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Auf Kosten der Bevölkerung

Die harten Folgen der Grenzschließung zwischen Benin und Niger. Ein Gastbeitrag von Abou-Bakari Imorou anlässlich des Internationalen Tages der Migrantinnen und Migranten


Am 26. Juni 2023 putschte das Militär in Niger und stürzte die demokratisch gewählte Regierung. Die ECOWAS reagierte mit Sanktionen, die auch Grenzschließungen beinhalteten. Die neuen nigrischen Machthaber riegelten daraufhin auch die Grenze zwischen Benin und Niger ab und nahmen diese Entscheidung auch nach Aufhebung der ECOWAS-Sanktionen nicht zurück. Diese politischen Entscheidungen wirken sich verheerend auf die sozialen Dynamiken zwischen Bevölkerungsgruppen beiderseits der Grenze aus, die durch gemeinsame Sprachen, Kulturen und in vielen Fällen sogar familiäre Bande und traditionelle Autoritäten miteinander verbunden sind.
 

Der Putsch und die Grenzschließung


Die ausgesprochen harten Sanktionen in Reaktion auf den Putsch lassen sich mit einem wachsenden Gefühl der Bedrohung demokratischer Systeme in Afrika erklären. Es herrscht der weit verbreitete Eindruck vor, dass sich die Geschichte wiederholt: Innerhalb von drei Jahren putschten sich auch in Burkina Faso und Mali Militärregierungen an die Spitze und brachten vielfach dieselben Argumente gegen die legitimen Machthaber vor. Alle westlichen Regierungen, die ECOWAS mit ihren 15 Mitgliedstaaten und die Afrikanische Union verurteilten den Staatsstreich einhellig und mit aller Schärfe und setzten sogar ein Ultimatum von weniger als einer Woche, um die konstitutionelle Ordnung wiederherzustellen. Andernfalls drohten sie mit Wirtschaftssanktionen und sogar mit einer militärischen Intervention. Die ECOWAS kündigte die Schließung der Land- und Luftgrenzen mit Niger in einem Kommuniqué vom 30. Juli 2023 an.
 

Eingeschränkte Mobilität, gestiegene Preise und hohe Risiken


Nach einem Aufschrei der beninischen und nigrischen Zivilgesellschaft lockerte Benin die Einschränkungen und öffnete nach der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen Ende Februar 2024 erneut die Grenze mit Niger. Niger dagegen hielt die Grenze zu Benin weiterhin einseitig geschlossen und verlängerte damit das Leid der Bevölkerung. Dieses Verhalten stellt einen schweren Verstoß gegen das 1979 von der ECOWAS verabschiedete Protokoll zur Personenfreizügigkeit, zum Aufenthaltsrecht und zur Niederlassungsfreiheit dar. Am Tag nach der Entscheidung stauten sich fast 1.000 Lastwagen, die vom Hafen in Cotonou kamen, am Grenzübergang zwischen Benin und Niger. Menschen werden an der Grenze abgesetzt und können das Nachbarland nur illegal nach einer riskanten Überquerung des Niger erreichen. Die Fahrt dauert etwa 30 Minuten und kostet mit 5.000 CFA-Francs inzwischen ein Vielfaches des ursprünglichen Preises von 500 CFA-Francs (was einem Anstieg von unter 1 auf 8 Euro entspricht). Waren aus dem Niger (Zwiebeln, Knoblauch Kartoffeln, Datteln usw.) für den beninischen Markt müssen auf demselben Weg transportiert werden, was in einigen Fällen einen Preisanstieg um das Dreifache zur Folge hat. Ein Knoblauchhändler in Cotonou berichtet, dass seine Ware mittlerweile so teuer sei, weil er für einen Sack Knoblauch aus Niger inzwischen nicht mehr 43.000, sondern 130.000 CFA-Francs zahle. Auch die Funktion von Benin als Durchgangskorridor für den Transport von am Hafen von Cotonou ankommenden Waren nach Niger ist beeinträchtigt.
 

Schädliche Symbolpolitik zu Lasten der Bevölkerung


Als Hauptgrund für die anhaltende Schließung der Grenzen nennt die nigrische Staatsführung die Gefahr einer Destabilisierung des Landes durch den Nachbarstaat Benin. Sie beschuldigt die dortigen Machthaber, die Stationierung feindlicher ausländischer Truppen zuzulassen, um Niger zu destabilisieren. Zudem verdächtigt sie Benin, an möglichen feindlichen Manövern im Niger beteiligt zu sein, insbesondere auf dem Gebiet des W-Nationalparks und im Département Alibori. Damit spielt sie klar auf das Gerücht über eine französische Militärbasis in Kandi sowie auf eine Destabilisierung abzielende Militärmanöver im W-Nationalpark An. In sozialen Netzwerken kursierte gar der Vorwurf, die französischen Infanterie würde Schwarze Soldaten einsetzen, die sich unbemerkt unter beninische Soldaten mischen könnten. Derartige Falschinformationen halten sich hartnäckig in den sozialen Medien und schlagen sich über die Krise zwischen den beiden Ländern reichen über einen bilateralen Grenzkonflikt hinaus und sind vielmehr Teil eines geopolitischen Wettbewerbs um die Kontrolle der Sahelzone, in dem sich Russland und der Westen gegenüberstehen. Von Beginn an war diese Krise in eine internationale geopolitische Dimension eingebettet, in der Benin als Marionette Frankreichs und der westlichen Welt dargestellt wird, während Niger von Russland unterstützt wird. So wird die Grenze letztlich instrumentalisiert, auf Kosten der Bevölkerung, der die Lebensgrundlagen wegbrechen.
 

Der Überlebenskampf der Bevölkerung in der Krise


Die Bevölkerung beiderseits der Grenze zeigte sich angesichts der mit der Krise verbundenen Herausforderungen keineswegs ohnmächtig, sondern sie erwies sich als anpassungsfähig. Das antiwestliche Narrativ und die immer häufigeren Angriffe in den betroffenen Gebieten haben die Menschen offenbar davon überzeugt, keinen weiteren Druck auf ihre Regierung bezüglich einer Grenzöffnung auszuüben. Stattdessen entwickelten sie zahlreiche Strategien, um die Schließung sowohl für ihre eigene Mobilität als auch für den Warenverkehr zu umgehen. Inzwischen kontrollieren Fischer, die mit der Grenzüberquerung über den Fluss vertraut sind, die Schmuggelwege. Sie bieten Reisenden auf ihren Booten Transportdienste über den Fluss an. Die Passagiere überqueren den Niger mit ihrem Gepäck also auf illegalem Wege und sind damit verschiedensten Formen der Erpressung durch Sicherheitskräfte beiderseits des Flusses ausgesetzt. Die Transportkosten für Waren wie Zwiebeln oder Knoblauch schlagen sich ganz deutlich auf den Endpreis nieder. Dasselbe gilt für nach Niger transportierte Getreideprodukte – aufgrund der Grenzschließung müssen für den Niger bestimmte Waren auf einer offiziellen Route durch Nigeria transportiert werden, die jedoch mit erheblichen Mehrkosten und zusätzlichen Gefahren für die Transporteure der verschiedenen Güter verbunden ist. Den Preis dafür zahlen am Ende dieser Kette die Konsument_innen.
 

Zeit für diplomatische Annäherung zum Wohle der Bevölkerung


Auch wenn die Menschen Strategien entwickelt haben, um die Krise zu meistern, erleben einige Bevölkerungsgruppen schwere Zeiten. Angesichts der Beschuldigungen und Vorwürfe ist eine Verbesserung der Lage offenbar eng an eine Sicherheitsgarantie für das nigrische Staatsgebiet geknüpft. Außerdem müssen lokale Entscheidungsträger in den Grenzgebieten an den diplomatischen Vermittlungsbemühungen beteiligt werden, um auf die Probleme der Menschen aufmerksam zu machen und Vorschläge zur Sicherung und Normalisierung der politischen Beziehungen auf unmittelbarer bilateraler Ebene vorzulegen. Als dringende Sofortmaßnahme muss es Ausnahmeregelungen für lebensnotwendige Güter und lokal erzeugte Nahrungsmittel geben.
 


Zur Person

Prof. Abou-Bakari IMOROU ist Professor an der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Abomey-Calavi (Benin) und spezialisiert auf die Sozialanthropologie der Gesundheit. Er arbeitet unter anderem zum Zugang zu öffentlichen Diensten, Gesundheitsfachkräften, Risikoverhalten bei Jugendlichen, Mobilität, Interaktionen mit der Justiz und die soziale Produktion von Radikalisierung.

Abou-Bakari IMOROU leitet das sozio-anthropologische Forschungslabor für organisierte Systeme und Mobilitäten (LASMO) seiner Universität. Er ist auch Forscher am Labor für Studien und Forschung über soziale Dynamik und lokale Entwicklung (LASDEL). Seit 2009 arbeitet er mit verschiedenen Entwicklungsagenturen an einem wissenschaftlichen Ansatz zum Verständnis der sozialen Aspekte von Entwicklung, wobei er sein Hauptaugenmerk auf den Schutz von Minderjährigen und die Mobilität von Menschen in Not richtet.

Die im Artikel zum Ausdruck gebrachten Meinungen und Äußerungen der Gastautor_innen spiegeln nicht notwendigerweise die Haltung der Friedrich-Ebert-Stiftung wider.

Redaktion

Alexander Rosenplänter
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