Wenn Populismus zur Verachtung anderer im Namen eines sogenannten wahren Volkes aufruft, dann wird das demokratische Grundprinzip politischer Gleichheit verletzt. Das geht über Gleichheit vor dem Gesetz hinaus und meint Gleichheit im Zusammenleben, bei der Menschen mit anderen als ebenbürtig gelten. Damit ist nicht Homogenität gemeint. Vielfalt ist vollkommen verträglich mit Gleichheit. Politische Konflikte sind nicht gefährlich, sondern fruchtbar, solange dieser Grundsatz politischer Gleichheit gewahrt bleibt. Nur durch politische Konflikte gibt es eine echte Wahl; ein weiteres Grundprinzip der Demokratie, das über das Abhalten von Wahlen hinausgeht. Damit Menschen ihre Wahlmöglichkeiten abwägen können, müssen inhaltliche und personelle Alternativen auch erkennbar zur Wahl stehen. Erst dann können Menschen für die Stimmabgabe und politisches Engagement mobilisiert werden.
Repräsentation als Prinzip unserer heutigen Demokratie steht in der Kritik. Sie führt zu Unfreiheit, weil die Wählenden politische Macht nicht direkt ausüben können, und zugleich zu Ungleichheit zwischen Abgeordneten und Wählenden. Diese Kritik basiert jedoch auf der Annahme, dass ständige und gleichwertige Beteiligung in einer komplexen Welt möglich seien.
„Repräsentation per se ist weder demokratisch noch antidemokratisch. Dasselbe gilt für Wahlen. Es kommt darauf an, wie sie genau verstanden werden und was geschieht, bevor, vor allem aber nachdem die Repräsentanten gewählt worden sind.“
Demokratische Repräsentation bedeutet auch einen wohlwollenden Umgang mit dem Verlieren: Eine Minderheitenmeinung darf nach einer Wahl nicht delegitimiert werden, sondern soll sich Gehör im politischen Prozess bis zu den nächsten Wahlen verschaffen können.
„Wenn gleiche Freiheit real ist, dann sollte es ihnen möglich sein, den Status quo zu stören und einen Konflikt darüber vom Zaun zu brechen, welche Konflikte am wichtigsten sind.“
Auf diese Weise können sich Regierung und Opposition nie sicher sein, ob sie nach einer Wahl nicht doch die Rollen tauschen. Diese institutionalisierte Ungewissheit ist ein weiteres demokratisches Grundprinzip. Nimmt man die Ungewissheit aus der Demokratie, trifft es nicht nur die Minderheit, der die Chance genommen wird, wieder zur Mehrheit zu werden. Ebenso schützt echte Demokratie auch die Möglichkeit von Mehrheit und Minderheit, die eigene Meinung zu ändern.
„Schockierend war [deswegen im Wahlkampf 2016 Hillary] Clintons beiläufige Bemerkung, dass manche Bürger einfach „nicht zu retten“ seien. Anders gesagt, man brauche gar nicht erst versuchen, mit ihnen zu sprechen, sie für etwas zu interessieren und am Ende vielleicht sogar zu bewegen, ihre Meinung zu ändern.“
Repräsentation sollte daher dynamisch verstanden werden. Parteien bieten Selbstbilder an, die bestimmten Gruppen Ideen und Interessen ihrer Identität vermitteln sollen. Auf diese Weise können Gruppen entlang bestimmter Konfliktlinien organisiert werden.
„Je leichter es ist, Konfliktlinien zu ziehen und bestimmte Darstellungen gemeinsamer Interessen gesellschaftlichen Gruppen anzubieten, desto eher erleben die Bürger ihr politisches System als frei und offen für Wandel. Sie finden heraus, was andere denken und welche konkreten Interessen man mit anderen teilt.“
Leider diagnostiziert die Politikwissenschaft vielen Demokratien eine Tendenz dazu, dass sich ein Regierungswechsel letztlich nicht in einem substanziellen Politikwechsel niederschlägt. Die Sezession der Regierenden von den Wählenden wird dadurch verstärkt, dass selbst bei einer veränderten Wahlentscheidung die Wählenden keine Veränderung wahrnehmen. Oftmals gilt:
„Wenn die Hochvermögenden und die übrige Bevölkerung (nicht nur die Armen) divergierende Präferenzen haben, gewinnen stets die Wohlhabenden.“