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Klimakrise trifft Sicherheitspolitik

Expert_innen aus Lateinamerika und von SIPRI analysieren den Nexus zwischen Sicherheit und der Klimakrise und stellen Politikempfehlungen vor.

Im September 2022 wurde von der FES Kolumbien in enger Zusammenarbeit mit dem renommierten Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich mit dem Klima-Sicherheits-Nexus in Lateinamerika auseinandersetzt. Ein beachtliches Ensemble von Expertinnen und Experten aus einer Vielzahl von Ländern – darunter Brasilien, Chile, Costa Rica, Mexiko, Guatemala, Argentinien, Kolumbien, Venezuela, Honduras, die USA und die Niederlande – versammelte sich zu diesem Zweck bei drei Arbeitstreffen in Bogotá. 

Mit fachkundiger Unterstützung durch SIPRI debattierte die Gruppe die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Sicherheit und der globalen Klimakrise. Dabei standen Governance-Fragen, die Rolle des Extraktivismus, ländliche Entwicklung, Naturschutz und Umwelt- und Klimagerechtigkeit im Mittelpunkt.
 
Nach anderthalb Jahren intensiver Zusammenarbeit mündeten die Erkenntnisse und Empfehlungen dieser Gruppe in einer umfassenden Publikation. Diese Partnerschaft mit SIPRI baut zudem auf einer früheren Kooperation mit der FES Westafrika auf und hebt das überregionale Potential hervor.  

Der lateinamerikanische Kontext: Dynamiken der Gewalt und soziale Ungleichheiten 

Ein wichtiger Aspekt der Diskussion ist, dass in Lateinamerika Klima- und Umweltprobleme eng mit sozialen Ungleichheiten und politischer Instabilität verknüpft sind.  

Die Region kämpft mit verschiedenen Gewaltformen, von bewaffneten Auseinandersetzungen bis zu weit verbreiteter krimineller Gewalt, was sie auch heute noch zu einer der gewalttätigsten Regionen der Welt macht. Nicht zuletzt ist Lateinamerika eine der Regionen weltweit, in der Umweltschützer_innen am gefährlichsten leben.  

Die Folge ist, dass in der Region Staaten und Regierungen durch die demokratische Erosion, Ungleichheit und Gewalt untergraben werden. Ein Mangel an effektiver Governance zeigt sich durch die übermäßige Ausbeutung natürlicher Ressourcen, das Aufkommen illegaler Wirtschaftsaktivitäten und die Unfähigkeit der Staaten, Umweltschützer_innen Sicherheit zu gewähren. Die Verwendung staatlicher Gewalt zur Unterdrückung sozio-ökologischer Konflikte führt dazu, dass diese von der Rhetorik der öffentlichen Ordnung und nationalen Sicherheit überdeckt werden. Der Einsatz von Streitkräften sollte aber das letzte Mittel sein, unter strenger Kontrolle und Rechenschaftspflicht. 
 

Wie kann Umweltgerechtigkeit und somit Gewaltprävention erreicht werden? Vier Kernbotschaften 

Die Expert_innen waren sich einig, dass Umweltgerechtigkeit die Dynamik der Gewalt verändern kann.  
Hierfür braucht es: 

Erstens eine Stärkung demokratischer Führung unter umfassender Beteiligung von staatlichen Akteuren, der Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen. Diese effektive Governance durch verschiedene Interessengruppen erhöht das Potenzial zur Gewaltprävention und zum Umweltschutz.
 
Zweitens stellte die Arbeitsgruppe fest, dass das in Lateinamerika vorherrschende extraktivistische Wirtschaftsmodell die Lebensgrundlagen beeinträchtigt und Ungleichheiten verstärkt. Alternative Entwicklungsansätze, die die Weltanschauungen verschiedener Völker und ihre Territorien berücksichtigen, müssen gefördert werden. 

Um drittens Wahrheit, Gerechtigkeit, umfassende Wiedergutmachung und den Schutz vor wiederholtem Umweltunrecht in Lateinamerika zu erreichen, müssen alle Beteiligten, einschließlich ausländischer Unternehmen und Regierungen, die rechtlichen Rahmenbedingungen anerkennen und aktualisieren. Unternehmen müssen von freiwilligen zu verpflichtenden Maßnahmen übergehen.

Außerdem hängt viertens das Wohlergehen von Menschen und Gemeinschaften sowie die Wirtschaft von der Natur ab. Es ist mittel- sowie langfristig kostspieliger, die Natur zu zerstören, als sie zu schützen. Der Schutz der Natur kann das Wohlergehen steigern, und ein wachsendes Umweltbewusstsein wird zu einer verstärkten Nachfrage nach Umweltschutz führen. Ungerechte sozial-ökologische und wirtschaftliche Praktiken verschärfen soziale Konflikte und verursachen beträchtliche finanzielle Kosten auf mittlere und lange Sicht.
 

Sieben Politikempfehlungen: Schritt für Schritt zu Umweltgerechtigkeit und Gewaltprävention 

Die Arbeitsgruppe hat konkrete Politikempfehlungen erarbeitet, welche Schritte es braucht, um die Herausforderungen der Klimakrise in einem Kontext der Gewalt und Unsicherheit zu erreichen. Diese Empfehlungen umfassen unter anderem eine Stärkung der Führung indigener und ländlicher Gemeinden durch die Erleichterung der des Zugangs zu Finanzierungsmitteln und effektive Schutzmechanismen für aktive Umweltschützer_innen. Andere Empfehlungen der Gruppe zielen auf eine strengere Kontrolle und einen gezielteren Einsatz der Streitkräfte ab, sowie einer vollständigen Entmilitarisierung sozial-ökologischer Konflikte in der Region.  

Die Langfassung der Politikempfehlungen finden sich in der Studie, die auf Englisch und Spanisch erschienen ist. Auf Grundlage der Studie werden wir in der Friedrich-Ebert-Stiftung die Diskussion um Klima und Sicherheit in Lateinamerika aber auch überregional weiter vorantreiben und sind gespannt auf die anstehende Debatte! 
 


Über den Autor

Oliver Dalichau ist Direktor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Kolumbien und des lateinamerikanischen Netzwerks für inklusive und nachhaltige Sicherheit. Seit 2003 arbeitet er in verschiedenen Bereichen für die Friedrich-Ebert-Stiftung, u.a. in der politischen Erwachsenenbildung oder als Büroleiter in Madagaskar, Angola und Ruanda.

 

 

Delgado, Caroline; Hegazi, Farah; Barnhoorn, Anniek

Justicia ambiental y climática, y las dinámicas de violencia en América Latina

Perspectivas de un grupo de trabajo regional sobre cambio climático, ambiente, paz y seguridad en América Latina
Bogotá, 2024

Zum Download (PDF) (300 KB, PDF-File)


Delgado, Caroline; Hegazi, Farah; Barnhoorn, Anniek

Environmental and climate justice, and the dynamics of violence in Latin America

Perspectives from a regional working group on climate change, the environment, peace and security in Latin America
Bogotá, 2024

Zum Download (PDF) (300 KB, PDF-File)



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Joana Stalder
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