch von SARS-CoV-1 im Jahr 2002, der Chinas wirtschaftliche und politische Stabilität in Frage stellte, seine Bemühungen um internationale Gesundheitskooperation verstärkte. Darüber hinaus zeigt er auf, wie der Start der HSR 2015 den Beginn einer strategischen, zentralisierten und gestrafften Gesundheitsdiplomatie markierte.
Erklärtes Ziel der HSR ist es, "Soft Power und Einfluss im Bereich der regionalen und globalen Gesundheitssteuerung" zu generieren und Chinas "Status als wichtiges Land" zu erhöhen. Sie umfasst folgende Bereiche: (1) Ausweitung der Kooperationsmechanismen im Gesundheitswesen, (2) Prävention und Bekämpfung von Infektionskrankheiten, (3) Aufbau von Kapazitäten und Ausbildungsprogramme für Talente, (4) medizinische Notfallhilfe, (5) traditionelle chinesische Medizin (TCM), (6) Reform des Gesundheitssystems und Koordinierung der Gesundheitspolitik, (7) Entwicklungshilfe im Gesundheitswesen (z. B. kostenlose Operationen), (8) Entwicklung der Gesundheitsindustrie.
COVID diente als Katalysator und Beschleuniger für die regionalen Bemühungen Pekings
Die COVID-19-Pandemie diente als Katalysator und Beschleuniger für die Bemühungen Pekings um eine Ausweitung der regionalen Zusammenarbeit im Gesundheitswesen. Die Mehrheit der Drittstaaten begrüßte Chinas gesundheitspolitische Zusammenarbeit und unterstützte in vielen Fällen wichtige politische Positionen Chinas in regionalen und multilateralen Gremien (z. B. in Bezug auf Xinjiang und Hongkong).
Nicht nur aus diesem Grund und trotz Pekings quixotischer Null-COVID-19-Politik kommt Dr. Rudolf zu dem Schluss, dass sich Entscheidungsträger_innen in Europa den langfristigen Auswirkungen der chinesischen Hilfe für Entwicklungsländer bewusst sein sollten und die Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich auch aus einem strategischeren und geopolitischen Blickwinkel betrachten sollten. Während Peking das Narrativ vom Niedergang des Westens propagiert, sollten die europäischen Entscheidungsträger_innen das Narrativ von der Fähigkeit des Westens, sich selbst wieder zur Normalität geimpft zu haben, fördern und eine offene Einladung an Drittländer aussprechen.
So ist es beispielsweise wichtig, den Blick zu weiten und Analogien zu ziehen. Die Gesundheitsdiplomatie der VR China veranschaulicht die Funktionalität der BRI und den außenpolitischen Ansatz der VR China. Die BRI ist eine umfassende Vision für den Aufbau von China-zentrierten Netzwerken in einer Vielzahl von Politikbereichen, einschließlich der Gesundheitspolitik. Darüber hinaus sollten sich europäischen Entscheidungsträger_innen des Ausmaßes von Chinas Ambitionen bewusst sein, Drittländer für sich zu gewinnen. Es wäre falsch, die Fähigkeit der Volksrepublik, aus ihren Fehlern zu lernen und ihre Gesundheitsdiplomatie zu verbessern, zu unterschätzen. Peking ist sich bewusst, dass die Unterstützung von Drittländern für die Aufrechterhaltung und Reform der internationalen Ordnung entscheidend ist. Aus diesem Grund wendet sich China an Drittländer und bietet sich den Entwicklungsländern als natürlicher Partner an.