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Kurzgefasst und eingeordnet von Paula Schweers– Paula Schweers ist Journalistin und Autorin. Sie studierte Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig und Europäische Kulturgeschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Derzeit wird sie beim ARTE Magazin und an der FreeTech Academy of Journalism und Technology zur Redakteurin ausgebildet.
Rita Süssmuth erklärt in ihrem Buch Parität jetzt!, worin die Wurzeln der gesellschaftlichen Ungleichheit von Frauen und Männern liegen und zeigt Wege für eine gleichberechtigte Zukunft auf. In den Mittelpunkt stellt sie hierfür die Veränderung politischer und rechtlicher Rahmenbedingungen, die Parität in der Politik und Gleichstellung in der Gesellschaft ermöglichen würden. Diese sollen der Abschaffung hierarchischer Rollenklischees vorausgehen und ein solidarisches Zusammenleben ermöglichen. Zentral sind folgende Thesen:
Gleichstellung ist ein zentrales programmatisches Anliegen der Sozialen Demokratie. Um diese mithilfe von Paritätsgesetzen weiter voranzutreiben, bietet Süssmuths Buch eine wertvolle Argumentationshilfe. Besonders die juristischen Ausführungen geben konkrete Handlungsempfehlungen – wie eine Anpassung des Wahlrechts –, die auch für die Debatte um Parität innerhalb der Sozialen Demokratie interessant sind.
Rita Süssmuth war von 1985 bis 1988 Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit und von 1988 bis 1998 Präsidentin des Deutschen Bundestages. Die Erziehungswissenschaftlerin arbeitete zudem als Professorin an der Pädagogischen Hochschule Ruhr.
Bis heute setzt sie sich in ihren gesellschaftlichen und politischen Funktionen gegen Ausgrenzung und für die Gleichstellung von Frauen und Männern ein.
Süssmuth erklärt in ihrem Buch, welche historische Basis der derzeitigen Ungleichheit zugrunde liegt. Im zweiten Teil des Buches führt sie zudem aktuelle Zahlen und Fakten rund um Gleichberechtigung auf und fokussiert sich hierbei auf die Politik, in der Frauen noch immer unterrepräsentiert sind. Im letzten Teil des Buches formuliert sie Thesen und Lösungsvorschläge, um den Weg zur Parität zu ebnen.
Die Vorkämpfer_innen der Frauenbewegung waren immer dann besonders erfolgreich, wenn das Recht der Frauen gegen alle Widerstände durchgesetzt, sinnvoll modifiziert und erweitert wurde. Am Beispiel des Frauenwahlrechts zeigt Süssmuth auf, wie sie unermüdlich kämpften, bis 1918 das aktive und passive Wahlrecht für Frauen gesetzlich verankert wurde. Abgeordnete wie Marie Juchacz erstritten fortan mehr Gleichberechtigung in Bereichen wie Bildung, Sozialpolitik und Wirtschaft.
Auf diesen großen Durchbruch folgte die Zeit des Nationalsozialismus, der neben Gewalt, Schrecken und Zerstörung der demokratischen Errungenschaften auch eine Retraditionalisierung der Geschlechterrollen mit sich brachte. Die Nazi-Ideologie postulierte, dass die Geschlechter jeweils spezifische Aufgaben zu erfüllen hätten. Frauen wurden aus den Feldern Politik und Wirtschaft zurückgedrängt und sollten stattdessen als Hausfrauen und Mütter dienen. Im Jahr 1933 wurde den Frauen schließlich das passive Wahlrecht abgesprochen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es somit auch um die Rückeroberung dessen, was den Frauen im Nationalsozialismus genommen worden war: Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen. Der bedeutsame frauenpolitische Aufbruch vollzog sich zunächst durch die Gründung sogenannter Frauenausschüsse, deren Anliegen es war, Frauen zu politischem Denken und Handeln zu motivieren. Als übergeordnetes Ziel wurde eine große deutsche Frauenorganisation verfolgt. Diese Frauenverbände trugen 1949 erheblich dazu bei, dass die Verankerung von Gleichstellung im Grundgesetz durch die vier weiblichen Abgeordneten, allen voran Elisabeth Selbert, vorangetrieben wurde.
Eine wichtige Ergänzung zu Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes kam im Zuge der Wiedervereinigung zustande. Die gemeinsame Verfassungskommission beschloss 1992 den Zusatz: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Der Staat und seine Organe werden somit verpflichtet, aktiv an der Verwirklichung der Gleichberechtigung zu arbeiten.
Dieser Zusatz war ein großer frauenpolitische Erfolg. Bis heute bietet er ein wichtiges Argument für Verfechter_innen von Paritätsgesetzen, die darin ein verfassungsrechtliches Gebot für den Staat sehen, strukturelle Hürden für Frauen in der Politik abzubauen.
Trotz aller Bemühungen der Vorkämpfer_innen ist Chancengleichheit bis heute in Deutschland nicht erreicht. Es fehlt die Veränderung struktureller Rahmenbedingungen für mehr Frauen in Führungspositionen, in der Politik und Gleichberechtigung in der Gesellschaft. Die Folgen sind beispielsweise ein geringer Frauenanteil in den Parlamenten, der Verzicht auf die Entlohnung ehrenamtlicher Arbeit oder die mangelnde Entlohnung für unbezahlte Sorgearbeit, was finanzielle Nachteile für Frauen bedeutet.
In der Politik wurden durch einige Parteien, wie der SPD, den Grünen und den Linken, bereits verbindliche Frauenanteile bei der Vergabe von Mandaten in den Satzungen festgeschrieben. Dies trug zunächst zu einer deutlichen Erhöhung des Frauenanteils im Bundestag bei. Nun stagniert die Entwicklung aber seit zwei Jahrzehnten bei einem Frauenanteil von knapp 30 Prozent mit leichten Ausschlägen nach oben und unten. In zehn europäischen Ländern hingegen, darunter Belgien, Frankreich und Slowenien, ist Parität bereits gesetzlich verankert.
Auch in Deutschland geht es voran: Die Debatte um eine Wahlrechtsreform wird derzeit durch eine 2021 eingerichtete Kommission aufgegriffen. Sie könnte dafür sorgen, dass anstelle bisheriger freiwilliger Paritätsregelungen der Parteien verbindliche Regelungen greifen würden. Die Kommission zur Reform des Bundeswahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit soll Vorschläge erarbeiten, um Frauen und Männer an der Politik zu beteiligen und diese mitzugestalten, sowie hierfür auch eine Wahlrechtsreform diskutieren.
Die Bundesländer Brandenburg und Thüringen sind zudem mit Gesetzentwürfen für Paritätsgesetze vorangegangen. Diese wurden jedoch durch Urteile der Landesverfassungsgerichte vorerst gekippt.
Frauen stellen die Hälfte der Bevölkerung und sind wie Männer in allen sozialen und gesellschaftlichen Gruppen und Schichten vertreten – deshalb müssen sie auch die gleichen Chancen haben, auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Gleichstellung in der Gesellschaft setzt deshalb Parität in der Politik voraus. Derzeit befinden sich unsere Gesellschaften durch Krisen wie die Pandemie, den Klimawandel und Kriege in einer Phase des Umbruchs, die diese Forderung noch drängender macht.
Ein erster wichtiger Schritt zur Erhöhung des Frauenanteils wäre eine Nutzung des Satzungsrechts von allen Fraktionen des Deutschen Bundestages. SPD, Grüne und Linke haben dies bereits verwirklicht, die anderen Parteien müssten nachziehen. Zudem muss eine Wahlrechtsreform angeschoben werden. Der Ausbau der Beteiligung von Frauen auch in anderen Bereichen wie Forschung und Innovation sollte flankierend vorangetrieben werden.
Süssmuth ist ein kämpferisches Plädoyer für Parität in Politik und Gesellschaft gelungen. Zeitweise sind ihre Ausführungen etwas ausschweifend, da sie versucht, vom Klimawandel bis hin zum Satzungsrecht verschiedenste Themen abzudecken. Am stärksten ist das Buch in seinen juristisch-erklärenden Passagen sowie in der Formulierung von konkreten Handlungsempfehlungen.
Verlag: J.H.W. Dietz Nachf.Erschienen: März 2022Seiten: 128ISBN: 978-3-8012-0547-8