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Am 25. Juli 1922 ging das erste Arbeiter-Turn- und Sportfest in Leipzig zu Ende – eine Massenveranstaltung mit bis zu 100.000 Teilnehmer:innen und eine Feier von Solidarität und Gemeinschaft.
Bild: Anstecker zum ersten Bundesfest in Leipzig [6/STICK00148]; Quelle: AdsD.)
Während die Arbeitersportbewegung während des Ersten Weltkrieges ausgebremst worden war, nahm diese 1919 mit der Gründung des Arbeiter-Turn- und Sportbundes (ATSB) wieder Fahrt auf. Solidarität und Gemeinschaft standen für die Arbeitersportbewegung im Vordergrund. Das erste Arbeiter-Turn- und Sportfest, organisiert vom ATSB, fand vom 22. bis 25. Juli 1922 in Leipzig, dem Sitz des ATSB, statt. Der Rat der Stadt Leipzig und der ATSB gründeten zwecks Planung des Festes insgesamt 13 Fachausschüsse, darunter u.a. der Hauptausschuss bestehend aus Bundesvorstandsmitgliedern des ATSB und den Vorsitzenden der Fachausschüsse und einen Finanzausschuss. Die Mitglieder der jeweiligen Fachausschüsse waren optisch leicht zu unterscheiden, da sie verschiedenfarbige Armbinden trugen. Aus neun Ländern kamen bis zu 100.000 Teilnehmer:innen. Das Programm des Sportfestes wurde in einer mehrtägigen Sitzung Mitte September 1921 vom erweiterten Bundesturn- und Hauptausschuss festgelegt. Schließlich erschien im Dezember 1921 die erste von insgesamt sechs Nummern der Festzeitschrift, in welcher u.a. die geplanten Wettkampfdisziplinen aufgelistet wurden.
Die zahlreichen Teilnehmer:innen kamen am 21. Juli 1922 am Leipziger Hauptbahnhof überwiegend in extra bereitgestellten Sonderzügen an und wurden vom Wohnungsausschuss des Festes in der ganzen Stadt verteilt in Schulen und privaten Unterkünften untergebracht. Für die medizinische Versorgung während des Festes waren über 1300 Mitarbeiter:innen der „Arbeiter-Samariter-Kolonne“ zuständig. Ein Wirtschaftsausschuss kümmerte sich um die Versorgung aller Teilnehmer:innen und Sportler:innen, indem verschiedene Restaurationen eingerichtet wurden, darunter ein „großes Bierrestaurant“, ein Café mit „Konditoreiwaren“, ein Weinlokal und eine „Turnerküche“, die laut Festprogramm „deutsche Volksgerichte mit Fleisch“ anbieten würde, so „wie zu Hause bei der Mutter“. Dabei war es den Veranstaltern wichtig, alle Gerichte zu möglichst preisgünstigen Konditionen anbieten zu können. Über diese vier kulinarischen Angebote hinaus sollte es zudem Verkaufsstände mit Waren wie Zigarren und Zigaretten, Andenken zum Fest, Bratwurst, Schokolade und Obst geben. Schon 1922 schien man auf die Regionalität der Produkte wertzulegen und pries die Leipziger Herkunft sämtlicher zum Verkauf stehenden Waren im Festprogramm an. Auch der Leipziger Arbeiter-Turnverlag, Bundesgeschäft des ATSB, konnte sich mit Waren wie „Turn-, Sport- und Spielgeräten“, Sportbekleidung und Vereinsbedarfsartikeln wie Geschäftsbüchern und Beitragsmarken unter den regionalen Produkten einreihen.
Im Rahmen des ersten deutschen Sportfestes sollten folgende Disziplinen abgehalten werden: Leichtathletik (100-, 400-, 1.500- und 5.000m Läufe, Staffelläufe, Stabhochsprung, Hoch- und Weitsprung, Speer- und Diskuswurf, Kugelstoßen), Mehrkampfwettbewerbe (Drei-, Vier-, Fünf- und Zehnkämpfe), Turnen, Ringen, Gewichtheben, Tauziehen, Handball, Radsport (Schaufahren, Kunstradfahren, Radball) und sogenannte Freiübungen (Massenturnen mit und ohne Sportgeräte).
Als Austragungsort des Sportfestes diente die sich noch im Ausbau befindliche Alte Messe. Festplatz und Sportanlagen fanden so auf rund 450.000 Quadratmetern Platz. Bis auf die Disziplinen Schwimmsport (Schwimmen, Springen) und Fußball fanden alle Wettkämpfe auf diesem Gelände statt.
Die Ausstellungshallen des Messegeländes wurden genutzt als Turnhalle, Sitzungsräumlichkeiten der Fachausschüsse, Wirtschafts- und Verwaltungsgebäude, Garderobe, Restaurationen und Festhalle. Letztere beherbergte auch die bereits erwähnte „Turnerküche“, die bis zu 20.000 Menschen versorgen sollte.
Am 22. Juli, dem Tag der feierlichen Eröffnung des Sportfestes, wurde zunächst mit den Einzel- und Mehrkämpfen im Turnen und den Verbandsmeisterschaften in verschiedenen Disziplinen begonnen. Daneben fand ganztägig auf einem großen Platz Massenturnen statt. Zur Ehrung verstorbener Vorstandsmitglieder des ATSB wurde an deren Gräbern ein Kranz niedergelegt. Der Leipziger Zoo diente als Kulisse und Ausgangspunkt zur offiziellen Eröffnung des Turnfestes. Es folgten im Anschluss Festabende in 36 verschiedenen Leipziger Lokalitäten. Am Folgetag, dem 23. Juli, wurden ab 6 Uhr die Wettkämpfe des Vortages fortgesetzt. Hinzu kamen Vereinsturnen und Vorrundenspiele zur Fußballweltmeisterschaft des ATSB. Vormittags setzten sich diverse Festzüge in Bewegung. Gegen Mittag beteiligten sich rund 2.000 Radsportler:innen an Massenvorführungen, am Nachmittag schlossen sich Vorführungen von 21.000 Turner:innen an.
Am 24. Juli wurde das Vereinsturnen fortgesetzt und mit den Mehrkampfwettbewerben, Radsport und 100m-Läufen begonnen. Nachmittags beteiligten sich Teilnehmer:innen u.a. aus Finnland, der Schweiz und der Tschechoslowakei an den sogenannten Freiübungen.
Am vierten und letzten Tag des Festes, dem 25. Juli, wurden die letzten offenen Wettbewerbe durchgeführt, der eigentliche Schwerpunkt des Tages lag allerdings auf dem Kinder- und Jugendsport. So wurde gegen Mittag ein Festzug mit etwa 3000 Kindern abgehalten und am Nachmittag von Kindern neben Spiel-, Tanz- und Musikvorführungen, Geräte- und Freiturnen präsentiert. Am letzten Abend wurden Fußballspiele zwischen den ATSB-Meistern und den besten ausländischen Teams abgehalten. Anstatt Medaillen wurden den Sportler:innen Urkunden verliehen. Der Abschluss des ersten deutschen Arbeiter-Turn- und Sportfestes wurde mit einem opulenten Feuerwerk gebührend gefeiert.
Stephanie Kröger
Im Archiv der sozialen Demokratie finden sich zahlreiche Quellen zu diesem Ereignis. In der Bibliothek lassen sich in einem Sonderabdruck aus dem Arbeiter-Turner- und Sportkalender die Zahlen und die Organisation zum Fest in einer digitalisierten Version nachlesen, aber auch die Wettkämpfe samt Teilnehmerlisten und ein Bildband können hier in der (Online-)Bibliothek eingesehen werden.
Im Archiv liegen außerdem die Überlieferungen des Arbeiter-Turn- und Sportbundes (Bestand 4/ATSB). Und wir haben nicht nur Papier zu dem Thema: In der ATSB-Anstecker-Sammlung findet sich auch ein Anstecker zum ersten Bundesfest in Leipzig (6/STICK00148).
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