In den letzten drei Jahren hatte der deutsche Staat hohe Sonderausgaben, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine abzufedern. Die seit 2011 bestehende Schuldenbremse wurde zeitweise ausgesetzt und verschiedene Sondervermögen beschlossen. Unter anderem wurden 60 Milliarden Euro, die ursprünglich als Corona-Hilfen geplant waren, für den neu aufgesetzten Klima- und Transformationsfonds (KTF) umgewidmet.
Diese Mittelverschiebung wurde am 15. November 2023 vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Die 60 Milliarden Euro dürfen nicht für die Zwecke des KTF ausgegeben werden. Der KTF ist insgesamt mit rund 211 Milliarden Euro ausgestattet und fördert unter anderem Energieeffizienz von Gebäuden (GEG), das Aussetzen der EEG-Umlage und Investitionen in den Hochlauf klimafreundlicher Technologien wie etwa der Halbleiterproduktion oder der Wasserstoffwirtschaft.
Es ist dringend geboten, eine schnelle Lösung zu finden, um die nun „fehlenden“ 60 Milliarden Euro weiterhin veranschlagen zu können. Ein Weg wäre, die Schuldenbremse abzuschaffen oder zu reformieren - dies würde eine verfassungsändernde Mehrheit im Parlament voraussetzen. Dieser Weg wird aktuell öffentlich diskutiert, scheint aber höchst unwahrscheinlich. Es lohnt sich deshalb für eine Lösung auf die Einnahmeseite des Haushalts zu blicken: In einer neuen Studie für die Friedrich-Ebert-Stiftung macht Prof. Tom Krebs von der Universität Mannheim Vorschläge wie man die Einnahmenseite des Bundeshaushalts stärken und so trotz Schuldenbremse dringende Investitionen in die Transformation zur klimaneutralen Wirtschaft tätigen könnte.
Drei Möglichkeiten bieten sich an: eine Erhöhung der Investitionstätigkeit öffentlicher Unternehmen, die Neuberechnung des Produktionspotenzials und eine Reform der Erbschaftssteuer. Kredite von öffentlichen Unternehmen gehen nicht zu Lasten der durch die Schuldenbremse festgelegte Nettokreditaufnahme von maximal 0,35% des BIP. Über einen Erwerb von öffentlichen Unternehmen, gerade im Bereich von Zukunftstechnologien wie etwa der Wasserstoffwirtschaft, könnten Investitionen über Unternehmenskredite finanziert werden. Daneben zeigt die Studie, dass die aktuelle Berechnung des Produktionspotenzials der deutschen Wirtschaft gerade unterschätzt wird, da die krisenbedingten Produktionsverluste als dauerhaft bewertet werden. Würde man die Produktionspotenziale neu berechnen, könnte man die Nettokreditaufnahme-Grenze kurzfristig von 17 auf 45 Milliarden Euro hochsetzen. Eine weitere langfristige Möglichkeit die Einnahmen, insbesondere für die Haushalte der Länder, zu steigern, wäre eine Reform der Erbschaftssteuer, die steuerliche Ausnahmeregelungen bei Unternehmensübertragungen stärker in den Blick nimmt. In der aktuellen Regierungskonstellation scheint diese Möglichkeit allerdings ebenso unwahrscheinlich wie eine Abschaffung der Schuldenbremse.
Dass erhöhter Handlungsbedarf besteht, unterstreicht die Studie „Zeitenwende: Wie wir unsere Wirtschaft und das Klima retten“, unabhängig von den Herausforderungen, die sich durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben. Die Studie zeigt Investitionsbedarfe von insgesamt 80 Milliarden Euro neben den nun „fehlenden“ 60 Milliarden Euro aus dem KTF im Bereich der klimaneutralen Transformation und Daseinsvorsorge auf. Diese Investitionen sind zwingend notwendig, will die Bundesrepublik auch in Zukunft eine starke und wettbewerbsfähige Wirtschaft haben. Sie zu ermögliche, auch ohne die nun gestrichenen Gelder ist Aufgabe der Bundesregierung.