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Unter der Leitung Kristalina Georgievas hat der IWF mit angekündigten, sofortigen Schuldenerleichterung erfolgreich Druck auf die G20 ausgeübt.
Bild: Materialermüdung von jenzig71/photocase
Seit dem 14. April findet die virtuelle Frühjahrstagung von IWF und Weltbankgruppe statt. Zivilgesellschaftliche Gruppen tragen seit Wochen ihre Forderung nach einem Schuldenerlass für die ärmsten Länder vor, die enorm unter dem wirtschaftlichen Druck der Covid-19-Pandemie leiden. Sämtliche UN-Stellungnahmen, wie der Bericht zu den sozio-ökonomischen Auswirkungen von Covid-19 von UN Secretary-General Antonio Guterres, plädierten seit März dafür, zumindest die Zinszahlungen 2020 auszusetzen. Allen Beteiligten ist dabei klar, dass viele Länder ohnehin an der Schwelle zu einer neuen Schuldenkrise standen. Nicht zuletzt Weltbank (Global Waves of Debt, Dezember 2019) und IWF (The Evolution of Public Debt Vulnerabilities in Lower Income Economies, Februar 2020) selbst hatten davor sehr deutlich gewarnt.
Am 13. April hatte es einen Vorstoß vom IWF gegeben, mithilfe des 2015 während des Ebola-Ausbruchs aufgesetzten „Catastrophe Containment and Relief Trust“ (CCRT) Schuldenerlasse für die 25 ärmsten und am stärksten betroffenen Länder vorzunehmen, um Mittel für Eindämmung und Wiederaufbau freizusetzen. Die frei werdenden Mittel werden dringend benötigt, um die Gesundheits- oder sozialen Sicherungssysteme in den Ländern vor dem Kollaps zu bewahren.
Am 14. April erklärten die G7-Finanzminister_innen und Zentralbank-Präsident_innen ihre Bereitschaft, „eine zeitlich befristete Aussetzung der Schuldendienstzahlungen für die bilateralen Forderungen“ zu gewähren; verbunden mit der Bedingung, dass sich die G20 – mit dem wichtigen Gläubiger China – anschließen. Außerdem wurde gefordert, in die Entschuldungsbemühungen private Gläubiger – natürlich auf freiwilliger Basis – einzubeziehen. Aus dem französischen Finanzministerium war zu vernehmen, dass private Gläubiger sich tatsächlich bereit erklärten, Kredite der ärmsten Länder in Höhe von 8 Milliarden Dollar zu verlängern oder zu refinanzieren, zusätzlich zu den 12 Milliarden Dollar ausgesetztem Schuldendienst.
In ihrer Frühjahrstagung-Eröffnungsrede am 15. April legt Kristalina Georgieva, geschäftsführende Direktorin des IWF, noch einmal dar: «Die internationale Gemeinschaft muss den am stärksten gefährdeten Ländern helfen, indem sie zum einen Mittel zur Verfügung stellt, und zum anderen Erleichterungen beim Schuldendienst ermöglicht, um Ausgaben für dringende Gesundheitsausgaben und die Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise freizusetzen». Am selben Tag beschließt die G20 substantielle Maßnahmen: Das Einfrieren von sowohl Tilgungs- als auch Zinszahlungen ab Mai bis Ende 2020. Mit der Aussetzung des Schuldendienstes werden schätzungsweise 20 bis 25 Milliarden Dollar freigesetzt. Das gilt für 76 Länder, die für eine Unterstützung durch die Internationale Entwicklungsorganisation der Weltbank (IDA) in Frage kommen, und Least Developed Countries (LDCs) – solange diese gegenwärtig Schuldendienstzahlungen an die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds leisten, also keine Zahlungsrückstände aufweisen. Alle bilateralen offiziellen Gläubiger werden sich an dieser Initiative beteiligen. Das kann durchaus als historischer Schritt bezeichnet werden, so die spontane Reaktion von Jürgen Kaiser, der das Bündnis erlassjahr.de koordiniert.
Die Rückzahlungsperiode wird 3 Jahre betragen, mit einer einjährigen tilgungsfreien Zeit (insgesamt 4 Jahre). Es ist vollkommen klar, dass diese schnelle und wirksame Initiative durch eine langfristige Lösung zur Schuldentragfähigkeit einkommensschwächerer Länder ergänzt werden muss. Die G20 muss sich damit befassen, was mit den ausgesetzten Zahlungen passieren soll.
Das Problem ist strukturell: in den Jahren nach der globalen Finanzkrise 2008 hatten die Länder hohe Kredite aufgenommen. Bei der wirtschaftspolitischen Bewältigung der Gesundheitskrise kämpfen sie an mehreren Fronten gleichzeitig: hohe Schulden, Haushaltsdefizite, sinkende Einnahmen aufgrund des gedrückten Niveaus der Rohstoffpreise und schwache Währungen durch die negativen Auswirkungen auf die Wechselkurse der Entwicklungsländer. Zusätzlich werden sich die jetzt fehlenden Einnahmen aus Remittances, ein massiver Abzug bzw. Rückgang von Portfolio- und Direktinvestitionen und der seit 2018 ohnehin stagnierende Welthandel bemerkbar machen.
In ihrer Analyse des vom IWF am 13. April angekündigten Schuldenerlasses für die 25 Länder im Rahmen des CCRT stellt die Organisation Eurodad fest, dass der IWF eine Führungsrolle beim Schuldenerlass eingenommen hat, die hoffentlich den anderen – öffentlich bilateralen und privaten – Gläubigern die Dringlichkeit der Situation verdeutlicht. Es sei als „symbolische Geste“ zu verstehen gewesen, Druck auf die G20 auszuüben, es dem IWF gleichzutun. Dass das bereits Früchte getragen hat, kann durchaus als Stärke des IWF unter Führung Kristalina Georgievas interpretiert werden, die frühzeitig priorisiert und erkannt hat, dass Entwicklungsländer einen Großteil ihrer knappen finanziellen Ressourcen für lebenswichtige Maßnahmen sofort benötigen.
Jetzt wäre es gut, wenn 2021 eine umfassendere Schuldenerlassinitiative folgen könnte.
Kaiser, Jürgen
Was wurde aus den HIPC-Ländern? / Jürgen Kaiser. - Berlin : Friedrich-Ebert-Stiftung, Globale Politik und Entwicklung, April 2019. - 21 Seiten = 250 KB, PDF-File. - (Studie). - (Wirtschaft und Finanzen)Electronic ed.: Berlin : FES, 2019ISBN 978-3-96250-323-9
Publikation herunterladen (250 KB, PDF-File)
Ein Interview mit Jürgen Kaiser, politischer Koordinator von erlassjahr.de und Autor von „Die globale (Staats)-Schuldenkrise vor Corona“
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