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Beate Hausbichler (2021): Der verkaufte Feminismus

Wie aus einer politischen Bewegung ein profitables Label wurde. Salzburg/Wien: Residenz Verlag (2021)

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Kurzgefasst und eingeordnet vonAnne-Kathrin Weber
Anne-Kathrin Weber ist promovierte Politikwissenschaftlerin, freie Journalistin und Rezensentin.


buch|essenz

Kernaussagen

In der Werbung, den sozialen Medien und der Popkultur wird es immer „feministischer“. Dabei handelt es sich jedoch vor allem um ein Etikett. Mit der genuin politischen Bewegung hat dieser Feminismus wenig bis gar nichts gemein, denn dieser populäre Feminismus dient vor allem als Marketinginstrument. Der Feminismus als Bewegung wird dadurch immer stärker entpolitisiert und individualisiert. Damit wächst auch der Druck auf Frauen, immer stärker am eigenen Selbst zu arbeiten, um leistungsfähig zu sein und zu bleiben.

Einordnung aus Sicht der Sozialen Demokratie

Dieser marketingtaugliche populäre Feminismus verschleiert den realen und durchaus verbesserungswürdigen Zustand des feministischen Kampfes um Gleichberechtigung und Frauenrechte, gegen Diskriminierung und Sexismus – dezidierte Kernthemen der Sozialen Demokratie. Politische Akteur_innen, die diese Forderungen ernst nehmen, dürfen sich von Lippenbekenntnissen nicht blenden lassen und den Deregulierungsversuchen nachgeben, die neoliberale Kräfte unter dem Deckmantel des Feminismus forcieren.


buch|autorin

Die Journalistin Beate Hausbichler leitet seit 2014 das frauenpolitische Ressort der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“.


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buch|inhalt

Seit den 2000er-Jahren ist der Feminismus immer enger mit der Popkultur und Alltagswelt verwoben.

„Es läuft gut für den Feminismus. Er taucht inzwischen auf Notizbüchern und T-Shirts als Schriftzug in goldenen Lettern und in Songtexten von Superstars auf.“

Das Problem an der Sache ist: Diese Art von Feminismus dient nicht dem eigentlichen Kampf für Frauenrechte und Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung und Sexismus, sondern vor allem neoliberalen Akteuren und patriarchalen Strukturen. Denn der Kapitalismus hat sich Charakteristika der feministischen Bewegung angeeignet, sie „pervertiert“ und zu einem reinen Etikett degenerieren lassen. Unternehmen und bekannte Persönlichkeiten transformieren dabei zentrale Forderungen der Frauenbewegung, wie die Selbstbestimmung über den Körper sowie die finanzielle und berufliche Unabhängigkeit, in Waren. Deren Kauf preisen sie mithilfe feministischer Slogans an.

„Und die verheißungsvollen Forderungen nach Autonomie, Selbstbestimmung, Selbstermächtigung (Empowerment!) und Freiheit liefern nicht nur Produkte, sie schaffen auch einen wunderbaren Rahmen für neoliberale Praktiken, in denen die Verantwortung für sich selbst im Vordergrund steht, während staatliche soziale Netze immer löchriger werden.“

Diese Praktiken bedeuten, dass Frauen immer mehr Arbeit an sich selbst verrichten müssen, um leistungsfähig zu sein und zu bleiben – ein entgrenzter Zustand, der massiven Druck auf das Individuum erzeugt und zu kollektiver Erschöpfung führt statt zu widerständigem Handeln. An den grundlegenden Ungerechtigkeitsstrukturen hat sich deswegen trotz der Allgegenwärtigkeit feministischer Lippenbekenntnisse nur wenig geändert. Das ist kein Wunder, denn:

 „Der populäre Feminismus ist qua Definition ein Feminismus, der sich vermarktet und zur Ware macht, und das raubt ihm streckenweise die Möglichkeit, gegen diese Strukturen vorzugehen – er braucht sie und profitiert von ihnen.“

Wirkliches Engagement bringt dieser „Spaß- und Glamour-Feminismus“ daher nicht hervor. Er kann zwar durchaus wichtige Themen öffentlichkeitswirksam platzieren und damit gesamtgesellschaftliche Debatten anregen; gesetzliche Regelungen, die allen Frauen und nicht nur denjenigen einer begüterten Mittel- und Oberschicht zugutekämen, folgen daraus aber in aller Regel nicht. 

„Femvertising“ und „FemWashing“

Immer mehr Unternehmen werben mittlerweile mit ihrem vermeintlichen Engagement für feministische Anliegen. Sie bieten ihre Produkte im Rahmen von Kampagnen und Bildern an, in denen oft Slogans der Frauenbewegungen genutzt und umgedeutet werden. Ziel dieses sogenannten Femwashing ist aber nicht, dabei zu helfen, feministische Forderungen durchzusetzen, sondern das jeweilige Produkt bestmöglich zu vermarkten.

Werbung kann durchaus für einige Schieflagen sensibilisieren. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass jene Unternehmen diejenigen Geschlechterbilder und Schönheitsnormen vordergründig zu dekonstruieren vorgeben, die sie selbst an anderer Stelle maßgeblich mitgeprägt haben.

Selbst wenn die Körperbilder in der Werbung etwas diverser werden, vermitteln die Kampagnen doch weiterhin das Versprechen – und die Anforderung –, dass Frauen sich mithilfe allerlei Produkte mehr um sich selbst kümmern müssen, um glücklich zu sein. Das erzeugt zusätzlichen Druck auf Frauen und eine „Intensivierung der Arbeit am Körper“.

Dieser Druck wird durch die sogenannten Influencer_innen bestärkt, die die Produkte der Unternehmen in sozialen Medien, vor allem auf Instagram, möglichst „authentisch“ bewerben: „Das präsentierte Speckröllchen gehört ebenso zum Gesamtprodukt auf einem Markt, in dem ‚Authentizität‘ eine Währung ist und deshalb halt auch zwischendurch mal ein Foto von einer ungeschminkten Influencer*in sein muss. Es braucht hierfür wirklich keinen feministischen Jubel, das gehört schlicht zum Geschäft.“

Auch die Produkte, die im Rahmen des sogenannten Femvertising angeboten werden, tragen nicht zu mehr Selbstermächtigung bei: Dabei werden eigens auf Frauen zugeschnittene Produkte „quasi als frauenpolitischer Akt“ verkauft. Dieses gezielte Gendermarketing für erwachsene Frauen funktioniert ganz ähnlich wie dasjenige für Kinderspielzeuge und -kleidung, wobei separate Produkte für Mädchen und Jungen angeboten werden. Bei Erwachsenen wird diese Marketingstrategie allerdings kaum thematisiert und problematisiert. In vielen Werbekampagnen wird zudem ein geschöntes und vor allem abgeschlossenes Bild der feministischen Bewegung vermittelt, wonach „die wesentlichen frauenpolitischen Kämpfe hinter uns lägen, dass wir heute zwar hin und wieder etwas geraderücken müssten, im Großen und Ganzen aber in einer gleichberechtigten Welt angekommen wären“.

Diese Botschaft schwächt letztlich den Feminismus als politische Bewegung. Gleiches gilt, wenn sich Unternehmen öffentlichkeitswirksam zur Selbstregulierung verpflichten, zum Beispiel, wenn sie sich gegen sexistische Werbung aussprechen.

„Besser man legt sich selbst ein paar lockere Leitlinien fest, die nicht wehtun, als zu riskieren, dass der Staat mit verbindlichen Regulierungen oder sogar Strafen eingreift.“

Die Unternehmen gewinnen dadurch an Prestige, der Feminismus verliert hingegen an politischem Durchsetzungsvermögen.

(Pop-)Feminismus und (soziale) Medien

In den Medien – sowohl in den klassischen als auch in den sozialen – werden „Genderthemen“ präsenter. Sie garantieren kontroverse Diskussionen, die die Aufmerksamkeit für das jeweilige Medium steigern. Das ist allerdings nicht immer im Sinne des Feminismus: Über einige feministische Themen muss beziehungsweise sollte gar nicht diskutiert werden, weil sie schlichtweg Fakten darstellen. Indem Redaktionen diese wieder zur Debatte stellen, steigern sie zwar ihre Auflage, schwächen aber die Sache.

Das Debattenprimat führt auch dazu, dass die Bandbreite spezifisch frauenpolitischer Themen in den Medien dennoch weiterhin stark begrenzt ist – einige Sujets werden regelmäßig bedient, beispielsweise Diskussionen rund um das Tragen des Kopftuches, andere kaum. Das gilt insbesondere für Themen, die Angehörige der BPoC- und LGBTQIA+-communities betreffen. Diese gewinnen zwar in bestimmten Teilen sozialer Medien zunehmend an Gewicht – in den klassischen Medien sind sie jedoch oft kaum vertreten.

Auch wenn die Trennung zwischen Feminismus online und offline in den vergangenen Jahren obsolet geworden ist und es keinen separaten „Netzfeminismus“ mehr gibt, sollte der Feminismus, der in den sozialen Medien präsentiert wird, grundsätzlich mit Skepsis betrachtet werden. Er verzerrt nämlich nicht nur den Blick auf eine gesellschaftspolitische Realität, in der feministische Forderungen weiterhin auf taube Ohren stoßen; er lässt auch leicht vergessen, dass die Strukturen der Plattformen, die für die Verbreitung feministischer Slogans genutzt werden, patriarchal und antidemokratisch angelegt sind. Auch wirken diese der gezielten Manipulation ihrer Nutzer_innen kaum entgegen: „Soziale Medien haben eine Auswirkung auf unseren Umgang mit politischen Inhalten. Deshalb müssen wir die enge Verbindung zwischen dem populären Feminismus und sozialen Medien stärker hinterfragen.“

Außerdem verleiten soziale Medien Frauen dazu, sich zu verausgaben. Denn das Tempo der Debatten auf den jeweiligen Plattformen ist hoch – es gilt, sofort zu reagieren und immer mit knackigen und gleichzeitig durchdachten Thesen. Das erzeugt Stress: „Es ist ein immenser Aufwand, dabei zu sein, den Anschluss nicht zu verpassen, immer mitzureden, immer Position zu beziehen.“

Auch um diesem Druck standzuhalten, wenden sich viele Frauen dem Coaching zu –  ein lukrativer Markt mit dem Ziel, die individuelle Produktivität zu steigern. Sich als „feministisch“ verstehende Onlinemagazine bieten ebenfalls eine „beispielhafte Verzahnung von Feminismus, Selbstoptimierung und Karrierismus“. Damit wird der Fokus erneut auf individuelle Ressourcen statt auf gesellschaftspolitische Probleme gelenkt. Dasselbe Verdikt trifft auch auf die Darstellung weiblicher Heldinnen in TV- oder Streamingserien sowie im Film zu.

Frauennetzwerke: feministische Illusion

Als Reaktion auf die popkulturelle Umdeutung von Gleichberechtigung in das „Recht auf Karriere“ sind berufliche Frauennetzwerke entstanden, die immer beliebter werden. Das Gros dieser Initiativen ändert aber an den Missständen der systematischen Ungleichbehandlung nichts. Sie dienen zwar einzelnen Frauen aus der Mittel- und Oberschicht in ihrem beruflichen Fortkommen, allerdings oftmals nicht denjenigen aus einem bildungsfernen Milieu oder solchen, die ländlich wohnen und/oder Familienaufgaben zu erledigen haben.

„All jenen, die wirklich nur Jobs haben und keine Karrieren, bringt diese ganze als feministisch ausgewiesene Netzwerkarbeit rein gar nichts.“

Frauenzirkel erzeugten nicht nur keinen Widerstand gegen ausbeuterische Strukturen, sondern stattdessen zusätzlichen Druck auf die Einzelne, sich selbst und ihre Karriere zu optimieren und sich dafür auszubeuten. Insofern sind die allermeisten Frauennetzwerke alles andere als genuin feministisch einzuordnen.


buch|votum

Diese dezidierte Kritik an Frauenzirkeln ist ein gutes Beispiel für die Stärke des Buches. Die Autorin dekonstruiert vermeintlich feministische Angebote und prangert eine spezifisch antifeministische Gefahr an, die im populären Feminismus angelegt ist. Vermeintliche Selbstermächtigung dient in vielen Fällen nur dazu, Frauen noch mehr Lasten aufzubürden und dabei patriarchale und neoliberale Herrschaftstechniken gekonnt zu verschleiern. Der genuin politische Feminismus wird in diesem Prozess individualisiert und seiner kollektiven Kraft beraubt.

Hausbichler wird nicht müde zu betonen, wie apolitisch und antipolitisch dieser mediatisierte Feminismus ist und wie stark er Gefahr läuft, die Notwendigkeit politischen Engagements für Frauenrechte und Gleichberechtigung zu überdecken beziehungsweise zu marginalisieren. Zwar bietet dieser populäre Feminismus gerade jungen Menschen, die damit sozialisiert werden, einen ersten Zugang zu feministischen Anliegen und Forderungen. Er verschweigt aber, dass das erst der Anfang ist von dem, was an Arbeit und Einsatz nötig ist, um reale Ungleichheit, Diskriminierung und Sexismus zu bekämpfen.

Das Buch ist ein Manifest mit starken Thesen;  es eignet es sich gut als Einstieg und für einen ersten Überblick über die Kritik am sogenannten Popfeminismus.

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Verlag: Residenz
Erschienen: 23.02.2021
Seiten: 224
ISBN:9783701735266

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