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Das schwedische Projekt “Equal Entry” sammelt wissenschaftliche Erkenntnisse zur besseren Arbeitsmarktintegration von Migrantinnen.
Bild: von picture alliance / Bildagentur-online/Tetra-Images | Bildagentur-online/Tetra/, FS Productions
Bild: Petra Ornstein von privat
Petra Ornstein ist Statistikerin und Senior Researcher bei der schwedischen Arbeitsagentur PES. Gemeinsam mit Kolleg_innen begleitet sie das Projekt "Equal Entry" (Gleicher Zugang), das gleichzeitig eine Studie ist. Im Interview gibt sie einen Überblick über die bisherigen Erkenntnisse.
FES: Kurz zusammengefasst: Was ist aus wissenschaftlicher Perspektive das Besondere am Projekt „Equal Entry“?
Petra Ornstein:In Schweden, wie auch in Deutschland, haben im Ausland geborene Frauen – sowohl im Vergleich zu im Ausland geborenen Männern als auch im Inland geborenen Frauen eine niedrigere Beschäftigungsquote. Eine wichtige Frage ist deshalb, wie ihr Eintritt in den Arbeitsmarkt beschleunigt und die Beschäftigungsquote gesteigert werden kann. Studien zeigen, dass besonders intensive Arbeitsförderprogramme, so genannte Job Search Assistance Programme (JSA), , ein effektives Mittel sind, um Arbeitssuchende in Arbeit zu vermitteln. Jedoch beziehen die meisten Studien im Ausland geborene Frauen nicht im ausreichenden Ausmaß ein, um eindeutige Schlussfolgerungen zu erlauben, inwiefern die Effizienz von JSA sich auf sie übertragen lassen. Fehlende wissenschaftliche Erkenntnisse führen dazu, dass nicht in Schweden geborene Frauen oft Förderprogrammen zugewiesen werden, die geringere Effekte erzielen als das JSA-Programm. In dem Projekt Equal Entry hingegen untersuchen wir explizit, ob das JSA-Programm die Beschäftigtenquote von geflüchteten Frauen und Männern erhöhen kann. Dazu verwenden wir ein kontrolliert- randomisiertes Studiendesign, das über 6000 Studienteilnehmer_innen einschließt, von denen aber nur eine zufällige Stichprobe an der JSA-Intervention teilnimmt. Das bedeutet, dass wir eine glaubwürdige Vergleichsgruppe haben - wir können also sagen, was mit den Studienteilnehmern passiert wäre, wenn sie nicht an der Intervention teilgenommen hätten.
Welche politischen Schlussfolgerungen lassen sich aus den bisherigen Erkenntnissen ableiten?
Die Schlussfolgerung ist, dass eine mit Bedacht gestaltet JSA-Intervention ein Weg ist um die Beschäftigenrate von gerade im Land angekommenen Frauen und Männern zu erhöhen. Es scheint, dass Frauen durch die JSA unterstützt werden - ganz gleich welches formale Bildungsniveau oder welche Arbeitserfahrungen sie mitbringen. Auch ist es relevant, zu erwähnen, dass unsere vorläufige Kosten-Nutzen-Analyse zeigt, dass diese Intervention relativ betrachtet günstig ist.
Unser Studiendesign erlaubt es uns nicht, genau zu bestimmen, warum dieses Programm für die Frauen funktioniert, aber wir möchten eine Reihe von Faktoren hervorheben, die uns wichtig erscheinen. Erstens werden Frauen zum selben Anteil wie Männer für das Programm ausgewählt. Zweitens ist das Programm sorgfältig mit Blick auf alle neu ankommende Frauen konzipiert – auch für diejenigen mit wenig oder keiner Arbeitserfahrungen oder für Frauen mit Sorgeverantwortung, die ihre Flexibilität einschränkt. So ermöglicht das JSA-Programm zum Beispiel eine Vermittlung nach informellen Fähigkeiten und Eigenschaften - nicht nur nach formalen Qualifikationen. Schließlich hat sich das Projekt das Ziel geschlechtergerechte Ergebnisse gesetzt und evaluiert diese kontinuierlich durch ein aktives Management.
Wie hat die durch Covid-19 bedingte Rezession die Studienergebnisse beeinflusst?
Mit der Corona-Krise ist die Zahl von Arbeitssuchenden bei der Schwedischen Arbeitsagentur schnell gestiegen. Das bedeutet, dass die neu auf dem Arbeitsmarkt ankommenden Personen aus unserer Studie mit Arbeitssuchenden, die eine relativ starke Positionierung auf dem Arbeitsmarkt haben, konkurrieren mussten. Zusätzlich waren einige der Branchen, die im Allgemeinen neu auf dem Arbeitsmarkt ankommende Personen, einstellen, besonders stark von der Rezession betroffen – so z.B. die Restauration, Hotellerie und der Bereich der Konsumgüter und Dienstleistungen. Insgesamt betrachtet sind die Resultate in beiden Vergleichsgruppen, der Interventions- wie auch der Vergleichsgruppe geringer, als sie es sonst wären. Jedoch hat das JSA-Programm Effekte während dieser Zeit gezeigt. Unser Bericht umspannt sieben Monate Pandemie-bedingte Rezession und wir können starke und statistisch signifikante Effekte durch Teilnahme an dem JSA für den Arbeitsmarkteintritt feststellen.
Gibt es erste Erkenntnisse im Hinblick auf mittel- bis langfristige Ergebnisse der erfolgten Arbeitsvermittlung im Rahmen des Projekts?
Die rasche Integration in den Arbeitsmarkt des Aufnahmelandes, auch wenn sie nur temporär ist, wird als wichtig für zukünftige Arbeitsmarktergebnisse von Migrant_innen betrachtet. Langzeiteffekte der Intervention sind daher für das Projekt eine zentrale Forschungsfrage für die Zukunft. Aufgrund des wissenschaftlich soliden, randomisiert-kontrollierten, Studiendesigns, wird es uns im Zeitverlauf möglich sein, die Dauerhaftigkeit der Interventionseffekte zu evaluieren.
Welche politischen Schlussfolgerungen über den schwedischen Arbeitsmarkt hinaus können hier für die Arbeitsmarktintegration von Migrant_innen, insbesondere Frauen, angenommen werden?
Die Erkenntnisse aus dieser Studie sind für jedes entwickelte Land, das Geflüchtete und andere schutzsuchende Migrant_innen aufnimmt, relevant. In solchen Ländern gibt es ein offenkundiges Interesse Geflüchtete, Frauen wie Männer, schnell auf dem Arbeitsmarkt zu integrieren. Neu ankommende Migrant_innen in Schweden sind eine heterogene Gruppe, in der unterschiedliche Bildungsgrade und Berufserfahrung vorhanden sind. Wir wissen, dass ein JSA generell eine gute Arbeitsmarktfördermaßnahme ist. Die Studie zeigt, dass ein sorgfältig zusammengestelltes und verwaltetes JSA ein sehr effizienter Weg sein kann, um die Arbeitsmarktintegration einer ganzen Gruppe neu angekommener Migrant_innen zu beschleunigen, sogar für geflüchtete Frauen mit wenig formaler Bildung. Für Aufnahmeländer, die den Eintritt in den Arbeitsmarkt verbessern wollen, ergibt sich daraus, dass der Zugang zu einem JSA für arbeitssuchende Migrant_innen als eine wichtige Komponente zur Arbeitsmarktförderung betrachtet werden sollte.
Erfahrungen aus dem schwedischen Projekt "Equal Entry" / Petter Helgesson, Erik Jönsson, Petra Ornstein, Magnus Rödin und Ulfhild Westin. - Bonn : Friedrich-Ebert-Stiftung, Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik, 2021. - 4 Seiten = 120 KB, PDF-File. - (WISO direkt ; 2021,12)Electronic ed.: Bonn : FES, 2021ISBN 978-3-96250-838-8
Zum Download (PDF) (120 KB, PDF-File)
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