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Die Idee einer gemeinsamen europäischen Arbeitslosenversicherung ist plötzlich wieder in aller Munde. Folgt nun die sozialpolitische Integration Europas?

Bild: Bundesarchiv, Arbeitsamt Sonnenallee von Wikimedia Commons lizenziert unter CC-BY-SA 3.0

Zehn Jahre nach der Wirtschaftskrise ist die Arbeitslosigkeit in Europa weiterhin hoch. Sowohl das Nord-Süd-Gefälle als auch die Kluft zwischen Arm und Reich spalten Europa. Eine Debatte über zusätzliche politische Instrumente zur Bewältigung der Situation ist daher mehr als gerechtfertigt. Verschiedene Präferenzen und historische Entwicklungen bedeuten, dass die nationalen Arbeitsmärkte unterschiedlich organisiert sind, was das effiziente Funktionieren der Währungsunion oftmals behindert. Um diesem Problem entgegenzuwirken, wurde bereits vor einigen Jahren die Europäische Arbeitslosenversicherung (EUI) als Maßnahme vorgeschlagen, die zur Steuerung der Fiskalpolitik beitragen und die Situation an den Arbeitsmärkten verbessern soll. Nun ist sie wieder in aller Munde.

Umstrittene Idee

Sowohl die Idee als auch die verschiedenen Modelle bleiben jedoch umstritten. Oftmals wird befürchtet, wirtschaftlich gutsituierte Länder würden zukünftig für Arbeitslose anderer Mitgliedsstaaten mitzahlen. Deutsche Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften sehen die national gewachsenen Sozialversicherungssysteme in eine Zwangsjacke verordnet. Auch das Bundesministerium für Finanzen bewertet potenzielle miteinhergehende Änderungen der Anreizstruktur für Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik kritisch. Befürworter wie der frühere EU-Kommissar für Arbeit und Soziales, László Andor, sehen in einer europäischen Arbeitslosenversicherung jedoch eine große Chance: „Ein solches Konzept schaffe wirtschaftliche Stabilität und könne in einer Phase des konjunkturellen Abschwungs die Wirtschaft kurzfristig beleben.“ Folgt nun also die sozialpolitische Integration der EU und wenn ja, wie könnte diese aussehen?

Solidarität und Eigenverantwortung

Ein mögliches Modell wird in der neuesten Publikation des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Madrid, „Fit for a German-Spanish proposal for a robust European Unemployment Insurance“, vorgestellt. Basierend auf den Grundprinzipien der Solidarität und Eigenverantwortung hat eine spanisch-deutsche Arbeitsgruppe der Agenda Pública und der FES ihren Vorschlag eines europäischen Arbeitslosenversicherungsschemas ausgearbeitet. Die Autoren des Reports Sebastian Dullien und Daniel del Prado schlagen ausgehend von der Annahme der Versicherungstheorie eine Kombination aus Selbstversicherung und Rückversicherung vor. 

In beständigen Zeiten würden die Mitgliedsstaaten der Eurozone 0,1 Prozent des jährlichen BIP in einen gemeinsamen europäischen Arbeitslosenfond zahlen, wobei der Löwenanteil in ein nationales Abteil, das spezifisch für das jeweilige Land bestimmt ist, fließt. Der Rest würde in einen gemeinsames Abteil für „stürmische Tage“ und wirtschaftliche Schocks zum Zwecke der Rückversicherung gehen. Wenn in einem Mitgliedsstaat die Arbeitslosigkeit über einen festgelegten Referenzwert steigt, würde es eine Nettoauszahlung aus dem eigenen nationalen Selbstversicherungsfach erhalten. Erst bei einem sehr großen wirtschaftlichen Schock und ab einem Anstieg von zwei Prozent der Arbeitslosigkeit würden zusätzliche Mittel aus dem „stürmischen Tagesfonds“ der Rückversicherung bereitgestellt.

Fragen bleiben ungeklärt

Simulationen, die auf diesen Prinzipien basieren weisen laut den Initiator_innen der Studie ein erhebliches wirtschaftliches Stabilisierungspotenzial auf. Gleichzeitig basiert das Modell auf einem System, welches den Mitwirkenden nur minimale Nettokosten verursacht. Durch diese Form entstehe genauso eine Institutionalisierung der antizyklischen Wirtschaftspolitik, wie auch eine Form der Solidarität. Unterstützt wird die Idee auch von den Abgeordneten des europäischen Parlaments Jonas Fernández und Jakob von Weizsäcker. Dennoch bleibt fraglich, wie man etwa Arbeitnehmer_innen erklären soll, dass sie fortan zwar für Arbeitslose der anderen europäischen Staaten zahlen sollen, ohne jeden Einfluss auf die Arbeitsmarktpolitik eben dieser Länder ausüben zu können. Überhaupt: Müssen mit einem solchen Modell nicht auch notwendige Arbeitsmarktreformen einhergehen? Und was will man Rechtspopulisten entgegnen, die anmerken würden, Europa  sei nun offiziell eine „Transferunion"? Diese Fragen gilt es zunächst zu klären, bevor wir den Beginn der sozialpolitischen Integration in Europa erleben dürfen.

Ansprechpartner in der Stiftung

Gero Maaß


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