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In Vietnam wird energiepolitische Debatte ausschließlich im Wirtschaftsressort der Medien geführt. Wie können Journalist_innen das ändern?
Vietnam gehört zu jenen Ländern Südostasiens, das von Kohle sehr stark abhängig ist. Die Bemühungen des Landes diese Abhängigkeit zu verringern, sind Gegenstand zahlreicher politischer Debatten und umfangreicher Berichterstattung, die sich aber vor allem auf das Wirtschaftsressort beschränken. Dabei ist die menschliche Seite der Geschichte, also diejenige, die die Belange der Menschen beleuchtet, viel dringlicher und packender: Wie gefährlich es ist beispielsweise in der Nähe umweltverschmutzender Kraftwerke zu leben oder was es bedeutet, den Auswirkungen des Klimawandels schutzlos ausgesetzt zu sein. Mit der richtigen Anleitung und eines anderen Blickwinkels könnten die Journalist_innen fesselnde Storys schreiben und zugleich wirkungsvolle Fürsprecher_innen einer sauberen und gerechten Energiewende werden.
Betrachtet man lediglich die Menge an Beiträgen, haben die Journalist_innen laut einem kürzlich erschienenen Bericht des Unterstützungsnetzwerks für Journalist_innen Climate Tracker in den letzten zwei Jahren ihre Berichterstattung über erneuerbare Energien gesteigert und sind besonders den Geschichten über Solarenergie im gesamten Land gefolgt. Die Studie stellte jedoch fest, dass 70 Prozent der Beiträge zum Thema Energie im untersuchten Zeitraum im Wirtschaftsressort der Medien erschienen, und nur neun von 268 Artikeln Stimmen aus der lokalen Bevölkerung zitierten. Journalist_innen bevorzugen weiterhin offizielle Quellen und Ansichten, und viele betrachten die Medien in erster Linie als Plattform für die Reaktionen aus der Wirtschaft zu Regierungsplänen.
Energieerzeugung mag zwar auf Technologie basieren und von der Wirtschaft angetrieben werden, aber es ist zuallererst ihre menschliche Seite, die das Leben jedes Lesenden auf unterschiedliche Weise betrifft. Ob ein Land sich für schmutzige oder saubere Energieprojekte entscheidet, bestimmt die Lebensbedingungen Tausender Menschen in der Umgebung der Projektstandorte. Große Kraftwerke, die die Umwelt verschmutzen, können eine gesamte Lokalbevölkerung vertreiben, ohne diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich anderswo ein neues Leben aufzubauen. Außerdem gibt es einen engen Zusammenhang zwischen dem Zugang zu Energie und sozialer Gerechtigkeit in Ländern des Globalen Südens wie Vietnam, wo viele nicht ans Stromnetz angeschlossene Gemeinschaften in den Bergregionen einen höheren Prozentsatz an ethnischen Minderheiten aufweisen, die ohnehin auf vielfältige Weise benachteiligt sind.
Die Energiefrage ist momentan besonders aktuell, da das Land 2021 seinen achten Energie-Entwicklungsplan in Angriff nehmen wird. Durch eine stärkere Einbeziehung von lokalen Akteuren und Akteurinnen könnten Journalisten eine vielfältigere Perspektive erlangen und hätten mehr Kontaktmöglichkeiten mit denen, die am meisten von der Energiepolitik betroffen sind.
Ein guter Artikel zum Thema Energie muss in einen klaren Rahmen eingebettet sein, der die Auswirkungen der Energieerzeugung auf die Menschen berücksichtigt, und muss auf vielfältigen Quellen basieren. Er benötigt aber auch eine aufmerksamkeitsstarke Kampagne. In der heutigen Nachrichtenlandschaft bedeutet das, die Story auf unterschiedlichen Plattformen und Geräten und in unterschiedlichen Medien zu veröffentlichen. Nachrichtennutzer_innen erwarten, dass Artikel nicht nur aus Worten bestehen, sondern vielschichtige Geschichte erzählen.
In den digitalen Nachrichtenmedien in Vietnam werden mit den Artikel zwar mindestens eine Abbildung verwendet, um den Text aufzulockern, eine wirkungsvolle Datenvisualisierung ist jedoch noch immer selten. Interaktive Grafiken, Diagramme und Karten finden sich nur in zwei Prozent der untersuchten Artikel. Ngoc Lan, Journalistin bei Tuoi Tre, gestand gegenüber Climate Tracker, dass das Thema Energiepolitik sehr anspruchsvoll und technisch sei und sie deshalb Schwierigkeiten habe, die richtigen Worte und das richtige Bildmaterial zu finden, um »die Sprache der Politik … in eine leserfreundlichere Sprache zu übersetzen«.
Zur Unterstützung einer vielfältigen und kritischen Berichterstattung zum Thema Energie in Vietnam organisierten die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), GreenID und Climate Tracker vom 18. bis 21. Oktober 2020 eine Schulung über Energie und Klimawandel für 16 der vielversprechendsten Journalist_innen und Journalismus-Dozenten. Der Kurs bot Einblicke in die Auswirkungen der Energie auf die Menschen und enthielt Lerneinheiten über das Storytelling mit Hilfe innovativer Journalismus-Tools wie Flourish, Knightlab Timeline und Storymap.
»Ich fand es wirklich toll, wie dieser Workshop Experten mit unterschiedlichen Spezialgebieten und Sichtweisen auf den Energiesektor zusammenbrachte«, sagte Mai Dinh Khoi, Journalist und Dokumentarfilmproduzent beim staatlichen Nachrichtenkanal VTC14. »Durch ihre Diskussion habe ich neue Erkenntnisse über das Thema Klimawandel und Energie gewonnen, die ich vorher nicht kannte«.
Das englischsprachige Original erschien hier am 8. Januar 2021: www.fes-asia.org/news/vietnam-energy-journalism/
Seit dem UN-Klimagipfel 2018 arbeitet die FES eng mit Climate Tracker und unterstützt deren Bemühungen Journalist_innen zu fördern und deren Sensibilisierung für energie- und klimapolitische Themen in regionaler Pressearbeit zu erhöhen.
Mai Hoang ist Leiterin des Südostasien-Programms von Climate Tracker, einem internationalen Netzwerk von Nachwuchsjournalist_innen.
Yvonne Blos (international)Yvonne.Blos(at)fes.de
Max Ostermayer (national)Max.Ostermayer(at)fes.de
Claudia Detsch (Europa / Nordamerika)Claudia.Detsch(at)fes.de
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